Und eine warme Herbstmelodie entfaltet sich
Die Zukunft des Bauens ist ökologisch und steigert Lebensqualität. Im Freiburger Stadtteil Vauban hat diese Zukunft schon vor über 20 Jahren begonnen. Den weithin sichtbaren Auftakt zum Vorzeigequartier bildet heute ein Stadthaus-Ensemble, das 2017 als Schlussakkord des letzten Bauabschnitts gesetzt worden ist. Er tönt expressiv und gleichzeitig wohltuend. Wie ist das im Zusammenspiel von Gebäudegestalt und Gebäudesichtflächen gelungen?
Als die letzten französischen Militärkräfte im Jahr 1992 abzogen, entstand auf dem Gelände der ehemaligen Vauban-Kaserne in Freiburg im Breisgau auf 38 Hektar ein neuer Stadtteil für rund 6.000 Einwohner. Aber nicht irgendeiner: Mit teilweise autofreien Straßen, besonders energieeffizienten Gebäuden, einer extrem hohen Solardachdichte und einem modernen Nahwärmesystem wurde hier ökologisches Bauen im großen Maßstab verwirklicht.
Das letzte verfügbare Eckgrundstück, ein Hektar groß und prominent gelegen an der Ecke Merzhauser- und Wiesentalstraße, ging 2009 als Ergebnis eines Konzeptverfahrens der Stadt Freiburg an die Gisinger Gruppe. Der Freiburger Bauträger und Projektenwickler beauftragte das Büro Eble Messerschmidt Partner aus Tübingen für das Quartier „Freiburg V8 – die Stadtoase“, das ein städtebauliches Quartierskonzept mit kleinteiliger Parzellierung um zwei verbundene Wohnhöfe mit Stadthäusern in einer Mischung aus Investoren und Baugruppen vorgeschlagen hatte. „Aufgrund der prominenten Lage des Objektes am Eingang zum Vorzeigestadtteil Vauban bestanden anspruchsvolle Gestaltungsanforderungen, die mit besonderen handwerklichen Fähigkeiten ausgeführt worden sind“, erinnert sich Axel Späth, Geschäftsführer der Gisinger Schlüsselfertigbau GmbH.
Insgesamt fünf Architekten zeichnen für die zehn Häuser verantwortlich, die sich um einen grünen Innenbereich gruppieren. Der Entwurf für das letzte Ensemble aus zwei Stadthäusern am Quartiereingang – genannt V6 und V7 – kommt von Schaller Architekten aus Stuttgart: Die „auffallende Expressivität“ der Arbeit überzeugte die Jury des Wettbewerbs, der von der Stadt Freiburg und der Gisinger Gruppe ausgeschrieben worden war. Schaller Architekten konzipierten für den Stahlbeton-Skelettbau eine gefaltete Fassade mit eingestellten Zierelementen und auskragenden Stahlbetondecken.
Mit den Faltungen wird der Baukörper in sich und vor allem auch entgegen den streng linearen Straßenfluchten gegliedert. Das Ergebnis ist eine offene und beziehungsreiche Gebäudekubatur, die bei aller Eigenständigkeit mit der umgebenden Bebauung kommuniziert. „Mit dem krönenden Abschluss V6/V7 ist ‚Freiburg V8 – die Stadtoase‘ architektonisch genau das harmonische Quartier geworden, wie wir es uns vorgestellt haben“, sagt Andreas Sans, Projektleiter bei der Gisinger Gruppe.
