Intelligent lüften mit Sensorsteuerung

Bei der energetischen Sanierung oder dem energieeffizienten Neubau von Wohngebäuden sind Lüftungsanlagen unter dem Aspekt des Bautenschutzes unverzichtbar. Ein dezentrales Frischluftsystem mit sensorgesteuerter Bedarfsführung bietet eine technisch ausgefeilte Lösung für ein optimales Raumklima und Bestwerte bei der Wärmerückgewinnung.

Lüftungshinweise für Mieter sind Bestandteile vieler Mietverträge. Doch mit den Anforderungen der EnEV an eine energieeffiziente Bauweise mit luftdichter Gebäudehülle kommt die Fensterlüftung an ihre Grenzen, zumal damit viel Wärme verloren geht. Moderne dezentrale Lüftungssysteme gewährleisten nutzerunabhängig eine Luftfeuchtigkeit im optimalen Bereich und tragen erheblich zur Einsparung von Heizenergie bei.

Für den Greifswalder Architekten Eckehard Bürger ist klar, dass eine energetische Sanierung oder ein energieeffizienter Neubau nur mit einem solchen Lüftungssystem sinnvoll sind. Die Lüftung energieeffizienter Gebäude sei lange Zeit ein Problem gewesen. „Anfangs wurde das noch so gehandhabt, dass über die Abluft in den fensterlosen Innenbädern die warme Luft abgesaugt wurde.“ Damit war die Energie einfach verloren, das konnte nicht die Lösung sein. Zusätzlich häuften sich die behördlichen Auflagen bei Standorten mit hoher Schallemission mit der Forderung nach mechanischer Lüftung. „Wir haben uns dann auf die Suche nach Alternativen gemacht und verschiedene Lüftungssysteme verglichen.“ Dabei sei man auf das „freeAir 100“ von der Firma bluMartin gestoßen.

Dieses dezentrale System zählt technisch zu den Vorreitern bei der kontrollierten Wohnraumlüftung. Es basiert auf einem Gegenstrom-Wärmetauscher. Insgesamt 8 Sensoren erfassen Temperaturen, Luftfeuchtigkeiten und CO2-Gehalt und regeln den Zustrom an frischer Luft sowie die Abluft automatisch und exakt nach Bedarf. Durch die Sensorsteuerung liegt die relative Luftfeuchte bei allen ausgewerteten Wohnungen stets zwischen 30 % und 60 %. Mit diesem Feuchtemanagement wird den Anforderungen der DIN 1946-6 zum Feuchteschutz entsprochen.

Wärmerückgewinnung von über 90 %

Auch das bei Niedrigenergie- und Passivhäusern häufig auftretende Problem zu trockener Raumluft in den Wintermonaten ist gelöst. Gegenüber Geräten mit Enthalpie-Wärmetauscher und Feuchterückgewinnung bietet dieses System den Vorteil, dass es mit einer faktischen Wärmerückgewinnung von über 90 % um 5-10 % energieeffizienter ist. Auf Grund seiner Energieeffizienz wurde es als weltweit erstes dezentrales Lüftungssystem für Passivhäuser zertifiziert und erhält nach der ab 1. Januar 2016 gültige EU-Ökodesign-Richtlinie die Bestnote A+. Die Anforderungen der EnEV 2014 werden weit übererfüllt. In Deutschland entfallen zwei Drittel des Energieverbrauchs eines privaten Haushaltes auf die Raumwärme. Dieser Anteil kann mit der neuen Lüftungstechnik erheblich gesenkt werden.

Eckehard Bürger plant und betreut als Architekt größere Wohnbauten und schätzt neben der Energieeffizienz die Möglichkeit, anders als bei anderen dezentralen Systemen bis zu vier weitere Räume an das Lüftungsgerät anschließen zu können. Er baute es zunächst in seinem eigenen Büro ein und war mit dem Ergebnis zufrieden: „Der Einbau hat gut funktioniert, das Gerät läuft einwandfrei und die Feuchtekontrolle ist ein echtes Plus.“ Mit dem Wohngebäude an der Friedrich-Loeffler-Straße in Greifswald hat er dann das erste große Objekt für 81 Wohnungen mit dem „freeAir 100“ geplant.

