Bauen im Bestand

Wärmender Mantel

Seit 50 Jahren werden Wärmedämmverbundsysteme (WDVS) an Hausfassaden eingesetzt. Bei ihrer Auswahl gibt es unterschiedliche Aspekte zu berücksichtigen. Der Artikel gibt einen Überblick über Systemaufbauten und die wichtigsten Kriterien.

Wärmedämm-Verbundsysteme (WDVS) fördern die Behaglichkeit in Wohnräumen, schützen die Bausubstanz, verringern durch höhere Innenwandtemperaturen das Risiko von Schimmelbildung und Senken die Ausgaben für Heizkosten. Die Investition in ein entsprechendes Fassadensystem zählt zu den effizientesten Varianten zur Reduktion des Verbrauches von wertvollen Rohstoffen und Energie sowie der Emission von Schadstoffen. Wie in nur wenigen Bereichen des Bauwesens – oder des Lebens überhaupt – bekommt man mindestens einen Großteil des investierten Geldes, im besten Falle alles oder mehr, über die Jahre durch Einsparungen zurückgezahlt.

Ein weiterer, selten diskutierter und häufig „aus dem Bauch heraus“ falsch eingeschätzter Aspekt, ist die Gesamtbilanz unter ökologischen Gesichtspunkten. Nach modernem Sprachgebrauch werden viele Bauprodukte „gefühlt“ besser eingeschätzt aufgrund „na­­turnaher“ Komponenten. Oder ein (Öko-)Label suggeriert Sicherheit und Neutralität. Wer sich die Frage stellt, wie sich Produkte objektiv und umfassend hinsichtlich der relevanten Umweltaspekte bewerten lassen, für den gibt es tatsächlich eine Antwort: die Ökobilanz. Dabei handelt es sich um ein genormtes Verfahren, welches das gewünschte Ergebnis liefert: Die Betrachtung eines Produktes (oder Systems) mit all seinen Rohstoffen und Vorprodukten über den gesamten Lebenszyklus, inklusive Herstellungsprozess, Logistik, Applikation und Entsorgung. Die dargestellten Werte dokumentieren z. B. den Energie- und Schadstoffverbrauch, den Beitrag zum sauren Regen oder zum Ozonabbau. Das ganze ­­Verfahren ist aufgrund des umfassenden Anspruchs sehr aufwendig in Datenerhebung und Verarbeitung, weshalb es auch weltweit nur von wenigen, spezialisierten Institutionen durchgeführt wird. Für Wärmedämm-Verbundsysteme wurde tatsächlich dieser Aufwand betrieben – mit einem hervorragenden und nachlesbaren Ergebnis.

Unterschiedliche Systeme

Die angebotenen Dämmsysteme unterscheiden sich in vielfältiger Art und Weise. Sie müssen die baurechtlichen Anforderungen generell und objektbezogen erfüllen, den Wünschen von Architekten und Bau­­­­­herren nachkommen und sich im Wettbewerb der Anbieter mit möglichst differenzierenden Angeboten hervorheben.

Ein WDVS besteht aus mehreren La­­gen, die kraftschlüssig miteinander ver­­bunden sind. Das Kernprodukt ist die Dämmplatte, die außen auf das Mauerwerk aufgebracht wird, dieses wie ein wärmender Mantel schützt und den Verlust von Heizenergie verhindert. Die Befestigung der Dämmplatte erfolgt auf der Baustelle mittels Kleber und ggf. Dübel. Auf der lückenlos verlegten Dämmstofflage wird eine Beschichtung aus Armierungsmörtel und zugehörigem, eingebetteten Armierungsgewebe aufgebracht. Abgeschlossen wird ein WDVS durch die finalen Schichten (z. B. Putz und Farbanstrich), die u. a. die Funktionen Witterungsschutz und Gestaltung abdecken.

