Nach Vonovia-Baustopp: IG BAU fordert Sondervermögen „Soziales Wohnen“ von 50 Mrd. Euro bis 2025

Zum angekündigten Neubau-Stopp von Vonovia erklärt der stellvertretende Bundesvorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (www.igbau.de), Harald Schaum:

„Wenn Deutschlands größter Wohnungskonzern den Neubau jetzt komplett auf Eis legt, dann hat das erhebliche soziale Auswirkungen: Den Neubau von Wohnungen zu stoppen – das ist ein Tiefschlag für den Markt, der dringend Wohnungen braucht, und für die Menschen, die dringend eine Wohnung suchen. Mit über 700.000 fehlenden Wohnungen herrscht die größte Wohnungsnot seit über zwanzig Jahren.

Genau in der Zeit, in der Kriegsflüchtlinge kommen und die Schlangen bei Wohnungsbesichtigungen immer länger werden, zeigt Vonovia die „kalte Kommerz-Schulter“: Entweder mehr Fördergeld oder mehr Wohnungsnot – auf den Punkt gebracht ist das die Botschaft, die Deutschlands größter Wohnungskonzern jetzt präsentiert. Schlimm genug ist, dass Vonovia nicht mehr baut. Noch fataler ist aber die Signalwirkung, die Vonovia in die gesamte Wohnungswirtschaft damit sendet.

Ein Unter-Druck-Setzen durch Vonovia darf sich Bundesbauministerin Klara Geywitz nicht gefallen lassen. Sie muss sich auf die konzentrieren, die sozial in der Wohnungswirtschaft unterwegs sind. Denen müssen Bund und die Länder jetzt helfen: vor allem den kommunalen, den genossenschaftlichen und den kirchlichen Wohnungsgesellschaften. Die Einführung einer neuen Wohngemeinnützigkeit mit steuerlicher Förderung, darunter eine Absenkung des Mehrwertsteuersatzes beim Bau von Sozialwohnungen von 19 auf 7 Prozent, ist dabei ein wichtiger Schritt.

Ja, der Staat muss jetzt das Ruder herumreißen und die Förderung insbesondere für den sozialen Wohnungsbau auf völlig neue Füße stellen. Ansonsten sackt der Neubau von Sozialwohnungen in diesem Jahr völlig ab. Das wäre ein Wohnungsbau-Desaster – und eine Katastrophe für die Menschen, die wohnen müssen.

Denn schon jetzt steht fest: Deutschland hat eine neue Sozialwohnungs-Not. Es gibt einen Kollaps auf dem sozialen Wohnungsmarkt. Der Staat muss dringend etwas tun: Notwendig ist – wie vom Bündnis „Soziales Wohnen“ gefordert und wissenschaftlich flankiert – ein Sondervermögen „Soziales Wohnen“ – 50 Milliarden Euro bis 2025, also bis zum Ende der Legislaturperiode. Denn das Nicht-Wohnen-Können ist sozialer Sprengstoff. Und der fliegt uns um die Ohren – noch in diesem Jahr.

Ein Blick auf kommunale Wohnungsgesellschaften hilft: Sie greifen auf Eigenkapital zurück, um geplante Wohnungsbauprojekte durchzuziehen – und um ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung gerecht zu werden. Wenn börsennotierte Konzerne nur kurzfristig finanzieren, haben sie natürlich ein Problem. Vor allem gilt aber: Der Dividenden-Durst der Aktionäre darf nicht darüber entscheiden, ob Menschen wohnen können oder nicht.

Es wird höchste Zeit, dass der Bund bei Vonovia einsteigt. Er muss einen Anteil von 25 Prozent plus eine Aktie erwerben – also die geringste und damit günstigste Sperrminorität in der Hauptversammlung und einen entsprechend effektiven Einfluss in den Aufsichtsräten. Der Staat würde damit Einfluss auf die langfristige Strategie bei Vonovia bekommen – also auch auf den Neubau, die Modernisierungen und die Mietpreisentwicklung. Außerdem wäre dies ein starkes Signal: Der Staat würde damit deutlich machen, dass er sich – nach vielen Privatisierungen – auf dem Wohnungsmarkt wieder einmischt.

Der Appell der IG BAU an alle Akteure der Wohnungswirtschaft ist klar: Im Krisenjahr 2023 muss gebaut werden. Jeder Neubau und jede Sanierung, die gestoppt wird, bedeutet eine Gefahr für Arbeitsplätze auf den Baustellen und in der Baustoffherstellung. Aber Kurzarbeit oder sogar Entlassungen dürfen wir uns nicht erlauben: Deutschland hat ein Rekord-Wohnungsdefizit. Schon deshalb wird jeder Bauarbeiter gebraucht. Wenn der Staat es jetzt zulässt, dass der Wohnungsbau in die Knie geht, dann riskiert er, dass Baukapazitäten abgebaut werden. Die IG BAU warnt: Wir dürfen keinen Bauarbeiter nach Hause schicken.

Ansonsten erlebt der Bau den sogenannten Gastro-Effekt: Wer einmal geht, der ist weg. Die Gastronomie hat die Beschäftigten, die sie in der Pandemie nach Hause geschickt hat, nicht wieder zurückbekommen. Letztlich sind Bauarbeiter die Garanten für mehr Wohnungsbau. Nur mit ihnen hat der Staat überhaupt die Chance, die Wohnungskrise in den Griff zu bekommen.“

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