Mehr Klimaschutz, schnell
Wohnungsunternehmen sehen sich vielfältigen Herausforderungen gegenübergestellt, wenn es darum geht, den Klimaschutz in ihre Geschäftsvorgänge zu integrieren. Viele wünschen sich einen schnellen Einstieg in das Thema mit niedrigschwelligen Maßnahmen. Christian Poprawa, Marketingdirektor bei Saint-Gobain Weber, zeigt Möglichkeiten auf, die sich vergleichsweise schnell umsetzen lassen.
Herr Poprawa, welchen Rat würden Sie einer Wohnungsbaugesellschaft geben, die sich klimabewusster aufstellen möchte?
Christian Poprawa: Ganz klar. Beginnen Sie mit den schnell umsetzbaren Maßnahmen, und bündeln Sie sinnvoll! Schritte wie der Aufbau effizienter Wassermanagementsysteme oder die Schaffung einer Infrastruktur für Elektromobilität sind komplexe Unterfangen und eher mittelfristig realisierbar. Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz dagegen lassen sich hervorragend mit anstehenden Renovierungsarbeiten verbinden. Denn renoviert wird in regelmäßigen Intervallen.
Dabei steht und fällt alles mit einer verlässlichen Datengrundlage. Im Falle von Sanierungsarbeiten müssen zunächst die Flächen anhand von exakten, bemaßten Plänen ermittelt werden. Wo diese Daten fehlen oder nicht digital vorhanden sind, unterstützt das Weber-Objektmanagement mit einem bedarfsgerechten Aufmaß- und Digitalisierungs-Service.
Worauf sollte bei der Sanierung der Fokus gesetzt werden?
Christian Poprawa: Je nach Sanierungsstand und Energiebilanz eines Gebäudes empfiehlt es sich, zunächst die Gebäudehülle energetisch zu optimieren, ehe man sich dem Austausch einer Heizanlage widmet. Immerhin gehen 20 bis 25 Prozent der Wärme über die Außenwände verloren. Weitere 20 bis 25 Prozent entweichen über die Fenster und Türen. Sowohl der Austausch der Fenster als auch die Dämmung der Fassade sind daher effektive Maßnahmen, um den Energiebedarf zu senken.
Dabei gleicht sich der CO2-Ausstoß, der bei der Herstellung von Wärmedämm-Verbundsystemen anfällt, bereits nach einigen Jahren aus. Um dies zu veranschaulichen, bietet Saint-Gobain Weber unter www.de.weber/klimarechner einen Klimarechner an, mit dem sich für individuelle Gebäude ermitteln lässt, wie viel CO2 sich über die Lebensdauer eines WDVS einsparen lässt.
Worauf sollten Planende, die den grünen Fußabdruck eines Bauvorhabens verbessern wollen, bei der Wahl eines Wärmedämm-Verbundsystems achten?
Christian Poprawa: Neben bekannten Siegeln wie dem Blauen Engel gibt insbesondere der DGNB-Navigator Aufschluss über geeignete Baustoffe für klimabewusste Bauvorhaben. Um die graue Energie, die bei der Herstellung eines WDVS gebunden wird, bestmöglich zu nutzen, sollten zudem Systeme zum Einsatz kommen, die sich nach Ablauf ihrer Nutzungsdauer recyceln lassen, wie unser System weber.therm circle. Seit diesem Jahr bieten wir zusätzlich zur Mineralwolle auch Holzfaser als nachwachsende Dämmstoff-Alternative an.
Lassen sich die Materialien nach dem Rückbau denn auf gleichem Niveau weiterverwenden?
Christian Poprawa: Aktuell ist eine Wiederverwertung möglich. Unser erklärtes Ziel ist aber eine Wiederverwendung aller Systembestandteile. Im Rahmen des EU-Förderprogramms „Drastic“ erforscht Saint-Gobain Weber aktuell die Möglichkeiten, einzelne Komponenten direkt wiederzuverwenden und so CO2-Emissionen noch weiter zu reduzieren – und dies auch wissenschaftlich zu belegen.
Die Fassadendämmung ist zwar meist das erste Bauteil, das beim Thema Klimaschutz genannt wird. Aber viele Sanierungsmaßnahmen finden ja auch im Innenraum statt. Wie kann die Immobilienwirtschaft hier zu einer klimafreundlichen Bauweise beitragen?
Christian Poprawa: Auch hier stellen wir unsere Produkte genau auf den Prüfstand und forschen intensiv an klimafreundlichen Lösungen. Insbesondere Zement, der in vielen Estrichen und Fliesenverlegmörteln als Bindemittel zum Einsatz kommt, ist als Klimakiller in Verruf geraten. Entsprechend viel kann hier bewegt werden. Mit der BlueComfort-Technologie hat Saint-Gobain Weber schon vor Jahren den Weg für ein nachhaltiges, zementreduziertes Fliesenverlege-Sortiment geebnet.
