Ein Drittel offen für Teilen, Umbauen oder Vermieten
Kann Tauschen oder Teilen von wenig genutztem Wohnraum ein Weg sein, um Wohnraummangel zu beheben? Der gemeinnützige Verband Wohneigentum als bundesweit größter Verband für das selbstgenutzte Wohneigentum untersuchte das in einer Online-Befragung. Wir sprachen mit der Bundesgeschäftsführerin Verena Örenbas über die Ergebnisse.
Frau Örenbas, warum diese Befragung, warum jetzt?
Verena Örenbas: Die Wohnraumkrise ist allgegenwärtiges Thema. Wir haben festgestellt, dass in Fachkreisen zunehmend die Themen Wohnraumsuffizienz und – damit zusammenhängend – eine mögliche Aktivierung ungenutzten Wohnraums diskutiert werden. Gemeint ist damit in der Regel nicht beziehungsweise wenig genutzte Wohnfläche im Ein- und Zweifamilienhaus oder auch einer großen Wohnung nach der Beendigung der Familienphase.
Oft handelt es sich dabei um Räume, die nach dem Auszug der Kinder leer stehen, obwohl sie potenziell für andere Wohnbedürfnisse genutzt werden könnten. Die meisten von uns kennen Beispiele dazu im eigenen Verwandten- oder Bekanntenkreis, wo Menschen in der zweiten Lebenshälfte alleine oder zu zweit nach dem Auszug der Kinder ein großes Haus bewohnen.
Ist das Wohnraum, der auch für andere aktiviert werden könnte und wenn ja, wie? Darum geht es in dieser Debatte, die in meinen Augen allerdings nicht immer der Komplexität des Themas entspricht. Uns ist es wichtig, auch die Perspektive der Eigentümerinnen und Eigentümer auf dieses Thema einzubringen, um deren Immobilien es hier letztlich geht. Wie stehen sie zu dieser Idee? Welche Chancen sehen sie, welche Bedenken gibt es? Diese Fragen wollten wir mit unserer Online-Befragung, die sich gezielt an Menschen mit Wohneigentum richtete, klären.
Was haben Sie herausgefunden?
Verena Örenbas: Die Befragung hat unter anderem ergeben, dass 26 % der Teilnehmenden ihre Wohnfläche als zu groß empfinden, insbesondere die ältere Zielgruppe, die in großen Haushalten lebt. Der überwiegende Teil der Wohneigentümer und -eigentümerinnen ist mit der eigenen Wohnfläche zufrieden.
Interessant war für uns, dass knapp ein Drittel (32 %) der Befragten sich aufgeschlossen dafür gezeigt haben, den eigenen Wohnraum effizienter zu nutzen. Von ihnen sind 41 % grundsätzlich bereit, wenig genutzten Raum zu vermieten. 23 % würden in Betracht ziehen, durch Umzug in eine kleine Wohnung/Wohnungstausch ihre Wohnfläche zu verkleinern, was neuen Wohnraum für andere schaffen könnte.
Die große Mehrheit (68 %) der Befragten steht Maßnahmen zu einer effizienteren Nutzung ihres Wohnraums wie Wohnraumteilung, Untervermietung oder Umzug in eine kleinere Wohneinheit allerdings skeptisch gegenüber. Die Frage, ob sie eigenen Wohnraum teilen würden, löst bei vielen Umfrageteilnehmern emotionale Antworten aus, sie betrachten das als Eingriff in ihr oft hart erarbeitetes Eigentum.
Zurück zu den 32 %, die sich ein anderes Wohnen vorstellen könnten – was hindert Eigentümer*innen daran, die Idee in die Tat umzusetzen?
Verena Örenbas: Die Hinderungsgründe sind natürlich vielfältig. Die größten Bedenken im Hinblick auf das Teilen von Wohnraum äußern die Befragungsteilnehmer*innen in Bezug auf Verlust von Privatsphäre und auf potentielle Konflikte mit Mietern. Finanzielle und bürokratische Hürden bei eventuell notwendigen Umbauten im Haus sowie rechtliche Unsicherheiten sind weitere Hemmnisse, die oft genannt wurden. Hier fehlt schlicht und einfach oft das Handlungswissen, und das lässt die Menschen zögern.
