Unternehmen drohen sich selbst auszubremsen
Der ehrenamtliche BFW-Präsident Andreas Ibel spricht Klartext
Bezahlbares Bauen ist derzeit das Thema Nummer eins in der Immobilienbranche. Jeden Tag stellen explodierende Grundstückskosten, steigende Steuern und Auflagen sowie ein wachsender Vorschriftendschungel die Unternehmen vor neue Herausforderungen.
Vor diesem Hintergrund scheint die Immobilienwirtschaft die Umsetzung der Digitalisierung auf die lange Bank zu schieben. Das ist das beunruhigende - und selbstkritische! - Fazit der Umfrage, die der BFW Bundesverband und der BFW-Digitalisierungsbeirat unter mittelständischen Immobilienunternehmen durchgeführt haben.
Abgesehen von einer kleinen Gruppe „Front-runner“ haben die meisten Unternehmen demnach erst digitale Grundlagen umgesetzt. Dabei fokussiert sich die Mehrheit vor allem darauf, interne Prozesse zu optimieren – etwa durch die Einführung von Dokumentenmanagementsystemen. Ein wichtiger und richtiger erster Schritt, dem jetzt aber viele weitere folgen müssen!
Starke Defizite haben die Immobilienunternehmen vor allem beim Aufbau von internem Know How. Laut den Befragten sind dabei die größten Hürden hohe Kosten, Zeitmangel und fehlendes qualifiziertes Personal. Trotzdem wollen 77% der Unternehmen derzeit keine zusätzlichen Mitarbeiter einstellen; 54% haben noch keinen Umsetzungsplan für die Digitalisierung. Auch die Budgets sehen nur geringe Investitionen in diesem Bereich vor. Kurzum: Die Unternehmen sagen Ja zur Digitalisierung, sie soll aber möglichst wenig Zeit, Mühe und Geld kosten.
Eine wahrlich paradoxe Situation: Ohne entsprechende Investitionen und qualifiziertes Personal kann schließlich gar kein Know How aufgebaut werden. Ohne dieses Fachwissen wiederum können die vorhandenen Potentiale gar nicht erst nicht erkannt und angepackt werden.
Auch das große Potenzial, das die Digitalisierung für das Entwickeln neuer Geschäftsmodelle bietet, wird von den meisten Unternehmen noch nicht erkannt. 70 % der Verwalter und Bestandshalter sowie 56 % der Bauträger und Projektentwickler rechnen nicht damit, neue Geschäftsfelder durch die Digitalisierung erschließen können.
Dabei bietet insbesondere die Digitalisierung am Gebäude Chancen, die aber von den meisten Unternehmen noch nicht in Gänze erkannt werden. Auch das ist paradox: Denn wo bereits Smart Home-Technologien umgesetzt werden, sind die Mehrwerte auch für die Unternehmen klar erkennbar.
Diese Widersprüche prägen die Umsetzung der Digitalisierung in den Immobilienunternehmen. Die Folge: Die Unternehmen drohen sich selbst auszubremsen. Denn je länger wir die notwendigen Investitionen aufschieben, umso größer werden Investitionskosten und –risiken.
Schließlich stellt die Digitalisierung die Immobilienwirtschaft vor tiefgreifende strukturelle Änderungen, die sich auf alle Bereiche auswirken werden. Auf diesem Weg gibt es für die Unternehmen keine Abkürzung und auch kein „one size fits all“: Jedes Unternehmen muss en detail für sich identifizieren, welche Maßnahmen und Schritte angegangen werden müssen.
Dabei empfehlen wir als Verband auch den Austausch mit anderen Immobilienunternehmen und anderen Branchen, die sich als digitale Vorreiter hervorgetan haben. Diese Erfahrung müssen wir nutzen! Vor allem aber brauchen wir eine neue Fehlerkultur und Mut zur Veränderung. Denn auch wenn die Nachfrage derzeit groß ist und andere Probleme dringlicher scheinen: Mittelfristig können wir Wettbewerbsnachteile nur vermeiden, wenn wir die Digitalisierung jetzt anpacken.
Die BFW-Umfrage „Digitalisierung in der mittelständischen Immobilienwirtschaft“ steht Ihnen auf unserer Internetseite www.bfw-bund.de zur Verfügung.