Urteile
Von einem Baum ausgehende Störungen bei Einhaltung landesrechtlicher Abstände
BGB § 906 Abs. 2 Satz 2, § 1004 Abs. 1; NRG BW § 16 Abs. 1 Nr. 4a i.V.m. Abs. 2 in der bis zum 11. Februar 2014 geltenden Fassung
a) Der Eigentümer eines Grundstücks ist hinsichtlich der von einem darauf befindlichen Baum (hier: Birken) ausgehenden natürlichen Immissionen auf benachbarte Grundstücke Störer i.S.d. § 1004 Abs. 1 BGB, wenn er sein Grundstück nicht ordnungsgemäß bewirtschaftet. Hieran fehlt es in aller Regel, wenn die für die Anpflanzung bestehenden landesrechtlichen Abstandsregelungen eingehalten sind.
b) Ein Anspruch auf Beseitigung des Baums lässt sich in diesem Fall regelmäßig auch nicht aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis herleiten.
Hält der Grundstückseigentümer die für die Anpflanzung bestehenden landesrechtlichen Abstandsregelungen ein, hat der Eigentümer des Nachbargrundstücks wegen der Beeinträchtigungen durch die von den Anpflanzungen ausgehenden natürlichen Immissionen weder einen Ausgleichsanspruch gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in unmittelbarer Anwendung noch einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 analog (Abgrenzung zu BGH Urteil vom 27. Oktober 2017 - V ZR 8/17, ZfIR 2018, 190).
BGH, Urteil vom 20. September 2019 - V ZR 218/18 - (LG Karlsruhe)
Zum Sachverhalt:
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke, die in Baden-Württemberg belegen und mit Wohnhäusern bebaut sind. Auf dem Grundstück des Beklagten stehen in einem Abstand von mindestens zwei Meter zu der Grenze drei ca. 18 Meter hohe, gesunde Birken. Wegen der von den Birken auf sein Grundstück ausgehenden Immissionen verlangt der Kläger mit dem Hauptantrag die Entfernung sämtlicher, hilfsweise der seinem Grundstück am nächsten stehenden Birke(n). Weiter hilfsweise beansprucht er eine monatliche Zahlung von jeweils 230 € in den Monaten Juni bis November eines jeden Jahres.
Das Amtsgericht hat die Klage mit allen Anträgen abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht dem Hauptantrag stattgegeben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, möchte der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen.
Unterlassungsanspruch gegen Mieter von Sondereigentum, Eisverkaufsstelle
BGB § 1004
a) Die Wohnungseigentümer haben gegen den Mieter einer Sondereigentumseinheit, der bei der Nutzung des Gemeinschaftseigentums gegen eine von den Eigentümern vereinbarte oder beschlossene Gebrauchsregelung verstößt, einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB.
b) Die Wohnungseigentümer haben gegen den Mieter einer Wohnungs- oder Teileigentumseinheit im Falle einer Nutzung, die der in der Teilungserklärung für diese Einheit getroffenen Zweckbestimmung widerspricht, einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB.
c) Die Nutzung einer Teileigentumseinheit als Eisverkaufsstelle (Eisdiele) mit Bestuhlung verstößt gegen eine in der Teilungserklärung enthaltene Zweckbestimmung, nach der die Einheit nur als „Laden“ genutzt werden darf; bei typisierender Betrachtung stört diese Nutzung jedenfalls dann mehr als eine Nutzung als Ladengeschäft, wenn Außenflächen in Anspruch genommen werden, sei es durch eine Außenbestuhlung oder durch den Verkauf nach außen.
BGH, Urteil vom 25. Oktober 2019 - V ZR 271/18 - (LG Frankfurt am Main)
Zum Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Der Beklagte zu 3 ist Mieter einer im Erdgeschoß gelegenen Teileigentumseinheit, die im Eigentum der am Revisionsverfahren nicht beteiligten Beklagten zu 1 und 2 steht. In einer in der notariellen Teilungserklärung enthaltenen Regelung über die Nutzung der Einheit wird diese als „Laden“ bezeichnet. Der Beklagte zu 3 (nachfolgend Beklagter) betreibt darin eine Eisverkaufsstelle, in der er neben Eis auch Kaffeespezialitäten und Erfrischungsgetränke anbietet. In den Räumlichkeiten und auf der Fläche davor stehen Stühle und Tische. Auf den Tischen liegen Speisekarten aus. Auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 1. November 2016 wurde der Beschluss gefasst, einen Rechtsanwalt mit der gerichtlichen Durchsetzung des Anspruchs auf Unterlassung der Nutzung der Teileigentumseinheit als Eisdiele zu beauftragen.
