Neue EU-Regelung für Fenster, Türen und Tore
Die neue Produktnorm EN 16034 für Fenster, Türen und Tore mit Feuer- und Rauchschutzeigenschaften wirft ihre Schatten voraus. Seit dem 1. November 2016 können Ausschreibungen nach der neuen Norm erfolgen, nach der sogenannten „Koexistenzphase“ mit einer Laufzeit von drei Jahren müssen sie es.
In der Gemäldegalerie alter Meister in der Dresdner Sempergalerie wurden bei Sanierungsmaßnahmen T30-Türen in Sandsteinwände eingebaut. Obwohl der Einbau einer Brandschutztür nach Zulassung immer in eine nach DIN 4102 brandtechnisch klassifizierte Wand geschehen muss, gleichzeitig aber Natursteinwände nie klassifiziert sein können, haben die zurzeit relevanten Gesetze hier den Einbau dennoch gestattet. Die derzeitigen Gesetze erlauben es dem Türhersteller, auf solche Sonderfälle zu reagieren. Im Einzelfall kann zusammen mit einem Gutachter eine Lösung erarbeitet werden. Sobald die Regelungen der EU greifen, wird das auf diese Weise nicht mehr funktionieren, weil es kein Verfahren für Zustimmungen im Einzelfall mehr geben wird. Die CE-Normen lassen an solchen Punkten keine Toleranzen mehr zu. Es dürfen dann nur noch Brandschutztüren in geprüfte und klassifizierte Wände eingebaut werden. Im Dresdner Fall hätten die Sandsteinwände entsprechend ertüchtigt oder erneuert werden müssen. Solche Maßnahmen sind jedoch in der Regel nicht mit dem Denkmalschutz zu vereinen und es wird kompliziert. Das ist der Status Quo. In den Ausschüssen wird nach wie vor viel diskutiert und verhandelt. Für diesen speziellen Fall bleibt es abzuwarten, was der Gesetzgeber vorschlägt, wenn die sogenannte „Koexistenzphase“ am 1. November 2019 vorüber ist, in der beide Regelungen (CE und DIN) noch gelten.
Pflichten der Hersteller und Händler
Sobald diese Phase abgeschlossen ist und die neuen Gesetze verpflichtend sind, müssen Hersteller die CE-Kennzeichnung anbringen sowie eine Leistungserklärung und Begleitdokumente (Sicherheitsdatenblätter etc.) zur Verfügung stellen. Weiter sind sie verpflichtet, Widersprüche in Leistungsangaben (z.B. durch Werbematerialien) zu vermeiden. Dokumente müssen zehn Jahre lang archiviert und Rückverfolgungen sichergestellt werden. Bei falschen Leistungserklärungen müssen Hersteller ihre Produkte oder Systeme zurückrufen und gegebenenfalls Behörden über mögliche Sicherheitsrisiken informieren. Generell gilt eine Auskunftspflicht gegenüber Behörden bei Falschdeklaration.
Bei den Händlern gibt es ebenfalls Pflichten: Sie müssen unter anderem die CE-Kennzeichnung und Leistungserklärung beim Wareneingang überprüfen und ebenfalls Begleitdokumente, wie Sicherheitsdatenblätter, zur Verfügung stellen. Beim Verdacht, dass Anforderungen nicht erfüllt werden könnten und das dazugehörige Produkt nicht den Leistungseigenschaften entspricht, müssen sowohl der Hersteller als auch die Marktüberwachung informiert werden. Während Hersteller alle Dokumente zehn Jahre lang archivieren müssen, haben Händler ihre Lieferkette zehn Jahre lang zu belegen. Als Instanzen für die Überwachung sind verschiedene Behörden zuständig: zum Beispiel das Europäische Marktüberwachungssystem vertreten durch nationale Behörden wie das DIBt (Deutsches Institut für Bautechnik) oder die Bundesländer. Weiter kann über die Datenbank www.icsms.org (Information Communication System Market Surveillance) eingesehen werden, welche mangelhaften Systeme gemeldet werden. Meldungen hierzu kommen von Instanzen wie dem Zoll, Versicherungen, anderen Ländern, der Presse, Mitbewerbern oder Verbrauchern. Darüber hinaus wird im Schnellwarnsystem der EU für den Verbraucherschutz RAPEX (Rapid Exchange of Information System) wöchentlich eine Meldung über sicherheitsrelevante Produktmängel berichtet. Sollten tatsächlich Mängel auf diesen Wegen zutage treten, kann so verhindert werden, dass ein Produkt in den Verkehr gebracht wird, Verbraucher werden informiert, Rückrufe können eingeleitet und Sanktionen, Bußgelder oder Strafen verhängt werden.