Damit all diese Lagen dauerhaft miteinander verbunden und an der Wand bleiben, sind bestimmte Kenndaten der einzelnen Produkte und des Gesamtsystems zu erfüllen und in umfangreichen Prüfungen und Begutachtungen nachzuweisen. Dies ist baurechtlich eine der beiden Hauptanforderungen, die von autorisierten Prüfinstituten nachgewiesen werden und formalrechtlich schließlich in einer Zulassung (AbZ, ETA) münden. Die andere Kernforderung bezieht sich auf den Aspekt des Brandschutzes. Hier sollte generell, auch wenn die Landesbauordnung Ausnahmen zulässt, mindestens die Qualität „schwer entflammbar“ zur Ausführung kommen. Für Gebäude mit besonderer Nutzung (z. B. Krankenhäuser) oder Hochhäuser bestehen noch höhere Sicherheitsanforderungen. Hierbei kommen dann entsprechend qualifizierte Dämmsysteme auf Basis von Steinwolle zum Einsatz.

Befestigung und Standsicherheit

Der Fachjargon „Standsicherheit“ bedeutet, dass die Gefahr von herunterstürzenden WDVS Bauteilen eliminiert wird. Wie zuvor angedeutet, müssen die einzelnen Systemlagen in sich und zur Nachbarlage eine Mindestfestigkeit aufweisen, ähnlich wie die einzelnen Glieder einer Kette. Wenn man im Labor Kräfte an ein WDVS anlegt, die über die Anforderungen (inkl. der hohen Sicherheitsbeiwerte) des Systems hinausgehen, reißt tatsächlich das schwächste Glied in der Kette (i. d. R. die Dämmplatte). Wenn man sich dies vor Augen führt und die Kräfte kennt, die auf eine Fassadendämmung einwirken, erklärt sich die Logik der Anforderungen an Verklebung und Verdübelung nahezu von selbst.

Die einwirkende Hauptkraft auf ein WDVS mit Putzbeschichtung ist nicht das Eigengewicht bzw. die Erdanziehung, sondern der Wind. Da die sog. Windsogkraft insbesondere an den Gebäudeecken auftritt, entsteht die Notwendigkeit, dass man bei erforderlicher Verdübelung mehr Dübel im Randbereich der Fassade setzen muss als in der Fläche abseits der Ecken. Darüber hinaus nimmt die Anzahl der Dübel mit steigender Gebäudehöhe zu, da auch die Windgeschwindigkeit in höheren Lagen größer ist.

In aller Regel müssen gedübelte Systeme gleichzeitig verklebt werden. Dies erklärt sich aus den Eigenschaften der auf Windsog optimierten Tellerdübel und aus statischen Betrachtungen zur Lastverteilung. Damit nur geklebt und auf Dübel verzichtet werden kann, müssen zwei Voraussetzungen vorliegen. Das schwächste Glied in der Kette der WDVS-Schichten muss eine Mindestfestigkeit aufweisen, die den jeweiligen Windsogkräften standhält. Dies ist bei Steinwolleplatten nicht erfüllt, sie müssen immer gedübelt werden. Bei Polystyrol und den sog. Steinlamelleplatten kommt prinzipiell eine reine Verklebung in Frage. Dies ist jedoch nur möglich, wenn eine ausreichende Haftung zwischen Kleber und Untergrund vorliegt. Das ist in der Regel im Neubau der Fall. Bei der Renovation heißt es „Kleben und Dübeln“ oder die Mindest-Haftzugswerte zum Untergrund messtechnisch zu belegen. Im konkreten Fall ist die Bemessung der baurechtlich geforderten Verdübelung eine planerische Aufgabe auf Basis der Angaben zur Standsicherheit des verwendeten Systems und der objektspezifischen Gegebenheiten (Gebäudegeometrie, Windlastzone, etc.).

Dämmstoffe

Betrachtet man die Verteilung der in WDVS verwendeten Dämmplattentypen für die Fassade im Massivbau (Mauerwerk, Beton) in Deutschland, so stellt man fest, dass über 95% in Polystyrol (EPS) oder Steinwolle (Platten und Lamellen) ausgeführt werden. Neben den beiden Hauptdämmstoffen ist es interessant, auf zwei weitere Gruppen ein Augenmerk zu legen – den Hochleistungsdämmstoffen und den „ökologischen“ Dämmstoffen.

