Modernisiert – aber mit Herz

Die Hamburger Wohnungsgenossenschaft von 1904 e.G. investiert seit Jahren in die energetische Aufwertung ihrer Bestandsbauten. Und verliert dabei die Steigerung der Lebensqualität ihrer Mitglieder und des Quartierflairs nie aus dem Auge. Das hat Prinzip, wie die jüngsten umfassenden Sanierungsmaßnahmen an einer ihrer ältesten Wohnanlage in Hamburg-Eimsbüttel zeigen.

Attraktiver Wohnraum, zentral in der Großstadt, in einem sehr beliebten Stadtteil, zur Hälfte der ortsüblichen Mieten? In einem Klinkergebäude von 1927, das nach der energetischen Sanierung nichts von seiner Ausstrahlung eingebüßt hat? Sogar gewonnen hat – weil im Zuge der Modernisierung zudem greifbarer Mehrwert für die Nachbarschaft geschaffen wurde? Was klingt wie die Quadratur des Kreises, ist in Hamburg-Eimsbüttel für 168 Mitglieder der Wohnungsgenossenschaft von 1904 seit diesem Jahr Realität. Mit rund 8,5 Mio. € hat die Genossenschaft den Komplex an der Gustav-Falke-Straße, der sich über drei Straßenzüge erstreckt, saniert. Mit einem besonderen, für „die 1904“ typischen, doppelten Schwerpunkt: Jede technische Optimierung des Wohnstandards wird verbunden mit einer Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität für die Mitglieder. Dahinter steckt eine traditionsreiche genossenschaftliche Idee, die auch wirtschaftlich funktioniert – und das seit nunmehr ­108 Jahren.

 

Wohnen als partnerschaftliches Projekt

„Jedem eine gesunde, von Luft und Sonne durchflutete Wohnung“ war das Credo der Gründungsväter, die „die 1904“ im selben Jahr aus der Taufe hoben. Aus der Not heraus: Zwischen 1875 und 1900 war die Zahl der Hamburger explosionsartig von 265 000 auf 706 000 Einwohner angewachsen. Wohnraum, zudem hygienisch vertretbarer und bezahlbarer, war rar. Die Genossenschaft gewann aufgrund der schwierigen Wohnverhältnisse in Hamburg rasch Mitglieder. 1908 bereits war das erste Haus mit 59 Wohnun­gen bezugsfertig, 1935 wurde das 100. Haus der Wohnungsgenossenschaft übergeben und heute sind 3 478 Wohnungen im Besitz „der 1904“. Das heißt immer auch: im Besitz der heute rund 4 200 Genossenschaftsmitglieder. Alle Mitglieder sind Anteilseigner der Genossenschaft und damit Eigentümer und haben somit die Möglichkeit, in ihrer Genossenschaft mitzuwirken. Ein partnerschaftliches Miteinander gehört ebenso dazu wie die Ausgestaltung des Wohnraums unter gesellschaftlichen und sozialen Gesichtspunkten. In welchen Details sich dies konkret auswirkt, zeigt die Sanierung der in der Gustav-Falke-Straße, Helene-Lange-Straße und Schlankreye gelegenen Wohnanlage exemplarisch.

Energieeffizient – attraktiv authentisch

Hauptmaßnahme der energetischen Modernisierung waren die außenseitige Dämmung der Klinkerfassade der Straßenansichten, der verputzten Hofansichten, eine Kellerdecken- und Dachdämmung und der Austausch der Türen und Fenster. Die letzte Sanierung war in den 1960er-Jahren erfolgt. Die Genossenschaft, die auch viel Wert auf die Backsteinoptik in Hamburg legt, präsentierte der Stadtplanung einen Entwurf, in dem die Fassadenoptik nach dem historischen Zustand von 1927 mit allen Besonderheiten wieder hergestellt wurde. Die Bauherrin setzte dies sorgfältig und in einer Wertigkeit weit über dem Durchschnitt um. So wurden die Türen nach historischen Vorbildern rekonstruiert und rund 700 neue, dreiflügelige Fenster mit Sprossen eingebaut, die den Stilbruch der typischen 1960er-Jahre Fenster mit ihrer ein Drittel / zwei Drittel Teilung korrigierten – natürlich mit zeitgemäßen Lärmschutz- und Dämmwerten. Noch mehr Engagement investierte die Wohnungsgenossenschaft in die Gestaltung der rund 9 000 m2 Fassadenfläche.

