Sanierung

Balkoninstandsetzung im Berliner Hansa-Viertel

Durch umfassende Instandsetzung konnte die Original-Bausubstanz der Loggien an der denkmalgeschützten Wohnanlage im Berliner Hansa-Viertel erhalten werden. Grundlage der Arbeiten bildeten eine Bauwerksuntersuchung und ein darauf basierendes Instandsetzungskonzept.

Für den Wiederaufbau des Berliner Hansaviertels wurden 1952 namhafte Architekten aus 13 Ländern zu einem Wettbewerb eingeladen. 35 Objekte, die sämtlich Architekturgeschichte schrieben, wurden 1957 im Rahmen der Internationalen Bauausstellung „Interbau“ realisiert. Eines davon ist die Wohnanlage Händelstraße, die nach Planung der Architektengemeinschaft „The Architects Collaboratives“ unter Führung von Walter Gropius erstellt wurde. Rund 60 Jahre nach Fertigstellung wurde das leicht konkav geschwungene, 1980 unter Denkmalschutz gestellte Gebäude aufwändig instandgesetzt. Betonbauteile, die unmittelbar der Witterung ausgesetzt sind, wiesen massive Korrosionsschäden auf und erfüllten nicht mehr die Anforderungen zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit.

Die Architektur

Besonderes Merkmal des Zeilenbaus sind die um 90° gedrehten Wohnungsblöcke an den Schmalseiten. Der in West-Ost-Richtung auf dem Grundstück angeordnete Gesamtkomplex besteht aus vier jeweils durch Dehnungsfugen voneinander getrennten Baukörpern mit je zwei Wohneinheiten, deren Grundrisse symmetrisch aufgebaut sind. In den Symmetrieachsen der vier Gebäudeeinheiten sind rückseitig – nach Norden – die Treppenhäuser mit Aufzug angeordnet, nach Süden hin die Wohnungstrennwände. Sämtliche Wohnräume sind nach Süden ausgerichtet, große Fenster sorgen für lichtdurchflutete Innenräume. Insgesamt befinden sich in dem zehngeschossigen 82 x 10 m langen Bau 64 Dreieinhalbzimmerwohnungen mit Größen zwischen 71 und 81 m². Drei Atelierwohnungen mit Dachterrassen bilden den oberen Gebäudeabschluss.

Die Tragkonstruktion der Anlage wurde in Stahlbetonskelettbauweise ausgeführt. Für die Ausfachungen kam Ziegelsplittbeton zum Einsatz, der aus den Trümmern des im Krieg beinahe völlig zerstörten Viertels gewonnen wurde. Zwischen den nach außen sichtbaren Stahlbetonstützen und Deckenbändern wechseln sich auf der Südfassade jeweils zwei neben- und übereinander angeordnete Fensterbänder mit Loggien ab. Die gesamte Anlage ist nicht unterkellert. Kellerräume für die Bewohner sowie Funktionsräume für die Haustechnik sind im zurückgesetzt gebauten Erdgeschoss untergebracht.

Die Schäden

Das zur Zeit seiner Entstehung als wegweisend für die moderne Stadtarchitektur gelobte Gebäude wies massive Schäden auf. So waren im Außenputz der Brüstungen unter den Fensterbändern Horizontalrisse zu beobachten. Als Ursache gilt die Windbelastung durch die großen Fensterflächen in Kombination mit dem unterschiedlichen Verformungsverhalten der eingesetzten Baustoffe durch Temperatureinwirkungen.

Vor allem die Spritzwasserbereiche der Stützen des zurückgesetzt gebauten Erdgeschosses, die die Bodenplatte der darüber liegenden Wohnungen tragen, sowie die Vorder- und Unterseiten der Loggia-Platten wiesen massive Korrosionsschäden auf. Hier begünstigte die Karbonatisierung der aus heutiger Sicht zu geringen Betonüberdeckung die Korrosion der Stahlbewehrung. Teilweise waren die Bewehrungen so stark geschädigt, dass die daraus resultierenden Volumenvergrößerungen zu Abplatzungen größerer Flächen führte. An einigen Stellen war die Bewehrung so deutlich korrodiert, dass Querschnittsverluste vorliegen. Zur langfristigen Erhaltung der Bausubstanz waren daher umfangreiche Instandsetzungsmaßnahmen erforderlich.