Polystyrol zeichnet sich durch gute Dämmwerte, hervorragende Verarbeitungsei­genschaften und ein sehr gutes Preis-Leistungs­­verhältnis aus. Das schlägt sich in der Häu­­figkeit der Verwendung nieder. Steinwolle, sehr häufig auch als Mineralwolle bezeichnet (korrekter ist Steinwolle; Mineralwolle schließt beispielweise auch Glaswolle mit ein – diese kommt aber aufgrund geringerer Fes­­tigkeiten für WDVS nicht in Frage), kommt im überwiegenden Fall bei Gebäuden mit höchsten brandschutztechnischen Anforderungen zum Einsatz. In den letzten beiden Jahren ist der Marktanteil von Dämmsystemen auf Basis von Steinwolle von 12 % auf 15 % gestiegen.

Sehr interessant ist der Blick auf „sonstige Dämmstoffe“ für WDVS. Der Hauptanteil rekrutiert sich aus den sog. Hochleistungsdämmstoffen. Sie sind eine dynamisch wachsende Gruppe mit einem Marktanteil von mittlerweile über 2 %. Das Wachstum begründet sich aus der starken Nachfrage nach schlanken Dämmstoffen. Diese erfüllen die Hochleistungsdämmstoffe auf Basis von Polyurethan, Phenolharz und entsprechenden Sandwichaufbauten so gut, dass der Mehrpreis gegenüber einem EPS-System von mindestens 30 % oftmals gerne getragen wird oder sich sogar durch Einsparungen (Wohnraumgewinn, geringere Ausladungen der Details, keine Verlängerung des Dachüberstandes, etc.) ausgleicht.

Die zweite Kategorie, die unter die „sonstigen Dämmstoffe“ fällt, sind ökologische Dämmstoffe mit einem momentanen Marktanteil von knapp 1 %. Aufgrund des wachsenden ökologischen Bewusstseins und der damit einhergehenden steigenden Bedeutung von natürlichen Ressourcen ist auch zukünftig von einer stärkeren Nachfrage nach ökologischen Dämmstoffen auszugehen.

Betrachtet man die zur Verfügung stehenden Materialien, so wird dieser Markt aktuell von Dämmplatten aus Mineralschaum und Holzfaser dominiert, die ca. 90 % Anteil haben. Es gibt jedoch einige interessante Entwicklungen mit gegenüber Schädlingen resistenten und mechanisch hervorragend geeigneten nachwachsenden Rohstoffen, z.B. auf Basis von Hanf.

Beschichtungen (Armierung, Putz, Farbe)

Bei den Armierungsmassen unterscheidet man im Wesentlichen zwischen organischen (Dispersion = überwiegendes Bindemittel, pastös im Eimer) und mineralischen (Zement = überwiegendes Bindemittel, pulverförmig im Sack) Produkten. Diese unterscheiden sich in der Verarbeitung und in den technischen Eigenschaften. Beispielsweise lassen sich mit den mineralischen Vertretern höhere Schichtdicken realisieren. Organische Produkte sind generell dünnschichtig (wenige mm), weshalb die Dämmstoffoberfläche egalisiert werden muss (z. B. planschleifen von verlegten EPS-Platten). Andererseits weisen die organischen Armierungsmassen auch bei den geringen Schichtdicken eine erstaunliche Resistenz ge­­genüber Spannungen (reduzierte Rissneigung) und Stößen („Schlagfestigkeit“), z.B. durch Fahrradlenker oder spielende Kinder auf. Sie haben hinsichtlich „Robustheit“ gegenüber den mineralischen Produkten Vorteile.

Mineralische Mörtel gibt es oft als Kleber und Armierungsmasse in einem Produkt. Ideal wäre eine Trennung nach den unterschiedlichen Anforderungen der Funktionen als Kleber (z. B. schnelle Trocknung) und Armierung (z. B. hohe mechanische Belastbarkeit). Aber in 70% aller Fälle wird dasselbe Produkt zum Kleben und Armieren verwendet – die Allwetterreifen haben sich an der Fassade durchgesetzt.

