Neue Wege zur Energiewende
„Efficiency First“ – so lautet der neue Grundsatz der Energiewende. Im Zuge dessen gerät die Wohnungswirtschaft durch die stetig steigenden Anforderungen an den Gebäudebestand zunehmend unter Druck. Energetische Modernisierungen nach Höchststandards sind aufwändig und teuer – was auch die Mieter zu spüren bekommen. Dabei lassen sich bereits mit geringinvestiven Maßnahmen beträchtliche Energieeinsparungen erzielen.
Als sich Ministerin Barbara Hendricks im November 2016 auf den Weg zur UN-Weltklimakonferenz in Marrakesch machte, hatte sie den von der Bundesregierung frisch verabschiedeten Klimaschutzplan 2050 im Gepäck. Danach hatte es lange Zeit nicht ausgesehen. Erst die deutliche Entschärfung der Auflagen für Industrie und Kraftwerke machte den Weg für den Kabinettsbeschluss frei.
Um die hoch gesteckten Ziele des Klimaschutzplans – die Verminderung der Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80 bis 95 % gegenüber 1990 – dennoch zu erreichen, wurden die notwendigen Energieeinsparungen auf andere Bereiche umverteilt.
Dies führte zu einer erheblichen Mehrbelastung für den Gebäudesektor, dessen CO2-Emissionen bis 2030 um zusätzliche acht Millionen Tonnen gesenkt werden sollen. Die Folge: Der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen stieg aus dem „Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen“ mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) aus und gründete die „Allianz für einen klimaneutralen Wohngebäudebestand“. Diese hat sich zum Ziel gesetzt, geringinvestive Energieeffizienzmaßnahmen in der Praxis zu untersuchen und zu fördern. Grund genug, einen Blick auf die energiepolitischen Entwicklungen der letzten Jahre zu werfen und zu erörtern, welche Rolle diese Instrumente hinsichtlich der Klimaschutzziele spielen können.
Vorrang für Energieeffizienz
Während ursprünglich die Erneuerbaren Energien im Fokus der Energiewende standen, lautet das Leitmotiv nun „Efficiency First“. Eingeführt wurde das Motto im Jahr 2015 von der Europäischen Kommission im Rahmen der Vorstellung der sogenannten Energieunion, einem Strategiepapier für eine nachhaltige und bezahlbare Energieversorgung. Auch in Deutschland sollen Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz im Vordergrund stehen und Effizienzpotenziale optimal ausgeschöpft werden. Die andere Säule der Energiewende bleiben die Erneuerbaren Energien und deren weiterer Ausbau. Lokal erzeugte Energie soll dabei direkt vor Ort genutzt werden. Wo dies nicht möglich ist, soll mithilfe der sogenannten Sektorkopplung sauber erzeugter Strom übergreifend – etwa im Bereich der Wärmeversorgung – eingesetzt werden, um fossile Energien zu ersetzen.
Vor diesem Hintergrund baut der Klimaschutzplan 2050 vor allem auf Instrumenten auf, die bereits mit dem Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 aus dem Jahr 2014 auf den Weg gebracht wurden. Eine wichtige Rolle spielt hier der „Nationale Aktionsplan Energieeffizienz“ (NAPE), der eine Reihe von Maßnahmen für die kurz-, mittel- und langfristige Steigerung der Energieeffizienz enthält.
So soll beispielsweise durch eine Kombination aus Energieeinsparung und dem Einsatz erneuerbarer Energien bis zum Jahr 2050 ein nahezu klimaneutraler Gebäudebestand erreicht werden. Dafür ist es notwendig, den Primärenergiebedarf in diesem Bereich gegenüber 2008 um rund 80 % zu senken. Ein Zugpferd ist hier etwa das „CO2-Gebäudesanierungsprogramm“.
Weitere Anreize für die Wohnungswirtschaft sollte zudem die im NAPE verankerte steuerliche Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen im Gebäudesektor bieten. Doch das Bonusmodell mit einem Volumen von einer Milliarde Euro scheiterte im Koalitionsausschuss an der Gegenfinanzierung. Als Alternative verabschiedete die Bundesregierung daher das „Anreizprogramm Energieeffizienz“, das die Wärmewende im Heizungskeller bringen soll. Dazu setzt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) vor allem auf Investitionszuschüsse, etwa für den Austausch ineffizienter Heizungen oder den Einsatz von Brennstoffzellen. Weiterhin verfügbar ist zudem das Marktanreizprogramm Erneuerbare Energien mit zinsgünstigen Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) oder Zuschüssen des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA).