Die Ergebnisse der Bauwerksuntersuchung

Basis der Instandsetzungsmaßnahmen bildeten vorab durchgeführte stichprobenartige Prüfungen der bewitterten Stahlbetonsstützen und -loggiaplatten. Bereits bei oberflächlicher Betrachtung war zu erkennen, dass die etwa 1 cm dicke Putzschicht der Außenstützen im Erdgeschoss so stark geschädigt waren, dass teilweise der Verbund zum Untergrund nicht mehr bestand. Bei einigen Stützen waren außerdem die Betonkanten am Fußpunkt abgebrochen. In diesen Bereichen lag die Bewehrung frei.

Die Festigkeitsprüfung an Bohrkernen im Labor ergab Werte, denen zufolge der passive Korrosionsschutz des Betonstahls in den sonst weitgehend unbeschädigten Stützen noch sichergestellt ist. „Der Beton“, so die Einschätzung des mit dem Instandsetzungskonzept beauftragten Berliner Ingenieurbüros KUK Krebs und Kiefer Beratende Ingenieure für das Bauwesen GmbH, „lässt sich in die Festigkeitsklasse C 30/37 nach DIN 1045-1 einstufen und erfüllt damit die Anforderungen für Bauteile der Expositionsklasse XC4 XF1 (wechselnd nasse/trockene Umgebung und mäßige Wassersättigung ohne Taumittel) und ist auch als Untergrund für die Auftragung eines Instandsetzungsmörtels an den geschädigten Stellen geeignet.“

Anders dagegen der Zustand der Loggia-Platten. Diese wiesen an den frei bewitterten Rändern sowie an der Unterseite im Bereich der Tropfkante Betonabplatzungen auf. Die Bewehrung lag stellenweise frei. Teilweise war sie so weit korrodiert, dass Querschnittsreduzierungen festzustellen waren. Die Ermittlung der Betonüberdeckung und der Karbonatisierungstiefe sowie die zerstörungsfreie Prüfung der Druck- und Oberflächenzugfestigkeit des Betons ergab Ergebnisse, die nahe legten, dass die unter der Querbewehrung liegende Längsbewehrung der Loggiaplatten nicht mehr über einen ausreichenden Korrosionsschutz verfügte. Der Beton ließ sich nach den Ergebnissen der Druck- und Zugfestigkeitsprüfung in die Festigkeitsklasse C16/20 bis C 20/25 nach DIN 1045-1 (08.08) einstufen und erfüllte damit nicht die Anforderungen für Bauteile der Expositionsklasse XC4 XF1.

Die Instandsetzungsmaßnahmen

Da bei den Loggia-Platten der bisherige Korrosionsgrad der Bewehrung relativ gering war und ausreichende Tragsicherheit gegeben war, war es möglich, nach Freilegen und Entrosten der Bewehrungsstähle und dem Auftragen einer Korrosionsschutzbeschichtung die Stahlbetonbauteile durch den teilweisen Ersatz des Betons instand zu setzen.

Voraussetzung für die fachgerechte Instandsetzung ist vor allem die richtige Vorbereitung des Untergrundes. Entsprechend hat das ausführende Unternehmen, die Tarkus IngenieurSanierung GmbH aus Berlin, ein Mitglied der Gütegeschutzmeinschaft Betoninstandsetzung Berlin und Brandenburg  e.V., das auf den gesamten Bereich der Betoninstandsetzung, Bauwerkserhaltung und Tagwerksverstärkung spezialisiert ist, zunächst nicht mehr funktionsfähige Beläge, Abdeckungen und Dichtungen entfernt. Die Mitarbeiter von Firmenchef Marco Götze trugen alle verbundhemmend wirkenden Beschichtungen sowie Betonabplatzungen über korrodierten Bewehrungen und lockere bzw. hohlliegenden Bereiche durch Strahlen ab. Sie öffneten die geschädigten Stellen vorsichtig und legten die korrodierten Stähle rückseitig sowie mindestens 2 cm über die Ränder der geschädigten Bereiche hinaus frei.