Die ersten BlueComfort-Produkte wurden bereits 2012 im Markt eingeführt. Über 25.000 Tonnen CO2 konnten seither durch die alternative Bindemitteltechnologie eingespart werden. Um dieses Volumen zu verdeutlichen: Dies entspricht etwa 3.255 Fahrten mit einem Lieferwagen um den Äquator. Seitdem hat unsere Forschungsabteilung diese Lösungen weiter optimiert, so dass wir im letzten Jahr die zweite Generation von BlueComfort-Fliesenklebern vorstellen konnten.
Bei der Herstellung dieser Produkte fallen bis zu 80 % weniger CO2 an. Bei einer Wohnung mit einer gefliesten Fläche von 70 Quadratmetern spart man allein durch die Verwendung des BlueComfort Premium-Fliesenklebers 163 kg CO2 gegenüber einem vergleichbaren Standard-Flexkleber – bei ansonsten gleicher Performance.
Die Wahl von CO2-reduzierten Baustoffen ist somit eine sehr einfache und sofort wirksame Maßnahme für mehr Klimaschutz. Um Greenwashing zu umgehen, sollte man auf Produkte mit individuellen Umweltproduktdeklarationen (so genannte Einzel-EPD) zurückgreifen.
Sie sprachen eingangs das Thema Heizungsaustausch an. Wie kann Saint-Gobain Weber hierbei unterstützen?
Christian Poprawa: Durch den wachsenden Trend zum Heizen mit Umweltwärme über Wärmepumpen nimmt auch das Interesse an Fußbodenheizungen zu. Diese erfordern spezielle Heizestriche. Zudem sind im Bestand häufig geringe Deckenhöhen vorhanden, so dass insbesondere schlanke Konstruktionen gefragt sind. Mit weber.floor 4180 hat Saint-Gobain Weber speziell für dünnschichtige, schwimmende Fußbodenheizungskonstruktionen einen calciumsulfatgebundenen Heizestrich für den Einsatz im Wohnungsbau entwickelt.
Der faserarmierte Heizestrich kann in geringen Einbauhöhen eingebaut werden und eignet sich daher insbesondere für die Verwendung im Bestand. Da das Material fließfähig und pumpbar ist, kann es in Kombination mit der passenden Maschinentechnik per Schlauch direkt an den Einsatzort gepumpt werden. Das spart Zeit und Kosten und reduziert Belastungen für Mieterinnen und Mieter auf ein Minimum.
Der Energiemix der Zukunft umfasst auch Solarenergie. Diese lässt sich auch im kleinen Maßstab sinnvoll nutzen, beispielsweise über Balkonsolarmodule oder vorgefertigte Fensterzargen mit integrierten Rollladenkästen und optionalen Solarmodulen. Diese liefern die Energie für die Steuerung der Rollläden – eine sinnvolle Lösung, da die Verschattung eben dann benötigt wird, wenn die Sonne scheint. Dies kann auch für Altbauten ein praktikabler Weg sein, wenn am Fenster keine entsprechenden Stromleitungen vorhanden sind. Das Weber Projekt-Sortiment umfasst zahlreiche teilvorgefertigte Elemente, die je nach den Bedürfnissen des Bauherren angepasst werden.
Die Nachhaltigkeitsdebatte wird aktuell stark von der CO2-Reduktion geprägt. Aber nachhaltiges Bauen umfasst ja noch mehr. Was gehört für Sie noch dazu?
Christian Poprawa: Insgesamt sind Energie- und Ressourcenverbrauch, CO2-Ausstoß und Abfallaufkommen sicherlich die größten Hebel, wenn es darum geht, umwelt- und klimaverträglicher zu bauen. Aber auch der Schutz der Artenvielfalt gehört zu unseren Unternehmenszielen. Um die Biodiversität zu fördern, hat Saint-Gobain Weber schon vor vielen Jahren mit der Praxis gebrochen, Fassadenputzen filmbildende Biozide hinzuzufügen, um Algen- und Pilzbewuchs an Hauswänden abzutöten.
Dies funktioniert zwar kurzfristig, doch die wasserlöslichen Biozide werden von Tau und Regen aus dem Putz ausgewaschen und gelangen ins umliegende Erdreich und ins Grundwasser. Dort töten sie nicht nur Algen - und Pilzsporen, sondern auch Mikroorganismen im Wasser, auf denen viele Nahrungsketten aufbauen. Einige der Biozide wie etwa Terbutryn stehen zudem im Verdacht, krebserregend zu sein.
Saint-Gobain Weber hat bereits 2011 die AquaBalance-Putze als biozidfreie Alternativen auf den Markt gebracht. Seit 2019 bieten wir freiwillig ausschließlich Putze ohne Biozide zum Algenschutz an. Dadurch haben wir der Umwelt bereits rund 100 Tonnen an Bioziden erspart. Zum Vergleich: Das entspricht etwa 500 mit Bioziden gefüllten Badewannen.
Und last but not least können Wohnungsbauunternehmen auch mit einer Dach- oder Fassadenbegrünung viel für Klima- und Artenschutz in Städten tun. Weber bietet dafür Rankhilfen zur Montage an WDVS-Fassaden an.