Geringer Aufwand – hoher Nutzen
Im Blickpunkt dieses Förderdschungels stehen somit vor allem die Gebäudedämmung und die Heizungsmodernisierung. Erst seit Kurzem werden ergänzend auch geringinvestive Maßnahmen wie etwa der hydraulische Abgleich oder der Austausch von Heizungspumpen finanziell bezuschusst. Es setzt sich also langsam die Erkenntnis durch, dass sich an den richtigen Stellen auch mit niedrigem Kostenaufwand beträchtliche Energieeinsparungen erzielen lassen. Dieser Bereich wurde lange Zeit vernachlässigt und birgt angesichts der Vielzahl möglicher Ansätze ein großes Potenzial für die Energiewende.
So zeigen beispielsweise die Ergebnisse des Modellvorhabens „Bewusst heizen, Kosten sparen“, dass Mieter mit einer unterjährigen Verbrauchsinformation ihren Wärmeverbrauch um durchschnittlich ca. 10 % reduzieren. In dem von der Deutschen Energie-Agentur (dena) gemeinsam mit ista Deutschland, dem Deutschen Mieterbund und dem BMUB durchgeführten Projekt wurden rund 200 Haushalte drei Jahre lang begleitet. Die Teilnehmer erhielten hier zusätzlich zur jährlichen Heizkostenabrechnung regelmäßig aktualisierte Daten zum Wärmeverbrauch sowie den damit verbundenen Kosten und konnten auf dieser Basis ihr Heizverhalten fortlaufend kontrollieren und anpassen.
Neues Bündnis setzt auf kosteneffiziente Einsparmöglichkeiten
Derartige kosteneffiziente Alternativen stehen auch im Fokus der neuen „Allianz für einen klimaneutralen Wohngebäudebestand“. Gründungsmitglieder sind elf Unternehmen, Verbände und Forschungseinrichtungen zu denen etwa der GdW, Vonovia, Bosch Thermotechnik, ista, Techem, die EBZ Business School oder die Technische Universität Dresden gehören. Das Bündnis ist überzeugt, dass verschiedenste technische Lösungen den aktuell vorherrschenden Maßnahmenmix sinnvoll ergänzen und in vielen Fällen erst die vollen Effizienzpotenziale erschließen.
Dementsprechend analysiert die Allianz im Rahmen einer Pilotstudie in über 500 Mehrfamilienhäusern die Einspareffekte derartiger Energieeffizienzmaßnahmen in Relation zu den damit verbundenen Investitionen. Der Fokus liegt hier unter anderem auf der Steuerungsoptimierung bestehender Heizkessel, dem hydraulischen Abgleich oder auch auf der Verbesserung der Verbrauchstransparenz durch moderne Kommunikationsmedien. Die Erwartung ist hier, dass derartige technische Maßnahmen einen verhältnismäßig großen Beitrag zur Energieeinsparung leisten.
Studie zeigt Potenzial der Verbrauchsinformation
Dies bestätigt etwa eine Studie des internationalen Beratungsunternehmens Ecofys aus dem Jahr 2015, die das Kosten-Nutzen-Verhältnis der unterjährigen Verbrauchsinformation untersuchte. Demnach ist die Maßnahme bereits bei einer Einsparung von 5 % und Kosten von 30 € pro Jahr und Wohneinheit für 87 % der Mieter finanziell vorteilhaft oder zumindest kostenneutral (s. Abb. 4).
Laut Ecofys lassen sich mit Hilfe der unterjährigen Verbrauchsinformation bis zum Jahr 2020 bundesweit 5,4 Mio. t CO2 auf wirtschaftliche Weise einsparen. Dies allein entspricht etwa zwei Dritteln der im Klimaschutzplan 2050 für den Gebäudesektor zusätzlich geforderten 8 Mio. t CO2. Hier zeigt sich, welches Potenzial geringinvestive Maßnahmen für die Energiewende entfalten können.
Vom Smart Home zum Smart Building
Ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt für die Allianz sind Smart Home und Smart Building Lösungen zur Verbesserung der Temperatursteuerung von Räumen und Heizungsanlagen. Dabei setzt das Smart Home auf der Wohnungsebene an. Die Mieter können hier die Raumtemperaturen individuell anpassen und persönliche Heizprofile erstellen. Ebenso lassen sich weitere Komponenten wie Haushaltsgeräte, Leuchten oder Rollläden einbinden und steuern – in der Regel sogar von unterwegs per Smartphone oder Tablet. Dies dient nicht nur dem Komfort, sondern spart auch Energie: etwa weil die Heizung nicht mehr aus Versehen über Nacht an bleibt oder sich automatisch runter regelt, wenn ein Fenster geöffnet wird.
