Entscheidung im Gebäude
Die Energiewende entscheidet sich jetzt im Gebäude, sagt Thomas Zinnöcker, CEO des Energiedienstleisters ista und Vizepräsident des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA). Um dort erfolgreich zu sein, muss sie aber endlich wirtschaftlich werde
Die Energiewende geht in eine neue Phase. Jetzt zählt nicht mehr nur der möglichst rasche Ausbau erneuerbarer Erzeugungskapazitäten, sondern auch die digitale Vernetzung der Energieinfrastruktur. Alles soll nun „smart“ werden, vom Smart Grid über den Smart Meter bis hin zum Smart Home. Geht es nach dem Willen der Bundesregierung, dann werden die Sektoren Energie, Verkehr und Gebäude in Rekordgeschwindigkeit miteinander gekoppelt und digitalisiert.
So smart diese Vision sein mag, so sehr erinnert sie doch an die erste Phase der Energiewendediskussion Mitte der Nullerjahre. Auch heute scheint sich das Konzept der Energiewende eher vom Glaubens- als vom Wirtschaftlichkeitsgebot leiten zu lassen. Damals wie heute wird nur mit erstaunlicher Zurückhaltung gefragt: Was kostet uns das Ganze?
Wenn der Verbraucher im vergangenen Jahr allein durch die EEG-Umlage Kosten von 25 Mrd. € stemmen musste, so ist dies das schmerzhafte Ergebnis einer zu hastig und in Teilen zu ideologisch geführten Diskussion. Sowohl die weiterhin steigenden CO2-Emissionen, die Entwicklung der Strompreise als auch die wirtschaftliche Lage vieler großer und kleiner Energieversorger zeigen, dass wir noch weit weg von einem funktionierenden Energiesystem auf marktwirtschaftlicher Basis sind.
Mit der neuen Phase der Energiewende droht sich die Geschichte nun zu wiederholen. Dieses Mal steht besonders das Gebäude und mit ihm die Immobilienwirtschaft im Fokus. Durch immer strengere gesetzliche Vorgaben soll der Gebäudebestand möglichst rasch klimaneutral werden. Schaut man aber genauer hin, dann stagniert die Sanierungsquote trotzdem weiterhin bei lediglich einem Prozent. Die durchschnittliche Heizungsanlage im Mehrfamilienhaus ist über 20 Jahre alt und wird immer noch mit Gas oder Öl betrieben.
Diese zweifelhafte Bilanz liegt aber keineswegs am Unwillen der Gebäudeeigentümer, die Energiewende ins Gebäude zu bringen. Vielmehr sind die Kosten für die energetische Sanierung und technologische Modernisierung so hoch, dass sie sich für Eigentümer und Mieter nur über sehr langfristige Investitionszyklen rechnen. Wer jetzt meint, er könne mit Hochdruck eine komplett neue digitale Infrastruktur ins Gebäude drücken, überfordert die vorhandenen Strukturen und Ressourcen.
Stattdessen sollte das Gebäude langfristig und damit nachhaltig „fit“ für die Energiewende gemacht werden. Niedriginvestive und aus diesem Grund wirtschaftliche Effizienzmaßnahmen, die sich für Eigentümer, Mieter und Umwelt gleichermaßen lohnen, sollten vorrangig gefördert werden. Dazu müssen die oftmals beschworenen „low hanging fruits“ auch im Gebäude identifiziert und systematisch realisiert werden. Allein durch mehr Transparenz über Energieverbräuche könnte ein Großteil der im Klimaschutzplan 2050 zusätzlich geforderten CO2-Einsparungen erreicht werden.