Präqualifikation von Bauunternehmen

In einer Serie mit dem BMUB präsentieren wir Aktuelles aus der Bauforschung. In Teil 11 geht es um die Weiterentwicklung des PQ-Systems.

Öffentliche Bauaufträge werden nach § 2 Abs.1 Nr. 1 VOB/A an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen vergeben. Zum Nachweis der Eignung hat der öffentliche Auftraggeber vor der Auftragsvergabe das Unternehmen auf die Einhaltung dieser Merkmale zu prüfen, vgl. § 6 Abs. 3 Nr.1 VOB/A. Diesen Nachweis können Bewerber durch Einzelnachweis oder durch Präqualifikation führen. Bei der Präqualifikation (PQ) handelt es sich um die auftragsunabhängige, vorweggenommene Prüfung der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Unternehmens durch private Zertifizierungsstellen (PQ-Stellen). Sie ersetzt die ansonsten erforderliche Einzelfallprüfung bei der Vergabe des konkreten Auftrags. Präqualifizierte Bauunternehmen können den Eignungsnachweis mit der vom Auftraggeber direkt abrufbaren Eintragung in die allgemein zugängliche Liste des Vereins für die Präqualifikation von Bauunternehmen e.V. (Präqualifikationsverzeichnis) erbringen, § 6 Abs. 3 Nr. 2 VOB/A. Öffentliche Auftraggeber können nach Erwerb einer Zugangsberechtigung alle im System hinterlegten Eignungsnachweise online einsehen.

Das System hat sich inzwischen weitgehend etabliert. Es haben sich bisher mehr als 8600 Unternehmen des Bauhaupt- und Baunebengewerbes präqualifizieren lassen, knapp 6.000 Vergabestellen haben eine Zugangsberechtigung zum PQ-System. Nach achtjähriger Praxis des PQ-Systems sollten mit dem Forschungsprojekt „Evaluation des PQ-Systems“ das Präqualifikationsverfahren auf breiter Ebene analysiert, Verbesserungsmöglichkeiten identifiziert sowie juristische Fragestellungen im Zusammenhang mit der Präqualifikation beantwortet werden.

Das im Rahmen des Forschungsprogramms „Zukunft Bau“ durchgeführte Forschungsprojekt wurde bearbeitet von Prof. Dr. Ralf-Peter Oepen, BWI-Bau GmbH – Institut der Bauwirtschaft, Düsseldorf, Projektlaufzeit 27.09. 2013 bis 15.02.2015.

Ausgewählte Ergebnisse des Forschungsberichts

Der Forschungsnehmer führt aus, dass sich mit über 90 % Anteil vor allem mittlere und größere Unternehmen ab mindestens 1 Mio. € Jahresumsatz präqualifizieren lassen; Kleine Unternehmen sind mit unter 10 % stark unterrepräsentiert. Allerdings ist hier darauf hinzuweisen, dass dies deutlich der internen Statistik des PQ-Vereins widerspricht, nach der immerhin knapp 28 % der präqualifizierten Unternehmen maximal 10 Mitarbeiter haben; über 51 % der präqualifizierten Unternehmen gehören danach zu den kleineren „mittleren“ Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitern. Möglicherweise ist diese Diskrepanz darauf zurückzuführen, dass sich kleinere Unternehmen aufgrund ihrer geringeren Kapazitäten nur unterrepräsentiert an der Befragung beteiligt haben.

Den bisher 8.600 präqualifizierten Unternehmen steht – ausgehend von der Umsatzsteuerpflicht – ein theoretisches Potenzial von ca. 390.000 Bauunternehmen gegenüber. Unter Berücksichtigung eines Anteils der Öffentlichen Bauinvestitionen von rd. 12 % ergäbe sich rechnerisch ein Potenzial von knapp 47.000 Unternehmen; davon schätzt der Forschungsnehmer zunächst ein Potenzial von 20.000 bis 30.000 Bauunternehmen, die für eine PQ in Frage kommen.

In qualitativer Hinsicht ist zunächst festzuhalten, dass mehr als dreiviertel aller präqualifizierten Unternehmen die PQ trotz einzelner Kritikpunkte weiterempfehlen würden. Sie verbinden mit der PQ in starkem Maße positive Attribute: Zumeist zwischen 70 und 80 % der präqualifizierten Unternehmen halten sich und ihre präqualifizierten Kollegen für zuverlässig, geprüft, geeignet, fachkundig und bewährt. Für über 60 % der präqualifizierten Unternehmen ist die PQ auch ein Gütezeichen. Dem entspricht die Feststellung, dass 87 % der präqualifizierten Teilnehmer die PQ für das eigene Unternehmen als sinnvoll und notwendig ansehen (siehe Grafik 1 und 2).