Unterschiede zum bisherigen Verfahren und deren Herausforderungen
Für Hersteller haben sich die Prüfkriterien gegenüber der DIN-Prüfung lediglich im Detail verändert. Produkte mussten entsprechend angepasst werden. Das Sicherheitsniveau ist dabei natürlich gleichgeblieben und alle baulichen Schutzziele wurden bewahrt. Es lohnt sich trotzdem nachzuschlagen, welche Veränderungen sich ergeben haben: Im nationalen Verfahren waren beispielsweise Aussagen aus Erfahrung des Gutachters beziehungsweise der Prüfstelle möglich. Im europäischen Verfahren geht das nicht mehr. Es gelten nur die Regeln zum genormten, erweiterten Anwendungsbereich „extended field of application“, kurz: EXAP (EN 15269 1 – 20). Damit soll erreicht werden, dass in ganz Europa Chancengleichheit besteht. Unterschiedlich große Erfahrungen der Gutachter beziehungsweise mehr oder weniger großzügige Auslegung von Prüfergebnissen sollen dadurch keinen Einfluss mehr auf das Ergebnis haben und somit unterbunden werden.
Die Probekörperauswahl ist durch die Prüf- und EXAP-Norm weitgehend festgelegt. Durch dieses Verfahren erhöht sich die Anzahl der erforderlichen Prüfungen. Es sind beispielsweise für jeden Holztürtyp bei Verwendung mit einer Stahlzarge je eine Prüfung mit Feuerbelastung von Bandseite und Gegenbandseite durchzuführen. Eine weitere, erwähnenswerte Änderung betrifft die Prüfungsstelle: Das DIBt ist nach europäischer Norm nicht mehr im Verfahren beteiligt. Das bedeutet, dass künftig nur noch die notifizierte Zertifizierungsstelle im Verfahren zuständig ist und die EXAP- und Klassifizierungsberichte kontrolliert. Die Rolle des DIBt übernimmt eine notifizierte Produktzertifizierungsstelle (Z-Stelle), die die fachliche Aufsicht für Prüfungen, Klassifizierungen und Überwachung übernimmt und für die EN 16034 akkreditiert und notifiziert sein muss.
Ein weiterer Unterschied betrifft die Zulassungsnummern. Wurde bisher jede Tür mit gleicher Zulassungsnummer mit dem gleichen Prägeschild gekennzeichnet, muss bald jedes Türelement ein individuelles CE-Zeichen und eine individuelle Leistungserklärung mit jeweiliger Seriennummer haben. Das kann je nach Unternehmensgröße oder je nach Produktangebot eine große logistische Herausforderung bedeuten. Eine Lösung kann lauten, den Versand der Leistungserklärung mithilfe von automatisierten E-Mails zu realisieren. Einschlagende Unterschiede gibt es aus deutscher Sicht vor allem im Umgang mit Brandschutztüren mit „nicht wesentlichen“ oder „wesentlichen Abweichungen“. Erstgenannte kann zum Beispiel eine geringfügige Maßüberschreitung zu der zugelassenen Elementgröße sein. Heute kann im nationalen Verfahren der Hersteller und Zulassungsinhaber erklären, dass das betroffene Element trotzdem die geforderte Feuerwiderstandsdauer erreicht. Mit dieser Erklärung ist das Element gemäß der Zulassung zu kennzeichnen. Im europäischen CE-Verfahren ist eine „nicht wesentliche Abweichung“ mit Herstellererklärung nicht mehr vorgesehen.
In Folge dessen sind die Regelungen bei Brandschutztüren mit „wesentlichen Abweichungen“ noch strenger gehandhabt. Im nationalen Verfahren ist zur allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung eine Zustimmung im Einzelfall der obersten Baubehörde des jeweiligen Bundeslandes möglich. Dadurch können zurzeit individuelle Architektenwünsche, Sonderkonstruktionen für Baudenkmäler wie die Sempergalerie in Dresden oder innovative, neue Produkte realisiert werden. Im europäischen Verfahren gibt es derzeit keine Regelung für Elemente mit „wesentlichen Abweichungen“ zum Klassifizierungsbericht. Diese beiden Aspekte zu den Abweichungen werfen nicht nur auf Seiten der Hersteller Fragezeichen auf, sondern sie werden auch Architekten und Planer sowie Händler und Verarbeiter betreffen. Wie eingangs erwähnt, liegen die Themen bereits bei entsprechenden Gremien auf dem Tisch, sind aber bis dato noch nicht eindeutig geklärt.
Weitere Herausforderungen
Bislang war der inländische Markt durch das deutsche Zulassungsverfahren gegenüber ausländischen Lieferanten abgeschottet. Mit der neuen Norm öffnen sich die Märkte. Damit werden viel mehr Produkte auf den Markt kommen, was aber nicht zwingend bedeutet, dass diese eine vergleichbare oder bessere Qualität aufweisen. Qualitätsverluste können entstehen, wenn Türen seriell anders gefertigt werden als sie geprüft sind. Wenn zum Beispiel an Fertigungskosten gespart wird oder billigere Materialen verwendet werden. Oder wenn weitere Funktionen erfüllt werden sollen, die im Widerspruch zur Brandschutzfunktion stehen. Wer auf Qualität setzt, muss sich in Zukunft noch besser informieren. Bei der Auswahl vieler Türbeschläge wie Türdrücker, Schlösser etc. stellt sich in Zukunft auch eine große Herausforderung. Bisher haben in Deutschland die DIN-Normen geregelt, wie Beschläge auszuführen sind und in welchen Maßen. Diese Normen ermöglichten den Austausch vieler Beschläge. Die europäischen Normen hingegen beziehen sich ausschließlich auf die Leistungseigenschaften von Beschlägen. Maße zum Beispiel, sind darin nicht geregelt. Die Vielfalt der Beschläge am Markt wird voraussichtlich deutlich größer sein, aber die Austauschbarkeit dagegen nicht gewährleistet.