Durch Strahlen mit festem Strahlmittel entsprechend dem Reinheitsgrad SA2½ wurden die korrodierten Bewehrungen entrostet und für den Auftrag der Korrosionsbeschichtung vorbereitet. Sofern die Restquerschnitte der entrosteten Bewehrung nicht mehr den statischen Berechnungen entsprachen, wurden sie entsprechend verstärkt. Die abschließende Reprofilierung der geschädigten Betonquerschnitte erfolgte mit kunststoffmodifiziertem PCC-Mörtel, teilweise wurde auch Spritzbetonmörtel (SPCC) mit der Festigkeitsklasse C25/30 eingesetzt. Um weiteres Eindringen von Feuchtigkeit zu verhindern, wurden im Beton vorhandene Risse außerdem mit Epoxidharz kraftschlüssig verpresst.

Die geringe Betondeckung der Bewehrung und die durch das Bauwerksalter bedingte fortgeschrittene Karbonatisierung verhinderten eine dauerhafte Wiederherstellung des alkalischen Milieus. Damit war passiver Korrosionsschutzes der Stahleinlagen auf lange Sicht nicht möglich. Die Instandsetzung der geschädigten Bauteile erfolgte daher nach dem Instandsetzungsprinzip W (Korrosionsschutz durch Begrenzung des Wassergehaltes im Beton) der Richtlinie des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen (Instandsetzungs-Richtlinie). Entsprechend wurde die örtlichen Reprofilierungen der geschädigten Stellen zusätzlich durch ein Oberflächenschutzsystem ergänzt. Durch diese Maßnahme wird der Wassergehalt im Beton reduziert und ein Fortschreiten der Korrosion behindert. Anforderungen an die Mindestbetonüberdeckung bestehen bei der Anwendung dieses Instandsetzungsprinzips nicht. Als geeigneter Oberflächenschutz entsprechend der Instandsetzungs-Richtlinie kam im vorliegenden Fall eine Reinacrylatdispersion zum Einsatz.

Im Rahmen der Erstellung des Instandsetzungskonzeptes stellten die Sachverständigen keine Schäden im Fußbodenaufbau der Loggien fest. Eine Erneuerung des bestehenden Fußbodenaufbaus – Gussasphalt auf Trennlage mit nachträglich aufgebrachten unterschiedlichen Fliesenbelägen – war deshalb zur Abdichtung nicht notwendig und wurde entsprechend auch nicht ausgeführt. Umfangreiche Instandsetzungsmaßnahmen waren jedoch – wie sich im Verlauf der Arbeiten herausstellte - auch im Bereich der Wandkonstruktionen erforderlich.

Qualitätssicherung

Insgesamt konnte am denkmalgeschützten Gropius-Bau durch die Entfernung und Reprofilierung der Schadflächen sowie durch den flächigen Auftrag eines Oberflächenschutzsystems die Originalsubstanz der Loggien instandgesetzt und gleichzeitig Vorsorge zur Vermeidung künftiger Schäden getroffen werden. Umfangreiche und gründliche Vorbereitungen der Arbeiten durch eine flächendeckende Schadenserfassung mit umfassender Dokumentation und ein darauf basierendes Instandsetzungskonzept waren die Grundlage für die Qualität der Arbeiten. Während der gesamten Maßnahme wurde die fachgerechte Ausführung der Arbeiten durch Eigenüberwachungen gemäß der Instandsetzungs-Richtline (Teil 3) durchgeführt und dokumentiert und schließlich im Abschlussbericht festgehalten. Die Fremdüberwachung wurde durch die dafür anerkannte Prüf- und Überwachungsstelle der Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken mit positiver Beurteilung durchgeführt.

Betonbauteile, die unmittelbar der Witterung ausgesetzt sind, wiesen massive Korrosionsschäden auf

Basis der Instandsetzungsmaßnahmen bildeten stichprobenartige ­Prüfungen der bewitterten Stahlbetonsstützen und -loggiaplatten

Die fachgerechte Ausführung der Arbeiten wurde gemäß der Instandsetzungs-Richtline (Teil 3) durchgeführt und dokumentiert.

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