Nachgefragt

BIM-Lösungen für die
Wohnungswirtschaft

Mit der Verbreitung des Building Information Modeling (BIM) beginnt für die Baubranche ein neues Kapitel. Welche Möglichkeiten ergeben sich daraus für die Wohnungswirtschaft? Maurice Bonfrere, BIM-Verantwortlicher beim Baustoffhersteller Saint-Gobain Weber, gibt einen Überblick.

Herr Bonfrere, das Thema Building Information Modeling ist in aller Munde. Können Sie kurz umreißen, worum es sich dabei handelt?

Building Information Modeling – kurz BIM – ist eine Methode zur integralen Planung, Ausführung und Bewirtschaftung von Gebäuden. Die Informationen werden dabei in einem intelligenten, digitalen Gebäudemodell erfasst, kombiniert und vernetzt. Alle Informationen sind in dem zentralen 3D-Modell enthalten und lassen sich jederzeit unter beliebigen Kriterien auswerten.

An einer Stelle eingefügte Änderungen an Böden, Fassaden oder Wänden erzeugen entsprechende Änderungen in allen weiteren Planungsdokumenten. Stücklisten, Mengen­ermittlungen und die daraus resultierende Kostenkalkulation werden automatisch angepasst. Dies führt zu mehr Sicherheit hinsichtlich Kosten, Terminen und Nachhaltigkeit in der Projektabwicklung. Planungsfehler werden vermieden und die rechtlichen Risiken minimiert.

Wie wird diese Lösung in der Wohnungswirtschaft angenommen?

Unter den wichtigsten Industriebranchen zählt die Bauindustrie zu denen mit dem niedrigsten Digitalisierungsgrad. Allerdings hat das Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur 2015 die stufenweise Einführung des Building Information Modeling beschlossen. Ab 2020 soll BIM bei allen neu zu planenden Projekten im Zuständigkeitsbereich des Ministeriums angewendet werden. Dies wird auf weitere Behörden auf Landes- und kommunaler Ebene ausstrahlen und bietet für die Wohnungswirtschaft beste Voraussetzungen, um auch die eigene Arbeitsweise auf die neuen digitalen Möglichkeiten umzustellen.

Dennoch scheuen viele Planer in der Wohnungswirtschaft noch vor der Implementierung von BIM zurück. Aufgrund der Komplexität des Systems betrachten sie BIM nicht als ihr originäres Aufgabenfeld, sondern eher als ein Thema für die IT. Darüber hinaus stellen oft auch die Kosten ein Hindernis dar. Die Implementierung von BIM kostet mehrere tausend Euro pro Arbeitsplatz. Hinzu kommen drei bis sechs Monate Einarbeitungszeit.

Dennoch führt auf lange Sicht kein Weg an BIM vorbei. Dessen Einführung wird die Planung auf Dauer ähnlich stark verändern wie die Einführung von CAD-Systemen in den 1990er-Jahren.

Aber Sie sehen deutliche Vorteile für Wohnungsbaugesellschaften?

Auf jeden Fall. Ist das System einmal eingeführt, wird der Planungsaufwand bei Projekten reduziert. Allerdings müssen auch die begleitenden internen Prozesse umstrukturiert werden. Und man muss zunächst Geld in die Hand nehmen, denn Mieter sind noch weniger als private Bauherren bereit, für eine Planung mit BIM mehr Geld auszugeben. Dennoch zahlt sich eine solche Investition für Unternehmen der Wohnungswirtschaft aus, da nicht nur die Gesamtkosten inklusive Folgekosten reduziert, sondern auch die Qualität der Planung sowie die Effizienz verbessert werden.

Gibt es hier Erfahrungswerte?

Laut einer Befragung von BauInfoConsult vom August 2017 bestätigen 55 % der befragten Architekten, die bereits auf BIM umgestiegen sind, eine bessere Zusammenarbeit mit anderen Akteuren im Bauprojekt. Ebenfalls rund die Hälfte bestätigte eine spürbare Effizienzsteigerung bei der Kalkulation, Bauausführung und Objektbetreuung. Eine Kostenreduktion zeigte sich bei Personal-, Bauwerks- und Fehlerkosten. Die Boston Consulting Group prognostiziert, dass die flächendeckende Digitalisierung bis zum Jahr 2025 zu einer Kostenreduktion von 13 bis 21 % in der Entwurfs-, Planungs- und Bauphase sowie 10 bis 17 % in der Nutzungsphase führen wird.

Wie sehen die Vorteile in der Nutzungsphase konkret aus?

