Klimaschutz und bezahlbares Wohnen miteinander vereinen – immer schärfere Energieanforderungen für Wohngebäude sind unsozial
„Moment mal!“: Der Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland spricht Klartext
Der Mangel an bezahlbaren Wohnungen in Deutschlands Ballungsregionen nimmt immer größere Ausmaße an, die anhaltende Zuwanderung nach Deutschland verschärft die Situation weiter. Und was tut der Bund in punkto Wohnen und Bauen? Er verteuert es weiter. Die geplante Verschärfung der Energieeinsparverordnung (EnEV) im Neubau steht nicht nur im Widerspruch zu den zahlreichen erfolgsversprechenden Ergebnissen des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen. Die Bestrebungen sind angesichts der Ausnahmesituation auf vielen Wohnungsmärkten mit Blick auf die Mieter unverantwortlich und unsozial.
Mit dem Bündnisbericht wurde im Bundeskabinett beschlossen, alle Gesetze und Verordnungen künftig speziell in Bezug auf die Auswirkungen auf die Wohnkosten zu prüfen. Bei der neuen EnEV scheint dieser Grundsatz komplett missachtet zu werden. Statt des benötigten Neuaufschlags bei der Energieeinsparung im Gebäudebereich zu Gunsten von neuen bezahlbaren Lösungen wird hier die bisherige Systematik der bisherigen EnEV einfach weitergeführt.
Den Niedrigstenergiestandard KfW 55 für Mehrfamilienhäuser festzulegen, kann in der Praxis nicht funktionieren. Bislang wird dieser Standard noch gefördert, weil er unwirtschaftlich ist, morgen schon soll er eine Neubauanforderung ohne Förderung sein. Seine Umsetzung wäre im Vergleich zur möglichen Energieeinsparung viel zu teuer.
Um mit der Energieeffizienz im Gebäudebereich wirklich weiterzukommen, ist insbesondere Technologieoffenheit notwendig. Entgegen der Aussagen der beiden federführenden Ministerien, ist diese aber bei den EnEV-Plänen nicht gegeben. In dem zugrundeliegenden Gutachten wird eine Wirtschaftlichkeit hoher Energiestandards durch viel zu hohe Gaspreise, zu niedrige Zinssätze und viel zu lange Amortisationszeiten herbeigerechnet. Es darf nicht sein, dass bestimmte Industrien hier profitieren. Klimaschutz muss zum Vorteil der gesamten Gesellschaft sein.
Als grundlegende Erkenntnis muss sich endlich durchsetzen, dass nicht jede in einem Gebäude theoretisch denkbare Einsparung auch praktisch umsetzbar ist. Wir wissen, dass pauschal errechnete Einsparungen in neu errichteten Wohngebäuden in der Realität meist nicht eintreten. Diese Lücke vergrößert sich mit zunehmenden Ansprüchen. Neben der Wahrung des Wirtschaftlichkeitsgebotes bei allen ordnungsrechtlichen Anforderungen ist auch eine Umstellung der Systematik der Energieeinsparungen auf CO2-Emissionen notwendig. Immer schärfere Anforderungen helfen nicht. Das Hauptaugenmerk auf CO2-Emissionen zu legen, verstärkt die Anreizwirkung für Klimaschutzmaßnahmen und führt zu einer ganzheitlichen Betrachtung der Ziele der Energiewende wie Effizienz, erneuerbare Energien und CO2-Minderung. Darüber hinaus müssen Wohnquartiere einbezogen werden.
Die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft bekennt sich zu den Klimazielen der Bundesregierung. Diese können aber nur erreicht werden, wenn alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit berücksichtigt werden. Neben der Ökonomie und der Ökologie sind das auch die sozialen Aspekte.
Deutliche Kritik an den EnEV-Plänen haben auch die Länderbauminister geübt. Bei der Sonderbauministerkonferenz im April wurde ein klares Zeichen gesetzt, dass die beiden beteiligten Bundesministerien hier auf dem Holzweg sind. Inhalte des Wirtschaftlichkeitsgutachtens wurden ohne Beteiligung der Länder und der wohnungswirtschaftlichen Akteure als Grundlage für einen Gesetzentwurf genommen, der innerhalb kürzester Zeit verabschiedet werden sollte. Mit einer praxisgerechten und fairen politischen Strategiefindung hat dieses Vorgehen nichts zu tun. Wenn Wohnungsbau und Klimaschutz auch in Zukunft miteinander vereinbar sein sollen, brauchen wir ein Zusammenwirken aller Akteure auf allen Ebenen, mit einem gemeinsamen, klar definierten Ziel vor Augen: Mehr Klimaschutz ja, aber er muss für Vermieter und Mieter bezahlbar sein.