Immerhin 79 % der präqualifizierten Unternehmen halten den Aufwand zur Erlangung der PQ im Vergleich zum individuellen Zu­­sammenstellen von Einzelnachweisen für gering oder zumindest akzeptabel.

Dabei sind noch nicht einmal alle präqualifizierten Unternehmen vollständig über die Vorteile der PQ unterrichtet: so ist 40 % der Unternehmen unbekannt, dass gemäß § 28e Abs. 3 SGB IV für den präqualifizierten Hauptunternehmer die Haftung für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag des von ihm eingesetzten Nachunternehmers entfällt. 27 % der präqualifizierten Bauunternehmen ist nicht bewusst, dass auch private Auftraggeber den öffentlichen Teil der PQ-Liste nutzen können, wenn sie auf der Suche nach Bauunternehmen sind. So lassen sich bspw. im Umkreis von 50 km (oder mehr) alle präqualifizierten Unternehmen für einen Leistungsbereich herausfiltern.

64 % der Unternehmen gaben an, dass bei Ausschreibungen Öffentlicher Auftraggeber weitere Nachweise verlangt werden, so spezifische Gütezeichen wie Managementzertifizierungen oder RAL-Gütezeichen oder Tariftreueerklärungen. Hierbei handelt es sich nach Aussagen der Teilnehmer nicht nur um ergänzende Nachweise, wie sie aufgrund der komplexen Anforderungen an ein Bauwerk, z.B. schwierige Brückenbauwerke, notwendigerweise einzufordern sind, sondern oft auch um die Vorlage von Nachweisen, die bereits Bestandteil der PQ sind.

Viele Unternehmen beklagen, dass auf kommunaler Ebene die PQ nur unzureichend genutzt werde. Im ausbaugewerblichen Bereich, in dem ein großer Anteil der präqualifizierten Unternehmen tätig ist, gehen viele öffentliche Aufträge an nicht präqualifizierte Unternehmen, da hier immer noch der größere Anteil an Unternehmen nicht präqualifiziert ist. Der Forschungsnehmer kommt deshalb zu dem Ergebnis, dass insbesondere an diese Auftraggebergruppe gezielte Öffentlichkeitsarbeit zu richten ist.

Demgegenüber fällt die Kritik an den Kosten der PQ nicht so sehr ins Gewicht. Natürlich wünschen sich Unternehmen eine geringere oder gar keine Kostenbelastung durch die PQ: von den nicht präqualifizierten Unternehmen würden sich immerhin 37 % präqualifizieren lassen, wenn die PQ kostenlos wäre (siehe Grafik 3).

Allerdings spielen die Kosten ganz überwiegend keine ausschlaggebende Rolle, wenn es um die Aufrechterhaltung der PQ geht: für 95 % der präqualifizierten Unternehmen sind die Kosten hierbei allein nicht ausschlaggebend, immerhin 49 % halten die Kosten insgesamt für akzeptabel.

Von den Vergabestellen bescheinigen 78 % dem PQ-System, dass es eine Arbeitserleichterung gebracht hat. Jedoch sind nur 65% der teilnehmenden Vergabestellen mit der Qualität der angebotenen Informationen zufrieden. Kritisch wird insbesondere die Verlässlichkeit der Referenzen und Eigenerklärungen sowie die Aktualität der Unterlagen beurteilt.

Ergänzt werden die Befragungsergebnisse durch die rechtsgutachterliche Stellungnahme der Rechtsanwaltskanzlei Kapellmann und Partner zu Fragen nach der rechtlichen Unterscheidung zwischen dem PQ-System und ähnlichen Systemen, der Präqualifikation von handelsrechtlich selbständigen Niederlassungen sowie der Zulässigkeit weiterer Nachweisverlangen von präqualifizierten Unternehmen auf der Grundlage von Tariftreuegesetzen.

Ausblick

Die Ergebnisse des Forschungsprojektes werden dem Vorstand des PQ-Vereins zugänglich gemacht; es bleibt abzuwarten, welche der angeführten Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge er aufgreifen wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bis Ende April 2016 die neue EU-Vergaberichtlinie 2014/24/EU vom 14.02.2014 in nationales Recht umzusetzen ist. Hier dürfte insbesondere die „Einheitliche Europäische Eigenerklärung“ Auswirkungen auf das PQ-System haben.

Den vollständigen Forschungsbericht gibt es demnächst auf den Internetseiten des BBSR unter „BBSR-Programme-Zukunft Bau-Antragsforschung-Rahmenbedingungen-abgeschlossene Projekte“.

RD Michael AlvermannBundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung
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