Betrachtet man die Gesamtkosten eines Gebäudes über die Lebensdauer von etwa 50 Jahren, entfallen lediglich 20 % auf den Bereich Planen und Bauen. Das Betreiben und Instandhalten von Gebäuden ist mit 80 % der Gesamtkosten deutlich relevanter. Genau hier wird BIM in Zukunft seinen Mehrwert ausspielen. Die Informationen, die in einer BIM-Planung automatisch vorhanden sind, können jederzeit für Pflege und Wartung genutzt werden und ermöglichen beispielsweise schnellere und wirtschaftlichere Umbaumaßnahmen. Auch das Lebensende eines Gebäudes wird in BIM berücksichtigt. Der Abbruch und die Recyclingfähigkeit der gewählten Bauprodukte können in BIM beurteilt und entsprechend optimiert werden. So bekommt man auf Knopfdruck eine Bewertung für die Nachhaltigkeit eines Gebäudes.

Was tut die Bauindustrie, um Unternehmen der Wohnungswirtschaft die Arbeit mit BIM zu erleichtern?

Da ist noch viel Luft nach oben. Laut einer Umfrage von BauInfoConsult stellen aktuell lediglich 29 % der deutschen Baustoffhersteller BIM-Informationen zu ihren Produkten zur Verfügung. Der Saint-Gobain-Konzern hat dies früh als Zukunftsthema erkannt und bietet Planern bereits jetzt für ArchiCAD, Allplan und Revit den Schnellzugriff auf über 10.000 geprüfte Bauteil-Lösungen seiner Tochtergesellschaften Weber, Rigips, Isover, Glass und Ecophon. Mit diesen Saint-Gobain-Lösungen lässt sich nahezu ein ganzes Gebäude planen, zudem werden die BIM-Daten kontinuierlich erweitert, aktualisiert und nutzerfreundlicher gestaltet. Sie lassen sich unmittelbar im graphischen Modell in der CAD-Software anwenden. Sämtliche BIM-Daten, unter anderem für Putz- und Wärmedämm-Verbundsysteme, Abdichtungen sowie Boden- und Fliesensysteme von Saint-Gobain Weber, werden kostenlos zur Verfügung gestellt.

Was benötigen Planer, um diese Möglichkeiten zu nutzen?

Das hängt von der verwendeten Planungssoftware ab. Drei der verbreitetsten Programme sind Allplan, ArchiCAD sowie Revit. Was Allplan betrifft, sind unsere Lösungen in den Allplan Intelligente BauDaten (IBD) enthalten. Im Rahmen der Design2Cost-Methode ermöglichen sie eine sehr effektive Arbeitsweise, da sie zeitgleich für mehrere Auswertungsarten zur Verfügung stehen. Nutzer von ArchiCad und Revit können über ein Plug-In auf das umfassende Angebot aktueller Bauteil-Lösungen zugreifen.

Einmal als App in die eigene Planungssoftware installiert, verfügen Architekten und Planer somit ebenfalls über einen komfortablen Zugriff auf geprüfte Konstruktionslösungen für unterschiedlichste Bauteile. Die erforderlichen Konstruktionsparameter lassen sich weitgehend voreinstellen, so dass die Arbeit zügig umgesetzt werden kann. Ohne nennenswerten Mehraufwand erhalten sie so bereits in der Entwurfsphase hochwertige Bilder und Animationen ihrer Projekte. Außerdem erstellen sie grundrissgerechte Plandarstellungen für Entwurf, Präsentation und Ausführungsplanung.

Wie können sich interessierte Wohnungsbaugesellschaften informieren?

Bei Weber stehe ich als Ansprechpartner zum Thema BIM gern zur Verfügung. Die Saint-Gobain-Unternehmen haben Projektteams bestimmt, die das Thema vorantreiben. Sie entwickeln Lösungen, von denen alle gemeinsam profitieren. Saint-Gobain Weber, Rigips und Isover haben außerdem einen gemeinsamen BIM-Manager benannt, der das Thema BIM auch in der Öffentlichkeit präsentiert. Auf vielen Messen und Foren ist BIM derzeit ein Schwerpunkt-Thema. Auf der BAU 2017 hatten wir an unserem Gemeinschaftsstand einen eigenen Bereich, an dem wir umfassend  über BIM informiert haben. Und auch auf den wichtigen Plattformen BIM World in München und BIM Convention in Aachen waren wir vertreten. Durch den Dialog mit unseren Kunden erhalten wir Feedback, das wir für die stetige Verbesserung unserer Services nutzen. Aktuell kennen wir zwei Objekte, die große Wohnungsbaugesellschaften mit unseren BIM-Daten geplant haben, eines davon betreuen wir als Pilotprojekt. Auf diese Weise vertiefen wir unsere BIM-Expertise speziell für den Bereich der Wohnungswirtschaft kontinuierlich weiter.

Die Implementierung von BIM kostet
mehrere tausend Euro pro Arbeitsplatz.
Hinzu kommen drei bis
sechs Monate Einarbeitungszeit.
Dennoch führt auf lange Sicht kein Weg
an BIM vorbei.

Dennoch zahlt sich eine solche Investition für Unternehmen der Wohnungswirtschaft aus, da nicht nur die Gesamtkosten inklusive Folgekosten reduziert, sondern auch die Qualität der Planung sowie die Effizienz verbessert werden.

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