Einen Schritt weiter gehen Smart Building Lösungen, wie sie etwa der Energiedienstleister ista anbietet. Hierbei handelt es sich um eine intelligente Gebäudeautomation, die die gesamte Liegenschaft inklusive aller Wohnungen digital vernetzt. Die Mieter erhalten so beispielsweise auch regelmäßig Informationen zu ihrem Verbrauchsverhalten. Auf der Gebäudeebene werden zudem die Verbrauchsdaten aller Wohnungen permanent analysiert und darauf basierend die Heizungsanlage leistungsoptimiert gesteuert. Auf diese Weise liefert diese zu jeder Tages- und Nachtzeit nur so viel Wärme, wie auch tatsächlich im Gebäude benötigt wird. Durch die Kombination aus bedarfsgerechter Energieerzeugung und optimiertem Verbrauchsverhalten lässt sich die Energieeffizienz eines Mehrfamilienhauses so deutlich erhöhen.
Smart Meter sinnvoll für den Wärmemarkt?
Als ein weiterer wichtiger Baustein der aktuellen Energiepolitik gilt zudem das im September 2016 in Kraft getretene „Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende“, das die flächendeckende Einführung von digitalen Stromzählern – sogenannte Smart Meter – beschleunigen soll. Über ein Gateway werden die Verbrauchsdaten an den Energieversorger sowie den Verbraucher übermittelt, um die Privathaushalte zum Stromsparen zu animieren und den Unternehmen die Möglichkeit zu eröffnen, Strom bedarfsgerecht zu erzeugen. Seit Anfang 2017 müssen Großverbraucher mit einem Strombedarf von über 10.000 kWh pro Jahr die intelligenten Zähler einbauen lassen. Haushalte mit einem jährlichen Stromverbrauch zwischen 6.000 und 10.000 kWh sind dann ab dem Jahr 2020 an der Reihe.
Perspektivisch sollen die Messsysteme auch eine spartenübergreifende Messung und Übermittlung von weiteren Verbrauchsdaten – etwa aus den Bereichen Gas, Fern- oder Heizwärme – ermöglichen. Damit wäre es ebenso möglich, Mieter auf diesem Wege mit monatlichen Informationen zum Wärmeverbrauch zu versorgen. Allerdings erweist sich hier der Rollout für das Smart Metering im Jahr 2020 als Einsparbremse. Denn im Rahmen des Submetering – der transparenten Erfassung, Visualisierung und verursachungsgerechten Abrechnung von individuellen Heiz- und Warmwasserverbräuchen – ist die Maßnahme bereits heute umsetzbar. Die Basis hierfür bietet die Funktechnologie zur Verbrauchsablesung, wie sie aktuell schon in vielen Mehrfamilienhäusern in Deutschland vorhanden ist.
Auch dieser Zusammenhang wurde im Rahmen der bereits genannten Studie des Beratungsunternehmens Ecofys untersucht. Die Experten gehen davon aus, dass bei einer Verbrauchsreduzierung von 5 Prozent durch die monatliche Verbrauchsinformation per Submetering bereits im Jahr 2017 Endenergieeinsparungen von 20 Petajoule (PJ) möglich wären. Ab 2020 könnte die Effizienzmaßnahme dann auf beide Arten realisiert werden. Doch selbst dann würde das Submetering aufgrund der weiten Verbreitung der Funktechnologie einen wesentlich größeren Beitrag leisten als das Smart Metering (s. Abb. 6).
Fazit
Bei der Energiewende hat die Bundesregierung der Energieeffizienz oberste Priorität eingeräumt. Um diese zu steigern, stehen im Gebäudebereich vor allem kostenintensive Maßnahmen wie die Gebäudedämmung im Fokus. Die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft strebt hingegen an, die notwendigen Energieeinsparungen mit vergleichsweise geringinvestiven Effizienzmaßnahmen zu erzielen.
Hierzu gehören etwa der hydraulische Abgleich oder der Austausch von Heizungspumpen. Weitere vielversprechende Instrumente sind beispielsweise die unterjährige Verbrauchsinformation für Mieter und Smart Building Lösungen für Mehrfamilienhäuser. In der Summe können diese Maßnahmen einen wesentlichen Beitrag zur Erfüllung der Ziele des Klimaschutzplans 2050 leisten – und zeichnen sich dabei durch eine sehr hohe Wirtschaftlichkeit aus.
Durch eine Kombination aus Energieeinsparung und dem Einsatz erneuerbarer Energien soll bis zum Jahr 2050 ein nahezu klimaneutraler Gebäudebestand erreicht werden.
Es setzt sich langsam die Erkenntnis durch, dass sich an den richtigen Stellen auch mit niedrigem Kostenaufwand beträchtliche
Energieeinsparungen erzielen lassen.