Denkmalgeschützt und mit Radweg-Anschluss
Genossenschaftliches Wohnen, das bedeutet: ein aktives Nachbarschaftsleben, innovative Wohnformen, sowie, besonders in den Städten, oft günstigere Mieten. In einer dreiteiligen Serie stellen wir Beispiele für „den dritten Weg im Wohnungsbau“ neben Miete und Eigentum vor. Teil 1: die Vitopia eG in Magdeburg.
Vitopia nennt sich eine Bau- und Lebensgemeinschaft im Norden von Magdeburg. Dort, im Herrenkrugpark, konnte die Gruppe die Gebäude der ehemaligen Stadtgärtnerei erwerben, direkt am Herrenkrugsteg, einer Fußweg- und Radbrücke über die Elbe.
Im ehemaligen Gärtnerhaus entstand durch denkmalgerechte Sanierung und unter tatkräftiger Mithilfe des Vitopia-Teams ein ökologisch orientiertes Café, das auch eine Begegnungsstätte für thematisch interessierte Menschen ist und nicht ohne Zufall an einem Radweg liegt. Auch eine Herberge für Radler und Wanderer wird hier entstehen und in einem im Endstadium einer Sanierung befindlichen Gebäude wird eine Wohnmöglichkeit für die 16 hier aktiven Genossenschaftsmitglieder (von insgesamt ca.100 Unterstützern) realisiert. Die Ausschreibung der Stadt sah vor, dass das Projekt in das Tourismus-Konzept für den Park einzubinden sei. Das Café ist einer der Bausteine dafür gewesen, erläutert Joris Spindler, Vorstandsmitglied im Verein bei Vitopia, im Interview.
Wie kamen Sie zusammen?
Spindler: Die damalige Gruppe von ca. 10 Personen hat sich 2006 gefunden, aus einer Lebensmittelkooperative - einer Gemeinschaft zum Kauf ökologischer Lebensmittel - heraus. Daraus ergab sich die Idee, mehr zusammen zu machen und wir suchten ein geeignetes Objekt. Nach Vorlage unseres ökologisch ausgerichteten Konzeptes erhielten wir den Zuschlag für diese denkmalgeschützten Bauten. In der Startphase nutzten wir kleinere Projektförderungen für die Gründungsberatung für die Genossenschaft. 2012 bis 2014 renovierten wir die künftige Herberge – die wir aktuell als Wohnraum nutzen - und das Café. Nachdem 2015 ein Förderantrag bewilligt wurde von einem Modellprogramm des Bundesfamilienministeriums, koordiniert durch das FORUM Gemeinschaftliches Wohnen, konnten wir mit dem Ausbau des Gemeinschaftswohnhauses beginnen.
Sie sind mehr als eine Wohngemeinschaft mit genossenschaftlichem Hintergrund?
Spindler: Wir wohnen innerhalb unseres Projektes nicht anonym, sondern realisieren andere, solidarische Formen des Zusammenlebens. Das bedeutet, dass wir uns gegenseitig kennen und unterstützen und uns als Gruppe immer wieder Unterstützung von außen holen bei wichtigen Prozessen und Entscheidungen. Wir teilen die anfallende Arbeit untereinander auf und sind im Rahmen unserer Möglichkeiten für einander da, auch über Familien und Generationen hinweg.
Sie konzentrieren sich bei diesem Projekt auf die Vermittlung ökologischer Lebensführung?
Spindler: Nicht nur die Radweg-Anbindung sehe ich bei uns als Alleinstellungsmerkmal, hier geht es um eine umfassende Reduktion der CO2-Emissionen in den Lebensbereichen Ernährung, Mobilität, Wohnen /Heizen und Konsum. Bei Vitopia werden z.B. Lastenräder im Einsatz gezeigt, wir bewegen uns bevorzugt mit Fahrrädern fort. In unserem Café gibt es ökologische Produkte, Flohmärkte und Informationsveranstaltungen – nicht nur zum Thema Radfahren. Es wird auch Seminarräume geben. Wir haben den CO2-Fussabdruck der Lebensgemeinschaft berechnet und liegen bei ca. einem Drittel des Bundesdurchschnitts. Für diese Berechnung sind wir 2015 mit dem Umweltpreis der Stadt Magdeburg ausgezeichnet worden.
Wie haben Sie die Energieversorgung geplant?
Spindler: Geheizt wird mit einem BHKW mit 8 kW thermischer Leistung und 2 kW elektrischer Leistung mit hohem Wirkungsgrad. Eine Pufferbatterie mit 8 kW ist installiert, es gibt einen Kaminofen und auf dem Radunterstand sollen PV-Paneele aufgebracht werden. Am denkmalgeschützten Café war PV nicht zugelassen. Unsere Ladestationen für Räder und PKW sind im Internet vertreten.
Im Café, das am Wochenende geöffnet ist, sind die Wände mit Lehm verputzt, es wurde mit Schilf gedämmt und ökologische Farben eingesetzt. Das haben wir teilweise selbst mit aufgebaut.
Wie gestaltete sich der Denkmalschutz?
Spindler; Wichtiger Partner für uns war Tom Günther vom Architekturbüro qbatur. Besonders beim Gemeinschaftswohngebäude von 1928 im Stil des neuen Bauens gab, bzw. gibt es viel zu tun: es wurde in Holzrahmenbauweise aufgestockt und im alten Massivbau-Bereich wurde eine Innendämmung aus Holzfaserdämmstoff angebracht sowie neue Fenster gesetzt. Und letztendlich musste es hochwassertauglich konzipiert werden. Dazu wird das EG nicht mehr als Wohnbereich genutzt, denn es stand beim Elbehochwasser 2013 unter Wasser.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
„Wir wohnen innerhalb unseres Projektes nicht anonym, sondern realisieren andere, solidarische Formen des Zusammenlebens.“