Gewerkschafts-Kritik an Baustau: 740.000 Wohnungen genehmigt – aber nicht gebaut

Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) hat das Rekordhoch beim Bauüberhang in Deutschland kritisiert. Seit mehr als zwei Jahrzehnten habe es keine höhere Zahl von genehmigten, aber noch nicht gebauten Wohnungen gegeben. „In Wohnungen auf dem Papier kann aber keiner wohnen. Mittlerweile gibt es 740.0000 davon. Es ist höchst Zeit, dass die Baufirmen die genehmigten Projekte jetzt auch realisieren“, sagte IG BAU-Chef Robert Feiger. Damit könne die Baubranche nicht nur ihren Beitrag im Kampf gegen die Wohnungsnot leisten, sondern auch mit dickem Auftragspolster wirtschaftlich sicher durch die Corona-Krise gehen.

„Der Bau-Boom geht weiter“, so Feiger mit Blick auf eine jetzt bekanntgewordene Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen zum Wohnungsbau. Danach nahm der Bauüberhang allein im vergangenen Jahr um gut 43.000 Wohnungen zu. Zwischen März und Mai dieses Jahres genehmigten die Bauämter weitere knapp 91.000 neue Wohnungen.

„Kaum eine Branche kam bisher so gut durch die Pandemie wie die Bauwirtschaft. Die neuen Zahlen zeigen, dass der Bau eine zentrale Stütze der Konjunktur bleibt“, betont Feiger. Ein Hinweis darauf sei auch die ungebrochene Nachfrage beim Baukindergeld. Mit nahezu 18.500 Neuanträgen allein im ersten Halbjahr blieb die Nachfrage nach dem Baukindergeld laut Bundesregierung auf dem hohen Niveau des Vorjahres. 2019 waren mehr als 34.000 Anträge gestellt worden.

Nach Einschätzung der IG BAU hat die Branche aber zunehmend Schwierigkeiten, genug Fachleute für die Baustellen zu finden. „Der Mangel an gelernten Maurern, Betonbauern und Zimmerleuten macht es immer schwieriger, die genehmigten Wohnungen zeitnah zu bauen“, so Feiger. Bereits heute verließen zwei von drei Bauarbeitern die Branche kurz nach der Ausbildung. Nur wenn die Bauberufe bei den Arbeitsbedingungen und der Bezahlung attraktiver würden, könne ausreichend Nachwuchs gewonnen werden.

„Statt über den vermeintlichen Einbruch durch Corona zu spekulieren, sollten die Bau-Arbeitgeber die Branche für Beschäftigte deshalb attraktiver machen“, so Feiger. Die Chance dazu biete sich in der aktuellen Tarifrunde. Die Gewerkschaft fordert 6,8 Prozent mehr Geld, mindestens jedoch 230 Euro zusätzlich im Monat. Ebenso 100 Euro monatlich mehr für Azubis aller Ausbildungsjahre. Außerdem soll die lange Fahrerei zur Baustelle entschädigt werden. Nach drei Tarifverhandlungen haben die Arbeitgeber allerdings noch kein Angebot vorgelegt, so die IG BAU. „Und das, obwohl die Geschäfte selbst in der Pandemie gut laufen“, kritisiert Feiger. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes übertrafen die Umsätze von Baufirmen in den ersten fünf Monaten die des Vorjahres um rund sieben Prozent.

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