Duett von Farbe und Architektur
Identität und Identifikation als wichtigste Wirkeigenschaften schreibt also schon der Entwurf dem Gebäudeensemble markant in seine DNA ein. Das Büro Eble Messerschmidt Partner mit der Ausführungsplanung beauftragt, vertiefte diese Idee vor allem mit ausdifferenzierten Fassadenfarbigkeiten. Entwickelt wurden sie von Barbara Eble-Graebener (Lasuveda Atelier für Farbgestaltung, Tübingen). Die Künstlerin ist seit 1982 auch als vielfach ausgezeichnete Architektur-Farbgestalterin tätig und hatte bereits das gesamte Farbkonzept für das Quartier „Freiburg V8 – die Stadtoase“ entwickelt. „Für mich ist es wichtig, dass Menschen beim Blick aus dem Fenster Freude erleben“, sagt Barbara Eble-Graebener und ergänzt: „Farbe ist für mich Energie, und das möchte ich weitergeben in einer Form, die nicht schrill ist, sondern harmonisch bleibt.“
Für die Putzflächen des sechsstöckigen Turms (V6) mit seinen Büroflächen und der fünf Geschosse des lang gestreckten Wohn- und Gewerbegebäudes (V7) komponierte Barbara Eble-Graebener Farbabfolgen aus jeweils drei unterschiedlich dunklen und hellen Brauntönen. Sie rhythmisieren große Flächen zusätzlich und stehen ansonsten, das ist die große Linie, im ständigen unterstützenden Dialog mit den Faltungen des Baukörpers, indem sie diese als Farbfelder wiederholen: „Die Farbfolgen dürfen die Form der Architektur nicht stören“, erläutert Barbara Eble-Graebener. „Deshalb habe ich bei der Farbauswahl auch auf geringe Kontraste gesetzt.“
Besonders bemerkenswert ist die enorm warme, fast gewichtslose Strahlkraft der gewählten Brauntöne. Kein Wunder, wenn man die Inspiration der Farbgestalterin kennt. Es war und ist „der goldene Herbst“, aus dessen Lichtfarben die Körperfarben des Ensembles in melodischen Takten entstanden sind.
Enwurf stellt Beziehungen her
Berührungspunkte schafft das Farbkonzept auch unter den Quartiersgebäuden: Jeweils ein prägender Putz- oder Materialfarbton springt auf den benachbarten Bau über. Und noch eine weitere Besonderheit fällt bei dem Gebäudeensemble V6/V7 ins Auge: Eingestellte Elemente – vornehmlich polygonal gestaltete Metallornamente zur Straße hin und Holzlattungen auf der Innenhofseite – bilden eine zweite Fassadenhaut. „Ihre Ausformung und ihre Farbigkeiten sind von Vegetation inspiriert und addieren eine organische Wirkung hinzu – nicht ohne die scharfen Winkel des Gebäudes wiederum in sich aufzunehmen“, beschreibt Barbara Eble-Graebener das Gestaltungsprinzip.
Die Holzelemente wurden mit einer innovativen mineralischen Farbbeschichtung versehen, die das Thema der restlichen Farbtöne aufnimmt. Dabei wirken die Elemente nicht nur nach außen, sondern auch nach innen: Das Lichtspiel, das die Elemente projizieren, fällt in die Räume hinein und sensibilisiert, so Eble-Graebener, beispielsweise „Menschen, die in den Büros und Konferenzzimmern an abstrakten Themen arbeiten“ und soll diese auf subtile Art positiv ansprechen.
Umsetzung mit hohen Detailanforderungen
Für jede einzelne Fassadenfarbe hat Barbara Eble-Graebener den genauen Farbton entwickelt. Sie wurden für das Gebäude V7 an der Merzhauser Straße 146 nuancengenau über das Brillux Farbsystem in Evocryl 200 abgetönt. Diese organisch gebundene, matte Außendispersion erwies sich nicht nur aufgrund ihres großen Farbtonspektrums, sondern auch wegen weiterer günstiger Eigenschaften an diesem Standort als ideale Fassadenfarbe: Die hoch wetterbeständige und verschmutzungsunempfindliche Beschichtung steht gerade in innerstädtischen Bereichen für eine dauerhafte Ästhetik.
Auf Grundlage derAusführungsplanung und der Details von Eble Messerschmidt Partner wurde das Farbkonzept vom Handwerksbetrieb B. Sope Putz-Stuck-Trockenbau aus Schallstadt realisiert, für den das Objekt alles andere als Standard war: „Allein für den Fassadenstrich waren wir mit fünf bis zehn Mann zwei Wochen lang vor Ort“, erinnert sich Bekri Sope, Geschäftsführer des Betriebs. Farbfeld für Farbfeld wurde sorgfältig abgeklebt und mit der Walze beschichtet. Doch das waren allein die Schlussarbeiten. Zuvor war bereits beim Dämmen und Verputzen von rund 1.000 Quadratmetern Fläche – auf Stahlbeton-, Trockenbaupaneel- und KS-Mauerwerk-Untergründen – Präzision gefragt.