Bei den zur Gestaltung und zum Witterungsschutz eingesetzten finalen Beschichtungen (Putz und Anstrich) existiert Vielfalt ohne Grenzen. Im Detail alle relevanten Aspekte zu erörtern, würde den gegebenen Rahmen sprengen. Auch hier ist wieder das (hauptsächlich) eingesetzte Bindemittel wesentlich hinsichtlich Produkteigenschaften. Entsprechend werden die Produkte auch namentlich nach der Bindemitteltype eingeteilt in „Mineral“, „Dispersion“, „Silikonharz“ und „Silikat“, um die verbreitetsten für Fassaden und WDVS zu nennen. Sie unterscheiden sich in den physikalischen Eigenschaften mit Wirkung auf Haftung, Abrieb, Rissüberbrückung (Dehnfähigkeit), Farbtonauswahl, Farbbrillanz, (Nicht-)Anhaftung von Putzpartikeln etc. Wie auch in anderen Bereichen ist hier insbesondere eine Beratung durch Architekt oder Fachhandwerker unerlässlich, zur farblichen Gestaltung gibt es professionelle Werkzeuge, u. a. durch die Industrie (Farbdesign Studios) oder Architekten. Für eine Erstinformation werden auch schon online Gestaltungstools dem Endkunden angeboten. Insbesondere der Fachhandwerker berät gerne mit Farbtonfächern und Echtmustern.

Ein Tipp für Investoren, die an sehr lange schön dastehenden Fassaden interessiert sind: Auch wenn ein Anstrich nicht immer zwingend gefordert ist – er hilft immer, die Fassade zu schützen und ist eine kleine Investition mit großer Wirkung.

Alternative Oberflächen

Ein klassischer Außenputz ist auch heute noch die beliebteste Variante zur Fassadengestaltung. Wer jedoch eine individuelle Lösung bevorzugt, die von der Putzoberfläche ab­­weicht, hat ebenfalls zahlreiche Möglichkeiten, um das Wärmedämm-Verbundsystem optisch aufzuwerten.

So besteht neben den traditionellen Klinkern auch die Option, durch Flachverblender eine Klinkeroptik zu generieren. Wer es kreativer mag, setzt auf gestalterische Elemente wie Capatect-PhotoVision-Gewebe, ein be­­druckter, netzartiger Bildträger zur individuellen und künstlerischen Gestaltung von Fassadenflächen. Weiterhin besteht die Möglichkeit, der Außenwand durch eine besondere Spachteltechnik auf Basis der Accento-Produktreihe einen besonderen Glanz zu verleihen. Die Beispiele machen deutlich: Der Gestaltungsvielfalt sind, auch mit Wärmedämm-Verbundsystemen, kaum Grenzen gesetzt.

Qualitätsdämmung – preiswert für den Investor

Wärmedämmung mit Verbundsystemen für die Hausfassade ist eine Technik, die seit 50 Jahren eingesetzt wird. Neben den eingangs erwähnten Nutzenaspekten für den Hausbesitzer sind WDVS in hohem Maße ökologisch und leisten einen wichtigen und finanzierbaren Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele.

Es gibt eine Vielzahl von Produkten und Systemen hinsichtlich Technik und Gestaltung und – es gibt belegbare, qualitative Unterschiede. Damit Bauherren die Fassadendämmung über viele Jahrzehnte Freude bereitet, bedarf es hochwertiger Produkte und Systeme, einer objektspezifischen Planung sowie einer fachgerechten Verarbeitung. Die „billigste“ Lösung in dieser Kette ist oftmals teuer. Wer sich informiert und entsprechende Qualitätskriterien im Prozess bis zum applizierten System anlegt,  der hat sich als Investor im Ergebnis immer für das günstigste Angebot entschieden.

Mit Blick auf den vorbeugenden baulichen Brandschutz sollte mindestens die Qualität „schwer entflammbar“ zur Ausführung kommen.

Die einwirkende Hauptkraft auf ein WDVS mit ­Putzbeschichtung ist der Wind.

In der Regel müssen gedübelte Systeme auch verklebt werden.

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