„Das war für uns Neuland“, sagt Bürger, „aber wir haben gemeinsam mit dem Hersteller Lösungen für die Installation entwickelt. Inzwischen planen wir ein weiteres viergeschossiges Wohnhaus mit diesen dezentralen Lüftungsgeräten.“ Der Einbau gestaltet sich sowohl bei der Sanierung im Bestand als auch beim Neubau unkompliziert. Das dezentrale Außenwandgerät kommt gegenüber einem zentralen Lüftungssystem mit weniger Lüftungsleitungen aus und benötigt lediglich einen Stromanschluss. Die Planungs- und Installationskosten sind dadurch überschaubar. Separate Abluftsysteme für fensterlose Bäder sind nicht erforderlich.

Lüftungssystem ist unabhängig von der Heizungsanlage

Hinzu kommt, dass das Lüftungssystem unabhängig von der jeweiligen Heizungsanlage ist. Der Hersteller bluMartin verfügt über langjährige Erfahrungen im Geschosswohnungsbau und hat unterschiedliche Einbaulösungen entwickelt. So kann der Lüftungsauslass dezent in der Fensterlaibung untergebracht werden. Bei Filigrandecken können die Lüftungsleitungen auf dem Deckenspiegel montiert werden, anschließend wird die Oberbewehrung verlegt und betoniert. Beim Bau mit Betonfertigteilen besteht die Möglichkeit, das Lüftungssystem bereits vorab einzugießen und dann auf der Baustelle direkt mit zu verbauen.

Letztlich geht es auch immer darum, individuelle Lösungen für das geplante Objekt zu entwickeln. Bei der energetischen Sanierung der Wohnanlage „Neue Hofgärten“ in Ludwigshafen kam es darauf an, den Anforderungen des Denkmalschutzes Rechnung zu tragen. Die 254 Wohneinheiten wurden 1920 von der BASF als Werkswohnungen für Mitarbeiter errichtet.

Das Lüftungssystem „freeAir 100“ wurde so eingebaut, dass sich die Außenhauben und Innenabdeckungen der Geräte behutsam dem denkmalgeschützten Charakter des Wohnkomplexes anpassen. Im Jahr 2013 wurde die Wohnanlage für die gelungene Sanierung mit dem „PROM des Jahres“ ausgezeichnet, einem von der RWE Energiedienstleistungen GmbH verliehenen Preis für vorbildliche Energieeffizienz, Nachhaltigkeit und soziale Integration im Immobilienbereich.

Dem Nutzerverhalten angepasst

Für die Bewohner liegt der Vorteil eines solchen dezentralen Systems darin, dass die Belüftung durch die sensorgesteuerte Bedarfsführung individuell für jede Wohneinheit an das jeweilige Nutzerverhalten angepasst wird. Unabhängig von der Fensterlüftung werden die Räume kontinuierlich mit sauberer, pollenfreier Luft versorgt. Die Luft ist weder zu trocken noch zu feucht, was für das Wohlbefinden von entscheidender Bedeutung ist. Durch seine schalldämmenden Eigenschaften sichert der Lüfter gerade auch an vielbefahrenen Straßen einen ruhigen Schlaf.

Im Sommer nutzt das Gerät die Nachtluft, um die Innenräume zu kühlen. Die Bedienung ist einfach und der Energieverbrauch liegt im Durchschnitt bei lediglich 4 W. Die daraus resultierenden Stromkosten von ca. 70 Cent pro Monat machen sich durch ein Vielfaches an Einsparungen bei den Heizkosten bezahlt. Denn das Verhältnis von eingesetzter zu zurückgewonnener Energie liegt bei 1:30 bis 1:50 und ist damit deutlich günstiger als beispielsweise bei Wärmepumpensystemen. Die Software „freeAir Connect“ liefert Mietern wie Vermietern eine schnelle Übersicht über den Feuchtegehalt, die Wärmerückgewinnung und den Energieverbrauch im Zeitverlauf.

Die Idee zu diesem Lüftungssystem hatte der Ingenieur Bernhard Martin auf Grund seiner Erfahrungen mit der zentralen Lüftungsanlage in seinem 2003 in Passivbauweise errichteten Bürogebäude. Schnell stellte er damals fest, dass die Lüftungsanlage zwar gute Werte bei der Energieeinsparung ermöglichte, das Raumklima aber nicht optimal war. Die Luftfeuchtigkeit sank im Winter auf 13 % und lag damit weit unter dem Behaglichkeitsbereich. Auch fehlte es an der Möglichkeit, individuelle Raumtemperaturen einzustellen.

Moderne dezentrale Lüftungssysteme gewährleisten nutzerunabhängig eine Luftfeuchtigkeit im optimalen Bereich und tragen erheblich zur Einsparung von Heizenergie bei.

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