Fassaden aus Textilbeton mit Sandwichtragwirkung
In einer Serie mit dem BMI präsentieren wir Projekte aus der Bauforschung. In Teil 42 geht es um großformatige energieeffiziente Fassaden aus Textilbeton mit Sandwichtragwirkung – Entwicklung von Herstellmethoden, Bemessungs- und Fügekonzepten.
Sandwichelemente mit Deckschichten aus Stahlbeton weisen üblicherweise Schalendicken von mindestens 8 bis 9 cm auf. Die ökologischen sowie energetischen Anforderungen an die Gebäudehüllen werden sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen. Dies bedeutet eine kontinuierliche Vergrößerung der Außenwandstärke durch dickere Dämmungen. Um dem entgegenzuwirken, sollen dünne textilbewehrte Schalen die gängigen Stahlbetonschalen ersetzen.
Mit diesem Forschungsvorhaben wurde das übergeordnete Ziel verfolgt, die technischen Grundlagen zur Herstellung und Bemessung von großformatigen, leichten und energieeffizienten Sandwichelementen für Außenwände mit Deckschichten aus textilbewehrtem Beton und innenliegender Wärmedämmung zu schaffen (Bild 1). Ursprünglich war geplant, eine Verbundtragwirkung der Betondeckschichten über die innenliegende Dämmung zu erreichen (Sandwichtragwirkung). Dieser Gedanke wurde jedoch verworfen, da die Sandwichtragwirkung maßgebend von dem später eingebauten Dämmstoff und dessen Verbund abhängt. Um flexibel in der Wahl des Dämmstoffes zu sein wurde entschieden, diesen nicht in der Bemessung anzusetzen. Mit dem neuen Ansatz wird die Sandwichtragwirkung daher ausschließlich über die Verbundmittel hergestellt, sodass der Dämmstoff frei gewählt werden kann. Durch die dünnen Deckschichten aus Textilbeton konnten zur Konstruktion und Beschreibung des Tragverhaltens weder die Konstruktionsprinzipien und Verbundmittel noch die Bemessungsmodelle von üblichen Stahlbetonsandwichelementen übertragen werden.
Um das Forschungsziel zu erreichen, wurden sechs Arbeitspakete (AP) festgelegt. In AP1 wurden Anforderungsprofile aus statisch-konstruktiver, bauphysikalischer und herstellungstechnischer Sicht aufgestellt. Darauf aufbauend wurden Sandwichelemente entworfen und vorbemessen, um anschließend die Mindestanforderungen an die Baustoffe festzulegen. Im AP2 wurden geeignete Betonrezepturen für dünne Textilbetondeckschichten entwickelt. Die Deckschichten sollen mit Verbundmitteln mit geringer Wärmeleitfähigkeit verbunden werden. Ausgangspunkt dafür waren punktförmige GFK-Verbundmittel und streifenförmige Schubgitter. Ausschlaggebend für die Wahl der Verbundmittel war die Einbindetiefe in die dünnen Deckschichten sowie die Tauglichkeit im Herstellungsprozess. Für die weitere Bearbeitung des Projektes wurde deshalb ein linienförmiges Schubgitter aus einem mit Epoxidharz getränkten alkali-resistenten (AR) Glas einem punktförmigen Verbundmittel vorgezogen. In AP3 wurde die Herstelltechnik für Sandwichelemente entwickelt (Bilder 2 - 3). Als vorrangige technische Herausforderung stellte sich die lagesichere Positionierung der Textilien und Schubgitter heraus, da die Textilien zum Aufschwimmen neigen. Parallel dazu wurden in AP4 die unter Werksbedingungen hergestellten Probekörper Tragfähigkeitsuntersuchungen unterzogen. Im Einzelnen wurden Versuche zur Tragfähigkeit der textilen Bewehrung an Plattenstreifen, zur Verankerung der Verbundmittel im Beton und zur Druck- und Abschertragfähigkeit der Sandwichelemente sowie zur Tragfähigkeit der Transportanker durchgeführt. Anschließend wurde die Gesamttragfähigkeit des Systems an sieben Sandwichstreifen untersucht (Bild 4). Die Prüfkörper unterschieden sich zwischen der Anzahl der eingebauten Schubgitter, der Breite und der Höhe. Aus produktionstechnischen Gründen konnten keine großformatigen Prüfkörper ohne Dämmstoff hergestellt werden. Daher wurden fünf Prüfkörper mit einer weichen Mineralwolle und zum Vergleich zwei Prüfkörper mit einer tragfähigen extrudierten Polystyrol (XPS) Dämmung untersucht. In den letzten zwei Arbeitsschritten wurden die Versuchsergebnisse durch Simulationen mit dem FE-Programm ABAQUS genauer analysiert. Anhand der experimentellen und numerischen Untersuchungen wurden praxisgerechte Bemessungsmodelle hergeleitet, die das Tragverhalten der dünnwandigen Sandwichelemente beschreiben. Hierzu wurden zwei Ansätze verfolgt: Der vereinfachte Ansatz für quadratische/ rechteckige Platten und der Ansatz für geometrisch anspruchsvolle Platten. Bei letzterem werden die Schnittgrößen der Schubgitter mit Hilfe eines FE-Programmes ermittelt und anschließend mit den experimentell ermittelten Widerständen verglichen. Da die Elemente nicht mit konventionellen Befestigungselementen aus dem Stahlbetonbau mit dem Gebäude verbunden werden können, wurden neue Befestigungs- und Anschlussdetails entwickelt. Den Abschluss des Projektes stellte ein Demonstratorbauteil im Maßstab 1:1 dar (Bild 5).
Das Ziel des Forschungsvorhabens, die Funktionsfähigkeit von Sandwichwandelementen mit zwei dünnen Deckschichten nachzuweisen, konnte erfüllt werden. Die Tragfähigkeit wurde anhand von experimentellen und numerischen Untersuchungen ermittelt und kann als sehr zufriedenstellend bewertet werden. In dem System ermöglichen die variablen Abstände der Schubgitter eine individuelle und wirtschaftliche Anpassung an die zu erwartenden Einwirkungen. Neben der Elementtragfähigkeit stellt ebenfalls die Herstellung der großformatigen Sandwichelemente mit Erfahrung und Geschick im Umgang mit dem Werkstoff kein Problem dar.
Eckdaten
Forscher / Projektleitung:
Prof. Dr.-Ing. Josef Hegger, IMB, RWTH Aachen
Dr.-Ing. Norbert Will, IMB, RWTH Aachen
Ann-Christine von der Heid, IMB, RWTH Aachen
Reiner Grebe, Hering Bau GmbH & Co. KG
Cynthia Morales-Cruz, ibac, RWTH Aachen