Chancen für die gesamte Marktentwicklung
Trotzdem sehen speziell die Hersteller mit der Einführung der neuen Produktnorm viele Vorteile. Allen voran steht – und das gilt auch für Händler und Verarbeiter – Chancengleichheit und bessere Vergleichbarkeit der Produkte. Unternehmen mit internationalen Vertriebswegen haben somit gute Chancen, neue Märkte für sich zu gewinnen. Ungeachtet der Tatsache, dass der genaue Beginn der neuen Regelungen lange nicht klar war, haben einige Hersteller längst auf die neuen Anforderungen reagiert. Schörghuber hatte von Anfang an immer großes Augenmerk darauf, alle Nachweise gemäß europäischer Normen zu führen. Die größten Märkte sind dabei Deutschland, die Schweiz, Österreich und Luxemburg. Die ersten Brandprüfungen nach EN 1634-1 wurden bei Schörghuber daher bereits 2002 absolviert. Die internen Abläufe in den Produktionsstätten in Ampfing und Jahrdorf sind bereits weitgehend auf die Umstellung vorbereitet. Neben stetigem Kontakt und Abstimmungen mit der Prüf- und Zertifizierungsstelle, werden interne Abläufe zur CE-Kennzeichnung insbesondere im Bereich EDV, Qualitätsmanagement und Türenkennzeichnung darauf vorbereitet. Für unsere Kunden soll klar sein, dass sie einen verlässlichen Partner mit zukunftssicheren Produkten haben – vor und nach der Umstellung auf die neue Norm.
Bedeutung für Architekten, Planer,
Händler und Verarbeiter
Die Innovationstreiber der neuen Norm sprechen von Vorteilen wie „erhöhter Wettbewerbsdruck“, „Übernahme von Produktvarianten aus Exportmärkten“ oder von der „freien Entwicklungskapazität durch den Wegfall ausländischer Zulassungen und Sonderregelungen“. Ob sich diese Chancen für Architekten, Planer, Händler und Verarbeiter bieten, wird die Zukunft zeigen. Fest steht, dass sich diese Berufsgruppen konkret mit den Änderungen in der Planungs- und Realisierungsphase befassen und die Hersteller entsprechende Unterstützung und Transparenz leisten müssen. Für die Planung und den Einsatz von Brandschutzelementen sind zukünftig die Klassifizierungsberichte inklusive der technischen Dokumentation zu beachten. Der Klassifizierungsbericht gemäß EN 13501-2 ersetzt dann die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) für Feuerschutzabschlüsse beziehungsweise das allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnis (abP) für Rauchschutztüren. In diesem Klassifizierungsbericht ist der gesamte Variantenbereich des Systems beschrieben, einschließlich des erweiterten Anwendungsbereichs, dem sogenannten EXAP-Bericht. In diesem wird die Übertragbarkeit von Größen sowie die Austauschbarkeit von Beschlägen und Materialien von geprüften Konstruktionsdetails geregelt. Der Austausch von Beschlägen und Zubehör ist dabei besonders wichtig. Die Angaben nach EN 16034 müssen durch weitere Eigenschaften ergänzt werden, wenn diese als Außen- oder Innentür (EN 14351-1/2), Automatiktür (EN 16361) oder als Tor (EN 13421) eingesetzt werden.
Ausblick
Schon jetzt ist es wichtig, dass alle, die sich mit der neuen EU-Norm konfrontiert sehen, geschult und beraten werden. Da sehr viele Formalitäten neu zu gestalten sind, muss das Weiterbildungsangebot zum Thema „Dokumentation“ in den Fokus rücken. Insgesamt soll schließlich erreicht werden, Produkte und innovative Lösungen weiterzuentwickeln, die sich um die übergeordneten Themen „Umwelt-, Gebäudezertifizierungen und Nachhaltigkeit“ sowie „Barrierefreiheit“ und „Vernetzung“ (Smart Home) drehen – die wirklich relevanten Szenarien der Bauelementebranche.
Bis die sogenannte „Koexistenzphase“ am 1. November 2019 vorüber ist, gelten beide Regelungen (CE und DIN).
Für die Planung und den Einsatz von Brandschutzelementen sind zukünftig die Klassifizierungsberichte inklusive der technischen Dokumentation zu beachten.