Stadtwerke als innovative Energiedienstleister
Die Stadtwerke Radolfzell bieten ihren Privatkunden mit „PV und Speicher“ seit Juni 2016 Photovoltaikanlagen mit Stromspeichern an. Damit könnten bis zu 70 % des Strombedarfs aus eigener Erzeugung gedeckt werden. Neben den benötigten Technikelementen punktet der Energiedienstleister mit einer technischen Machbarkeitsprüfung, Lieferung und Montage sowie Finanzierungsmodellen. Aber auch gewerblichen Kunden in Radolfzell werden ähnliche Angebote gemacht. Jörg Pfäffinger sprach mit dem Geschäftsführer der Stadtwerke Radolfzell GmbH, Andreas Reinhardt.
Andreas Reinhardt: Wir haben in Radolfzell ein Grundverständnis, was regenerative Energien angeht, schon weil hier verschiedene Umweltschutzverbände wie BUND, NABU und die Deutsche Umwelthilfe ihren Sitz haben. Wir als Stadtwerke haben den Auftrag, Klimaschutzaktivitäten voran zu treiben.
Unser Unternehmen, meine Mitarbeiter und der Gemeinderat sind affin für derartige Themen. So gibt es beispielsweise in unserer Region schon seit einiger Zeit das Bioenergiedorf Möggingen, bei dem mit Hackschnitzel- und Biogastechnik ein Nahwärmenetz aufgebaut wurde. Darüber hinaus kann ich als Geschäftsführer der Hegau-Wind mitteilen, dass derzeit drei Windkraftanlagen (Nordex 131 mit 3,3 Megawatt) in Tengen, nicht weit von hier, im Aufbau sind.
Reinhardt: Aber ja. Ich erinnere daran, dass Kraftwerkskapazitäten in Baden-Württemberg zurückgebaut werden, auch der Kohle-Ausstieg ist fast schon beschlossen. Daher werden in unserem Bundesland im Laufe der nächsten zehn bis fünfzehn Jahre ein Viertel der Erzeugungskapazität fehlen.
Da sind Stromtrassen von Nord nach Süd (wenn denn einmal genehmigt) nicht die erste Wahl. Besser sind energieeffiziente Neubauten und energetische Sanierungen im Bestand. Dazu regionale Erzeugung nutzen, wo es möglich ist. Damit sind wir mit PV-Stromerzeugung und dem EEG gut aufgestellt.
Reinhardt: Ja. Unser Produkt „PV und Speicher“ ist nur eine von vielen Klimaschutzaktivitäten und damit ein Zeichen, dass wir genau diesen Weg in regionale Erzeugungsstrukturen gehen werden. Wir wollen damit die Nutzung von Photovoltaikanlagen mit Stromspeichern weiter publik machen. Das ist aktuell, denn Menschen, die schon längere Zeit PV-Anlagen besitzen, denken jetzt darüber nach, was sie nach dem Ablauf der EEG-Vergütung machen werden.
Reinhardt: Wir bieten mit „PV und Speicher“ sowohl Akkus als auch perspektivisch intelligente Netze an, um den Überschuss aufzunehmen. Damit kann der Prosumer einen Autarkiegrad von 70 % erreichen. Wir wollen unseren und auch fremden Kunden, die über PV-Anlagen verfügen, anbieten, ihren Überschussstrom bei uns einzuspeisen. Das kann bilanziell geschehen über ein Stromkonto oder physisch, indem über technische Lösungen der Netze diese Strommengen aufgenommen werden können. Es gibt dafür entsprechende Pilotprojekte.
Reinhardt: Das Programm wurde im Juni 2016 gestartet, aktuell gibt es 45 Verträge, 20 wurden bereits realisiert. Damit agieren wir nicht nur im eigenen Netz, sondern auch ausserhalb. Selbst wenn wir mit diesem Produkt im eigenen Netzt verkaufte Strommengen verlieren, generieren wir mit diesen intelligenten Lösungen ausserhalb unseres Netzes Zusatzgeschäfte. Im EFH-Bereich wird Strom-Autarkie immer mehr nachgefragt.
Reinhardt: Die Stadtwerke betreuen ca. 100 Anlagen mit etwa 4 MW. Daneben verfügen wir über BHKWs, die in der Stadt positioniert sind. Sie können physisch zusammengeschaltet werden und je nach Börsenlage speisen wir den Strom ins Netz ein und verdienen damit oder nutzen ihn bei niedriger Vergütung selber.
Reinhardt: Neben der Stromversorgung sind Wärmeversorgung, Gas, schnelles Internet, Stadtbus, Trinkwasser, Betriebsführung unser Kerngeschäft. Wir haben Lösungen für Industrie und Gewerbe. Hier wird z.B. die Reduzierung der Betriebskosten gewünscht. Wir bieten dafür technische Lösungen durch z.B. Regeltechnik. Im Gewerbe werden BHKWs installiert oder PV auf Hallendächer.
Auch Elektromobilität wird von Kunden nachgefragt, z.B. der Bau von Ladestationen.
Reinhardt: Wir beantragen das gesetzlich Mögliche. Mit dem Projekt in Liggeringen sind wir an den Landesmitteln für die Nahwärmenetze interessiert, die Beantragung ist erfolgt. Bei Geschäftsmodellen lehne ich es als Unternehmer ab, auf Förderungen zu setzen. Wir müssen uns perspektivisch davon lösen, weil z.B. die Erneuerbaren Energien demnächst auch ohne Förderungen auskommen müssen.
Mit Förderungen ergibt sich keine Nachhaltigkeit. Stadtwerke-Geschäftsmodelle, die Verantwortung haben für kommunales Vermögen, müssen auf vernünftigen Füßen stehen und sollten nicht durch Strohfeuer beflügelt werden. Es ist jedoch unbestritten, dass Fördermittel bei großen Projekten helfen.
Reinhardt: Die Stadt Radolfzell hat für die energetische Sanierung von Einfamilienhäusern ein Programm aufgelegt, das z.B. dafür genutzt werden kann, um Nahwärmeanschlüsse an das Nahwärmenetz in Liggeringen zu fördern. Der niedrige Zins trägt dazu bei, dass Sanierungen Sinn machen. Es ist jedoch meine Überzeugung, dass wir perspektivisch ohne Förderungen auskommen müssen, sonst haben derartige Technologien keine Zukunft.
Reinhardt: Je nach Nutzungsverhalten sind Speicher für EFH heute schon wirtschaftlich. Wir verkaufen unsere Anlagen über das Thema Wirtschaftlichkeit, nicht über den Idealismus. Die Sicherheit ist z.B. die Gewährleistung von zehn Jahren auf die Technik – über den gesetzlichen Gewährleistungsanspruch hinaus.
Reinhardt: Neben dem Solarenergiedorf Liggeringen, wo eine Nahwärmeversorgung aus regenerativen Energiequellen realisiert werden soll, wird sich die Stadt u.a. im Gewerbegebiet Kreuzbühl an einem Clean Energy Park beteiligen. Dort sollen Gewerbeflächen im Passivhaus-Standard zur Verfügung gestellt werden. Durch PV Anlagen auf Dächern wird dort Energie erzeugt.