 

Feine Fassaden-Rekonstruktion

Straßenseitig wurden die bestehenden rund 3 500 m2 Backsteinfassade mit einem Brillux WDV-System gedämmt – einem, das sich für die anschließende Verblendung mit Klinkerriemchen besonders eignet. Ihr charakteristisches Gesicht erhielt die Gebäudehülle danach durch einige Sonderanfertigungen zurück. Für die Rekonstruktion des Klinkers entwickelte „die 1904“ in Zusammenarbeit mit Crinitz-Keramik eine Sondersortierung keramischer Beläge, die den Namen des Bauvorhabens erhielt: Helene-Lange-Straße. Und: die verspringenden Steinlagen, die die an sich schlichte Fassade eindrücklich strukturieren, wurden ebenfalls mit einer bauaufsichtlich zugelassenen Spezialentwicklung rekonstruiert, den sogenannten ZP-Steinen. Hier wird die größere Stärke des unteren Steinteils durch die größere Grundfläche des Gesamtsteins aufgefangen. Im Ergebnis lastet so eine ähnliche Zugkraft auf dem Wärmedämm-Verbundsystem wie bei den standardisierten, maximal 1,5 cm starken keramischen Belägen. Auch die Gesimsprofile und Faschen im Erdgeschoss wurden rekonstruiert. Gleich mit eingebaut wurden zwei Schutzmaßnahmen: Die Abschrägung der Gesimse wirkt als Taubenschutz und die Anti-Graffiti-Beschichtung des Erdgeschosses beugt lästigen Instandhaltungsmaßnahmen vor. Die neuen Vorstellbalkone sind thermisch entkoppelt und zeigen sich in einem Design, das sich an den für die Klinkerarchitektur in Hamburg typischen verspringenden Mauerwerksschichten orientiert. Die Wohnungsgenossenschaft ließ diese Balkone ursprünglich für ein anderes Projekt entwickeln. In­zwischen stellt das Design einen wichtigen Teil der corporate-architecture der Bauherrin dar.

 

Hinterhof – aber einladend

Traditionell präsentieren sich Hamburger Klinkerbauten auf ihrer Gartenseite schlichter, oft als eine zurückhaltende Putzgestaltung wie in der Gustav-Falke-Straße. Auf dem Brillux WDV-System wurde hier Rausan Oberputz verarbeitet und mit Silicon-Fassadenfarbe 918 in Protect-Ausrüstung beschichtet. Dieser Aufbau gewährleistet neben optimaler Wetter- und Schlagfestigkeit auch größtmöglichen Schutz gegen Schmutz und die Veralgung. Ein auf drei dezenten Tönen basierendes Farbkonzept aus dem Brillux Farbstudio Hamburg arbeitet die auf der Dämmung wiederhergestellte Fassadenprofile aus Bändern und geometrischen Reliefs wieder fein heraus. Eine unaufdringlich warme Kulisse ist so für den Hof entstanden, dessen Lebensqualität durch die Sanierung ebenfalls verbessert wurde. Neue Vorstellbalkone verbessern die Wohnqualität der Mitglieder und setzen mit ihren roten Lochblechen fröhliche Akzente. Die frisch gestalteten Mietergärten, hochwertig mit Granit eingefasst, runden das Bild ab.

 

Gemeinschaft, die gut ankommt

Rund ein Jahr dauerten die Sanierungsmaßnahmen, während deren noch zwei Gemeinschaftsprojekte verwirklicht wurden. Die Wohnanlage erhält eine sehr großzügige Gartenanlage, die für alle Bewohner der Wohnanlage nutzbar gemacht wird. Auch hier spielt der Gemeinschaftsgedanke und das Wohlfühlen der Mitglieder eine große Rolle. Außerdem richtete die Wohnungsgenossenschaft im Gebäude eine Gästewohnung ein. Sie ist voll ausgestattet und kann von Mitgliedern z. B. dazu genutzt werden, Besuch günstiger als im Hotel unterzubringen. Die Mitglieder der 168 Zwei- bis Vierzimmer-Wohnungen einschließlich einer sechsköpfigen Behinderten-Wohngruppe, die in die Nachbarschaft integriert ist, und der drei Gewerbeeinheiten schätzen den neuen energetischen Komfort und die noch größere Attraktivität ihres Zuhauses genauso wie Noch-nicht-Mieter: Die Warteliste für die Wohnanlage wurde bereits geschlossen, weil sich über 200 Interessenten für die Immobilie anmeldeten.

Jede technische Optimierung des Wohnstandards wird verbunden mit einer Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität für die Mitglieder.

Die neuen Vorstellbalkone sind thermisch entkoppelt und zeigen sich in einem Design, das sich an den für die Klinkerarchitektur in Hamburg typischen verspringenden Mauerwerksschichten orientiert.

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