Wenn wir noch einen Schritt weitergehen: Wie sieht es aus mit dem Thema Wohnungstausch? Oftmals wohnen Senioren mit langjährigen Mietverträgen in großen Wohnungen und zahlen dafür weniger Miete als die Familie in der kleinen Wohnung.
Verena Örenbas: Beim Thema Umzug in kleinere Wohneinheiten haben wir festgestellt, dass es oft keinen passenden und bezahlbaren alternativen Wohnraum gibt, der den Bedürfnissen der „empty nester“ entspricht. Auch die Verbundenheit mit der vertrauten Umgebung und dem sozialen Netzwerk in der Nachbarschaft ist ein ganz starkes Motiv dafür, in den eigenen vier Wänden zu bleiben.
Wie schätzen Sie das Potenzial ungenutzten Wohnraums zur Entlastung des Wohnungsmarkts ein?
Verena Örenbas: Das ist natürlich nicht genau zu beziffern, da es ganz stark von den individuellen Umständen der Eigentümer abhängt. Wenn man jedoch die Bereitschaft von 32 % auf die 16,5 Mio. Eigentümerhaushalte in Deutschland hochrechnet, ergibt das theoretisch etwa 5,3 Mio. Haushalte, die grundsätzlich bereit wären, ungenutzten Wohnraum freizugeben. Wenn wir davon ausgehen, dass bei rund 80 % dieser Haushalte unüberwindbare Hinderungsgründe bestehen, verbleiben dennoch über eine Million Eigentümer, die ihren Wohnraum langfristig verfügbar machen könnten.
Welche Maßnahmen wären Ihrer Meinung nach geeignet, um das Thema gesamtgesellschaftlich voranzubringen?
Verena Örenbas: Es geht hier wie schon gesagt meistens um Menschen in der zweiten Lebenshälfte, die nach der Familienphase in großen Wohnungen oder Häusern leben. Diese Eigentümerinnen und Eigentümer unterscheiden sich in Bezug auf das Handlungswissen stark von professionellen Vermietern. Um diese Eigentümer zu überzeugen, ist Unterstützung auf ganz verschiedenen Ebenen gefragt. Eine Kombination aus Informations- und Aufklärungskampagnen zu alternativen Wohnformen, steuerlichen Anreizen für Umbauten oder finanzieller Förderung sowie rechtlichen und praktischen Erleichterungen wäre hier aus meiner Sicht am effektivsten. Koordinieren könnten das sogenannte erweiterte Wohnberatungsstellen als niedrigschwellige und vertrauenswürdige Anlaufpunkte vor Ort.
Was ist Ihr Fazit?
Verena Örenbas: Unsere Umfrage zeigt, dass das Thema Aktivierung von ungenutztem Wohnraum auf Zustimmung und Widerstände stößt. Die Herausforderungen sind vielschichtig, und es ist an den politischen Entscheidungsträgern, Maßnahmen zu entwickeln, die sowohl die Bedenken der Menschen respektieren als auch innovative Ansätze fördern, um vorhandenen Wohnraum besser zu nutzen.
Letztlich geht es um ein Umdenken, denn oft fehlt es hier an Ideen und Wissen. Es ist wichtig, die Vorteile hervorzuheben, die beispielsweise eine Vermietung von Wohnraum bieten kann, wie zum Beispiel soziale Kontakte oder praktische Unterstützung. Wir sehen auch Potenzial im Ausbau von Programmen wie „Wohnen gegen Hilfe“, die auf kommunaler Ebene gestärkt werden könnten.
Besonders wichtig ist, dass jede Maßnahme auf Freiwilligkeit basiert, da alles andere einen unzulässigen Eingriff in das Eigentumsrecht darstellen würde. Es darf kein gesellschaftliches Klima entstehen, dass Menschen unter Druck setzt, die ihre Wohnsituation nicht verändern möchten.