TN-Technologie in
Architekturverglasungen
In einer Serie mit dem BMI präsentieren wir Projekte aus der Bauforschung. In Teil 40 geht es um schaltbare Verglasungen.
Für die Steuerung des Licht- und Energieeintrags in Gebäude stehen sowohl mechanische Sonnenschutzsysteme als auch schaltbare Verglasungen auf Basis smarter Materialien mit Wechseleigenschaften zur Verfügung. Die meisten kommerziell verfügbaren, schaltbaren Verglasungssysteme erfüllen jedoch die Anforderungen an Schaltgeschwindigkeit, Farbneutralität oder Temperaturunempfindlichkeit nicht optimal.
Aus der Bildschirmtechnik sind Anzeigesysteme bekannt, die zur Regelung des Lichtdurchgangs und damit zur Anzeige von Bildern und Schriften die sogenannte TN-Technologie (engl. „twisted nematic“) nutzen. Sie weisen ein extrem schnelles Umschaltverhalten von transparent zu verdunkelt bei einer vernachlässigbar geringen Farbverfälschung auf. Nachteilig bei der TN-Technologie ist die im Vergleich mit anderen schaltbaren Systemen deutlich geringere maximale Transmission.
Das Ziel des Forschungsvorhabens war daher die Klärung der Frage, ob sich TN-Verglasungen als Alternative zu bisher bekannten schaltbaren Systemen eignen.
Gegenstand des Forschungsvorhabens
Um die Anwendungsmöglichkeiten der TN-Technologie in Fassadenverglasungen zu evaluieren, erfolgte zunächst die Festlegung eines geeigneten Zellenaufbaus der schaltbaren Einheit (Zelle/Modul). Es folgte die Herstellung der schaltbaren TN-Module und deren Einbindung in eine Isolierverglasung.
Durch spektrometrische Vermessung, die Bestimmung der Schaltgeschwindigkeiten und die Durchführung von Langzeitversuchen zur Ermittlung der Alterungsbeständigkeit von Kleinmustern der TN-Zellen konnten die empirischen Daten für die Bewertung der TN-basierten Isolierverglasung zusammengetragen werden. Die hierfür eingesetzten TN-Module vom Typ GV66 wurden von der Firma BMG MIS GmbH hergestellt. Jeder Bildpunkt dieser TN-Module lässt sich über eine eigene elektrische Zuleitung in die Zustände „An“ (minimale Durchlässigkeit) oder „Aus“ (maximale Durchlässigkeit) schalten. Eine Anzahl von 45 dieser TN-Module wurde in eine geschosshohe Raumverglasung integriert. Diese Isolierverglasung kam in der Südfassade eines Raumes des Fassadentestgebäudes des Instituts (ILEK) zum Einsatz. Die Ansteuerung der Verglasung basierte auf einer einfachen Temperaturregelung. Es folgten empirische Untersuchungen im Testraum zur Bestimmung der Effektivität der Verglasung im Hinblick auf die Licht- und Energiedurchgangsregelung sowie die Blendvermeidung.
Fazit
Die entwickelte schaltbare Verglasung erlaubt es, die Funktionen Blendvermeidung und Raumhelligkeitsregelung voneinander zu entkoppeln. Durch die kleinteilige Strukturierung in viele einzeln ansteuerbare Bildpunkte ist es zudem möglich, grafische Inhalte und Texte auf der Verglasung darzustellen. In Sekundenbruchteilen können einzelne Bereiche der Verglasung unabhängig voneinander angesteuert werden, um damit auf schnelle Änderungen der Bestrahlungsstärke zu reagieren. Dadurch wird eine gezielte Sonnen- und Blendschutzfunktionalität bei bestmöglicher Gesamthelligkeit im Raum erreicht.
Trotz weiterer zu lösender Aufgaben besitzt die TN-Verglasung ein großes Potential, um sowohl den Nutzerkomfort zu steigern als auch den Energieverbrauch zur Gebäudekonditionierung zu reduzieren. Weitere diesbezügliche Untersuchungen werden derzeit unternommen mit dem Ziel einer möglichst vollständigen Bewertung des Systems in energetischer und komforttechnischer Sicht.