Bleifassade

Eigenwillig

Im Rahmen einer umfassenden Sanierung wurde das Museum Wilhelm Morgner in Soest mit einem externen Aufzugsschacht erweitert.Die in unregelmäßigem Rhythmus aufgeschichteten horizontalen Bleielemente brechen auf eigenwillige Weise die strenge Vertikalität des Bauwerks.

Das denkmalgeschützte Museum Wilhelm Morgner, ein zweigeschossiger Betonskelettbau in der Thomästraße in Soest, wurde 1961 von dem Wiesbadener Architekten Rainer Schell entworfen. Zunächst als Volkshochschule, Veranstaltungssaal und Jazzkeller genutzt, beherbergt das Haus heute ein Kunstmuseum. „Das alte Wilhelm-Morgner-Haus war in die Jahre gekommen und erfüllte die Anforderungen an ein modernes Museum nicht mehr: Es war weder barrierefrei, noch genügte es den energetischen Standards“, erklärt der verantwortliche Architekt Oliver Silge des Nordkirchener Architekturbüros Leistungsphase. „Diese Mängel haben wir unter Beachtung der denkmalpflegerischen Belange behoben. Bei der Konzeption des Aufzugschachtes ging es darum, einen neuen eigenständigen Baukörper zu entwickeln, der die Idee des Bestandsgebäudes weiterschreibt, sich dessen wuchtiger Präsenz zuordnet und sich gleichzeitig angemessen in den historischen Kontext fügt. Eine am Ende doch sehr komplexe Aufgabe.“

In der Fassade wechseln Bänder aus regelmäßig geformten Backsteinen mit Flächen natürlicher Feldsteine ab. Tragende Elemente aus Sichtbeton geben dem Gebäude seinen sichtbaren Halt. Silge entwickelte den externen Aufzugschacht als geradlinige Fortsetzung der strengen Komposition des ursprünglichen Baukörpers: Der Anbau ragt an der nördlichen Front des Gebäudes senkrecht in den städtebaulich sensiblen Bereich zwischen Museum und Dom und verschafft dem Museum dort eine neue, starke Präsenz. Der Standort des Bauteils ergab sich aus der Verlängerung der Haupterschließungsachse, die bei der Sanierung wiederhergestellt wurde und mit dem Turm akzentuiert wird. Von außen fügt sich die eigenwillige Großform harmonisch in das Zusammenspiel der nahen historischen Gebäude klar dem modernen Museumsbau zu.

In der Fußgängerzone verweist der 7,5 m hohe Aufzugturm wie ein erhobener Zeigefinger auf die neue Funktion des Gebäudes als Museum. Dabei nimmt die Bleiverkleidung historische Elemente wie die Bleiglasfenster oder die Eindeckung des benachbarten Doms elegant auf und schmeichelt den steinernen Fassaden und dem farblich ähnlichen Basaltboden der Fußgängerzone.

Durch die in unregelmäßigem Rhythmus aufgeschichteten horizontalen Bleielemente arbeitet die Gestaltung der vertikalen Funktionalität des Aufzugschachtes raffiniert entgegen und bricht die strenge Geometrie der großen Fläche. Einen weiteren Gegensatz zur linearen Komposition bildet die lebendige Optik der von Hand angepassten waagerechten Walzbleiprofile aus dem Hause Röhr + Stolberg. Durch die manuelle Verarbeitung mit traditionellen Treib- und Klopfwerkzeugen direkt am Objekt weisen die Bleiflächen feine Unregelmäßigkeiten auf. Diese verleihen ihnen in Kombination mit der charakteristischen gräulichen Patina, die sich witterungsbedingt herausbildet, ein besonders lebendiges Aussehen. Ein interessanter Kontrast – gerade an modernen Architektenbauten.

Lebendige Optik

Die lebendige Optik der von Hand angepassten, waagerechten Walzbleibleche bilden einen starken Gegensatz zur geradlinigen Konstruktion des Gebäudes. Die besonderen Anforderungen bei der Ausführung der Aufzugschachtfassade bestanden vor allem darin, ihr erhebliches Gewicht statisch abzufangen – denn allein die Bleihülle wiegt drei Tonnen. Die Bekleidung der in den Abmessungen unterschiedlich gestalteten Platten wurde mit Tafelware einer Stärke von 2,25 mm hergestellt, indem das Material um vorgefertigte Paneele herumgeschlagen und an ihnen befestigt wurde. 

Der Baukörper des Aufzugschachtes ist eine Betonkonstruktion. Als Unterkonstruktion der Verkleidung wurde entsprechend statischer Berechnungen ein Aluminiumsystem aus 20 cm tiefen Quer- und Längsprofilen eingesetzt. Zwischen diesen wurden zur Wärmedämmung 120 mm starke Mineralfaserdämmplatten angebracht. Mit einem Abstand von 40 mm als Hinterlüftungsebene wurden schließlich zementgebundene Duripaneelplatten mit Edelstahlschrauben an der Unterkonstruktion befestigt. Dabei wurden die gekanteten Bleche mit großzügiger Überlappung um die Paneele geformt und festgeklebt. Um eine regensichere Fassade herzustellen, wurden die Stöße mit Walzblei unterlegt, entsprechend überlappt und verfalzt. Das Erscheinungsbild dieser Art der Verarbeitung unterscheidet sich fundamental von der traditionellen Falztechnik. Anstatt der vorstehenden Falze und Wulste beherrschen Schattenfugen die Optik. Als dunkle Linien strukturieren sie die Oberfläche und geben ihr Tiefe. Die zwischen 20, 30, 40 und 50 cm wechselnde Höhe der einzelnen Elemente fordert große Sorgfalt an die seitlichen An- und Abschlüsse. Für einen ebenmäßigen seitlichen Abschluss des Turms wurden die Eckausbildungen über ein an den Kanten angebrachtes Eckprofil mit Walzblei getrieben und von den Paneelen mit einer Sichtfuge mit entsprechender Überdeckung abgedeckt.

Werkstoff mit Tradition

„Für mich gab es keine Alternative zu Blei – aufgrund der Bezüge zur Umgebung, seiner Verbindung von Tradition und Moderne sowie der Mittlerposition zwischen den Kirchenfenstern des Glaskünstlers Hans Kaiser im Dom und seinen Exponaten im Museum“, fasst Silge zusammen. Rund 3 t Blei in einer Dicke von 2,25 mm kleiden den Baukörper ein. Blei ist schwer und gleichzeitig weich, was es gut formbar macht. Die natürliche Patina aus Bleicarbonat oder Bleisulfat wirkt zudem wie ein Korrosionsschutz, der widrigen Witterungsbedingungen trotzt. Deshalb halten Bleieindeckungen mitunter Jahrhunderte.

Durch die manuelle Verarbeitung mit traditionellen Treib- und Klopfwerkzeugen direkt am Objekt weisen die Bleiflächen feine Unregelmäßigkeiten auf.

Die natürliche Patina aus Bleicarbonat oder Bleisulfat wirkt zudem wie ein Korrosionsschutz

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