„Besonders die Anschlüsse des Wärmedämm-Verbundsystems bei dieser gefalteten Fassade haben viele Detaillösungen erfordert und mussten sehr sauber ausgebildet werden“, so Bekri Sope. Gelungen ist die energieeffiziente Ausstattung mit zwei flexibel ausführbaren Brillux WDV-Systemen. Die EPS Prime Dämmplatten 3870 sowie die mineralischen MW Top Dämmplatten 3857 in unterschiedlichen Stärken wurden anschließend mit einem wasserabweisenden Kratzputz – Brillux Silicon-Putz KR K2 3649 – beschichtet. „Für uns als Handwerker sind gerade solch aufwendige Objekte eine spannende Herausforderung – und eine tolle Bestätigung, wenn sie wie in Freiburg gelingt“, blickt Bekri Sope zurück.
Die Gestaltung wirkt
Für alle Beteiligten – Gisinger Wohn- und Gewerbebau als Bauherrin, Schaller Architekten und das Büro Eble Messerschmidt Partner, für Barbara Eble-Graebener und das Team vom Handwerksbetrieb B. Sope – unterstrich der Gewinn des Brillux Design Awards 2019, wie sehr sich ihr Engagement ausgezahlt hat. „Das Gebäudeensemble besticht durch eine kreative, innovative und markante Gebäudegestaltung, die den besonderen Anforderungen der städtebaulich anspruchsvollen Entreé-Situation voll und ganz Rechnung trägt“, befand die Jury in ihrer Begründung für den Preis in der Kategorie „Energieeffiziente Fassadensysteme“.
Wie sehr die warme, einladende Gestaltung auch bei den Menschen vor Ort ankommt – dazu hat Barbara Eble-Graebener erst kürzlich eine erfreuliche Stimme gehört. Ein junger Freiburger fährt seit Bestehen der Gebäude extra einen Umweg auf seiner Fahrradtour zur Arbeit, um in den Genuss der Fassadenausstrahlung zu kommen, „denn hier scheint immer die Sonne“. Die Wirkung der gebauten Herbstmelodie scheint sich zu entfalten.
Identität und Identifikation als wichtigste Wirkeigenschaften schreibt schon der Entwurf dem Gebäudeensemble markant in seine DNA ein.
Besonders bemerkenswert ist die enorm warme, fast gewichtslose Strahlkraft der gewählten Brauntöne.
Einreichung zum Brillux Design Award 2021
Herausragende Gestaltungen an der Fassade und im Innenraum verdienen öffentliche Wahrnehmung. Der Brillux Design Award macht sie und ihre Urheber mit hochkarätigen Auszeichnungen sichtbar. Im Mai 2020 begann die Einreichungsphase für den Wettbewerb 2021.
Eingereicht werden können alle Objekte, die vom 1. Januar 2019 bis 31. Dezember 2020 mit Produkten von Brillux realisiert worden sind. Weitere Informationen und die Online-Teilnahmeunterlagen gibt es unter www.brillux.de/design-award
Bautafel
Freiburg V8 – die Stadtoase, Gebäude V7, Merzhauser Straße 146, 79100 Freiburg
Bauherr: Gisinger Wohn- und Gewerbebau GmbH, Freiburg
Planung: Schaller Architekten BDA Riba, Stuttgart
Eble Messerschmidt Partner Architekten und Stadtplaner PartGmbB, Tübingen
Farbentwurf: Barbara Eble-Graebener (Lasuveda Atelier für Farbgestaltung), Tübingen
Ausführung: B. Sope GmbH Putz-Stuck-Trockenbau, Schallstadt
Eingesetzte Brillux Produkte u. a.:
- WDV-Systeme EPS Prime und MW Top
- Silicon-Putz KR K2 3649
- Evocryl 200