Weichen für die Zukunft

Die Unternehmen der Wohnungswirtschaft stehen vor Herausforderungen, die es in dieser Breite und Intensität seit der Zeit des Wirtschaftswunders noch nicht gegeben hat. Und es mehren sich die ernst zu nehmenden Stimmen, die dringenden Handlungsbedarf anmahnen, wenn Wohnungsbaugesellschaften und –genossenschaften nicht schon bald existenziell bedroht sein wollen.
Dass man diesen Herausforderungen aber trotz ihrer Komplexität erfolgreich mit einzelnen Maßnahmen begegnen und damit letztlich einen wichtigen Grundstein für die weitere Entwicklung der gesamten Genossenschaft legen kann, belegt ein Beispiel aus Arnsberg im Hochsauerland. Dort hat die Woh­nungsgenos­sen­schaft Arnsberg + Sundern eG an einem typischen Mehrfamilienhaus aus den 50er Jahren demonstriert, wie aus der Wechselbeziehung zwischen den unterschiedlichsten Zielen, die eine Sanierung erfüllen soll, langfristig stabile Marktchancen entwickelt werden können.

Das Objekt
Bei dem Mehrfamilienhaus Ringstraße 6-10 ­handelt es sich um ein Objekt mit 18 Wohn­einheiten. Dem Stand der Technik anno 1951 entsprechend wurden die 60 bzw. 70 m² großen 3-Zimmer-Wohnungen dezentral mit GasEtagenheizungen oder Einzelöfen beheizt. Die Wär­­medämmung der Gebäudehülle entsprach ebenfalls dem damaligen Anforderungsniveau, erreichte also noch nicht einmal den Grenzwert 200 kWh/m²a, wie er in der 1. Wärmeschutzverordnung von 1977 festgeschrieben ist. Umso ambitionierter war die Zielvorgabe, mit der die Wohnungsgenossenschaft an die Kernsanierung des Gebäudes heranging: „Energieeinsparverordnung (EnEV; Stand 2007) minus 30 %“ lautete in energetischer Hinsicht der zu erreichende Grenzwert. Diese Energieeinsparung sollte gleichzeitig mit der Nutzung regenerativer Energien einher gehen, um die Mietnebenkosten dauerhaft niedrig zu halten.
Um die Attraktivität des Objektes für potenzielle Mieter vor dem Hintergrund des demografischen Wandels zu erhöhen, sollte in dem Gebäude darüber hinaus erstmals der Rahmen für eine Senioren-Wohngemein­schaft mit Betreuungsmöglichkeit geschaffen werden.

Das strukturelle Sanierungskonzept
Einen Geschosswohnungsbau aus den 50er Jahren durch die Komplettsanierung der Bäder und durch vorgesetzte Balkone wieder für an­­spruchs­vollere Mieter interessant zu ma­­chen, ge­­hört mittlerweile zum Standardrepertoire solcher Sanierungsmaßnahmen. So auch in Arnsberg an der Ringstraße.
Vergleichsweise neu ist hingegen der Ansatz, gleichzeitig die vorgegebenen Wohnstrukturen im wahrsten Sinne des Wortes aufzubrechen und jeweils vier Erdgeschosswohnungen barrierearm ausgestattet zusammenzulegen. Genossenschaftsvorstand Werner Schlinkert: „Mit diesem Konzept spiegeln wir die demografische Entwicklung und die damit verbundene Änderung der Mieterstruktur wider, denn der Anteil älterer Menschen mit sich langsam entwickelndem Betreuungsbedarf steigt kontinuierlich.“ An der Ringstraße wird genau solchen Menschen jetzt ein mehrstufiges Wohnangebot offeriert. So lange sie sich problemlos selbst versorgen können, bewohnen sie zum Beispiel eine der Wohnungen im Obergeschoss. Mit zunehmenden Beeinträchtigungen kann der Umzug ins schwellenfreie Erdgeschoss erfolgen. Im gleichen Umfeld bleibend, finden die Mieter dort ihre Privatsphäre in den großzügigen, lichtdurchfluteten „Apartments“, die sich um Gemeinschaftsräume und zentrale Pflegebäder gruppieren. Die bedarfsgerecht gestaffelte Pflege erfolgt dabei über eine Kooperation der Genossenschaft mit dem örtlichen Caritas-Verband.
Die Mieter, sagt Schlinkert, profitieren von diesem Konzept in sozialer Hinsicht, weil sie unabhängig von ihrer persönlichen Disposition deutlich enger in ein Nachbar-Netzwerk eingebunden sind als in einer eigenen Wohnung. Gleichzeitig leben sie aber auch kostengünstiger, denn in der Betreuung notwendige Hilfsmittel – wie Stützgriffe oder ein Wannenlift – können von mehreren Mitbewohnern genutzt ­werden. Zudem gestaltet sich der Einsatz der Betreuungskräfte effizienter.
Allerdings zeigte der Umbau der Erdgeschosswohnungen auch die Grenzen des im Bestand Machbaren auf. Da selbst bei einer Kernsanierung unter Kostenaspekten Wände nur bedingt versetzt werden können, lassen sich etwa für das Attribut „barrierefrei“ vorgeschriebene Bewegungsräume nicht in vollem Umfang realisieren. Ebenfalls betriebswirtschaftlich nicht reell darstellbar: der vollständig barrierearme Umbau eines solchen Mehrfamilienhauses mit Aufzügen oder konsequent rollstuhlgerecht verbreiterten Türen. Aber darauf, unterstreicht Vorstand Schlinkert, komme es bei solchen Wohnkonzepten auch gar nicht an: „Für den infrage kommenden Personenkreis wie für uns als Wohnungsgenossenschaft ist es entscheidender, für die künftig viel stärker nachgefragten Misch-Wohnformen Lösungen zu haben. Und die lassen sich in einem sehr gut vertretbaren Kosten-/Nutzenverhältniss auch im Rahmen von Bestandssanierungen realisieren, wie das Beispiel Ringstraße beweist.“

Das energetische Sanierungskonzept
Das gilt vor allem, wenn diese Realisierung zugleich mit energetischen Verbesserungsmaßnahmen einher geht und die Baumaßnahme damit aus Fördertöpfen – beispielsweise von der KfW – unterstützt wird, was auch von der Wohnungsgenossenschaft Arnsberg + Sundern EG trotz solider Eigenkapitalbasis genutzt wurde. Schlinkert: „Es gibt immer ein Spannungsfeld zwischen dem, was an energetischer Sanierung wünschenswert ist, und den später tatsächlich finanzierbaren Möglichkeiten. Daher sind geförderte Projekte, wie das hier in Anspruch genommene dena-Modellvorhaben `Niedrigenergiehäuser im Bestand´, ein zusätzlicher Anreiz, den Sanierungsansatz noch umfassender zu gestalten.“
Konkret hieß das für den Energieberater im Genossenschaftsvorstand, über die selbstverständliche Dämmung der Gebäudehülle nach EnEV hinaus die unterschiedlichsten Varianten der Wärmeerzeugung durchzuspielen. Dezentral, was die kostengünstigste Lösung gewesen wäre, kam dabei ebenso auf den Prüfstand wie eine konventionelle zentrale Heizungsanlage oder die jetzt realisierte Variante der Wär­me- und Warmwasserbereitung über zwei Erd­wämepumpen. „Letzten Endes war es“, so Schlinkert, „eine Kombination aus Sanierungsaufwand, verlässlicher Technik, langfristig kalkulierbarer Versorgungssicherheit und Förderung, die bei diesem Objekt den Ausschlag hin zur Erdwärme-Nutzung gab.“ Wobei die Betonung deutlich auf „diesem Objekt“ liegt, da es gerade in der Sanierung keine allgemeingültige Lösung geben könne. Zu unterschiedlich seien die baulichen, technischen und sicherlich zudem die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, als dass hier auch nur annähernd tragfähige Referenzzahlen für ähnliche Projekte genannt werden könnten.

Die zukunftsfähige Wärmetechnik
Im Sanierungsobjekt Ringstraße wurde die notwendige Wärmeleistung so beispielsweise auf zwei Erdwärmepumpen Geotherm von Vaillant mit 17 bzw. 38 kW aufgeteilt. Dreiviertel dieser Leistung beziehen die Erdwärmepumpen als Umweltwärme über sieben Erdsonden aus 90 m Tiefe, der Rest ist elektrische An­­triebsenergie. In Abhängigkeit von den zu versorgenden Wohneinheiten wird die so erzeugte Wärme in zwei für die engen Kellerräume maßgeschneiderte 1000 Liter- sowie in einem dritten 1500 Liter-Speicher gepuffert.
Für die hohe Effizienz dieses Gesamtsystems sorgt eine abgestimmte Regelung des Herstellers. Witterungs- und zeitgeführt können mit dieser Regelung beide Wärmeerzeuger und bis zu 15 Heizkreise gleichzeitig angesteuert werden, so dass sich neben dem energetisch abgestimmten Betrieb der Erdwärmepumpen auch die Wärmeverteilung in dem Mehrfamilienhaus sehr differenziert einstellen lässt.
In den Wohnungen selbst erfolgt die Wärmeverteilung ganz konventionell über Radiatoren mit einer Vor-/Rücklauftemperatur von 45/38 °C. Das genügt völlig, hat SHK-Meister Stiefermann als verantwortlicher Fachhandwerker ausgerechnet, um die Räume im Altbau selbst unter Berücksichtigung der in der Norm geforderten Aufheizreserven auf Wohlfühltemperatur zu bringen: „Bei dieser Sanierung sind die regenerative Anlagentechnik und die bauseitige Dämmung über ein 10 cm starkes 035er-Wärmedämmverbundsystem optimal aufeinander abgestimmt. Auf der einen Seite werden so die Wärmeverluste effektiv verhindert, auf der anderen gibt es – wie bei dichten Gebäudehüllen nach einer Sanierung sonst häufig vorkommend – keine Schimmelprobleme in den Wohnungen.“

Fazit
Die Wohnungsgenossenschaft Arnsberg + Sundern eG hat mit der rund 1 Mio. € teuren Sanierung dokumentiert, in welchem Maße vordergründig überalterter Gebäudebestand zukunftsgerichtet entwickelt werden kann: Energetisch trägt die gefundene Lösung ökologischen wie ökonomischen Aspekten Rechnung und so nicht nur zur Imagebildung, sondern auch zu dauerhaft niedrigen Mietnebenkosten bei – ein Faktor, der für die Vermietung von Wohnraum immer wichtiger wird. Gleichzeitig gelang es durch die Vollmodernisierung des Wohnraumes, vor allem aber durch den Umbau des Erdgeschosses, wo jeweils vier Erdgeschosswohnungen barrierearm ausgestattet zu einer Senioren-Wohngemeinschaft zusammengelegt wurden, das Gebäude ausgerichtet an der demografischen Entwicklung für die künftig vorrangig zu erwartende Mieter-Klientel interessant zu gestalten.

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