Das Amtsgericht hat der gegen den Beklagten gerichteten Klage auf Unterlassung der Nutzung der Teileigentumseinheit als Gastronomiebetrieb, insbesondere als Eisdiele, stattgegeben. Seine hiergegen gerichtete Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, will der Beklagte die Abweisung der Klage erreichen.
Grunddienstbarkeit, Mitbenutzung auch künftiger Anlagen
BGB § 1018
Die Berechtigung aus einer Grunddienstbarkeit, eine Anlage auf dem dienenden Grundstück mitzubenutzen, bezieht sich bei nächstliegender Auslegung regelmäßig nicht nur auf die bei der Bestellung des Rechts vorhandene, sondern auch auf eine erneute Anlage.
BGH, Urteil vom 12. Juli 2019 - V ZR 288/17 - (OLG München)
Zum Sachverhalt:
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke, welche ursprünglich ein einheitliches Grundstück bildeten. Im Vorgriff auf die Teilung im Jahr 1980 wurde das nunmehr im Eigentum der Klägerin stehende Grundstück mit einer Grunddienstbarkeit zugunsten des jeweiligen Eigentümers des benachbarten Grundstücks - dies sind gegenwärtig die Beklagten - belastet. Inhalt der Grunddienstbarkeit ist nach Nr. II.1. der Eintragungsbewilligung, auf die im Grundbuch Bezug genommen wird, die Befugnis des Eigentümers des herrschenden Grundstücks,
a) mit seiner Wasserleitung an die Wasserleitung, die sich auf dem nördlichen Grundstücksteil befindet, anzuschließen, diesen Anschluss dauernd zu belassen und Wasser aus dieser Leitung zu beziehen,
b) mit seiner Abwasserleitung an den Abwasserkanal, der sich auf dem nördlichen Grundstücksteil befindet, anzuschließen und durch diesen Kanalstrang Abwasser zu leiten,
c) mit seiner Stromleitung an die auf dem nördlichen Grundstücksteil befindliche Stromleitung anzuschließen, und durch diese Leitung Strom zu beziehen,
d) von dem auf dem nördlichen Grundstücksteil befindlichen Heizungskessel aufgrund entsprechender dort installierter Leitungen Heizkraft für das auf dem südlichen Grundstücksteil befindliche Haus zu beziehen, unter Beteiligung an den ermittelten und ausscheidbaren Heizungskosten.
e) Diese Befugnis wird jeweils mit der Maßgabe eingeräumt, dass der berechtigte Eigentümer die vorgenannten Leitungen auf dem belasteten Grundstück dauernd belassen darf, dass er durch diese Leitungen Wasser, Strom, Abwasser und Heizkraft leiten darf, sowie dass er das belastete Grundstück betreten darf, um Reparaturen an diesen Leitungen vorzunehmen unter der Auflage, dass unverzüglich der ursprüngliche Zustand wiederherzustellen ist. Die Reparaturkosten an Leitungen und an anderen gemeinsam benützten Einrichtungen haben die beteiligten Eigentümer zu gleichen Teilen zu tragen, soweit sie diese Leitungen oder Einrichtungen gemeinschaftlich benutzen, wenn und soweit jedoch eine Leitung ausschließlich einem Eigentümer allein dient, dann hat dieser für die eben genannten Kosten allein aufzukommen.“
Die Klägerin plant den Austausch des auf ihrem Grundstück befindlichen Heizungskessels. Eine Kostenbeteiligung lehnen die Beklagten ab.
Die Klägerin verlangt die Feststellung, dass sich aus der Grunddienstbarkeit kein Recht der Beklagten als Eigentümer des herrschenden Grundstücks ergibt, Heizkraft aus einem anderen als dem im Zeitpunkt der Bestellung der Dienstbarkeit auf dem dienenden Grundstück befindlichen Heizungskessel zu beziehen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht ihr stattgegeben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, wollen die Beklagten die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.
Bestellung und Ermächtigung zum Abschluss Verwaltervertrag, Verwaltervergütung
WEG §§ 21, 26; FamFG § 47 analog
Die Aufhebung eines Beschlusses über die Bestellung der Verwaltung und eines Beschlusses über die Ermächtigung von Wohnungseigentümern zum Abschluss des Verwaltervertrags führt analog § 47 FamFG weder zur Unwirksamkeit von Rechtsgeschäften oder Rechtshandlungen, die der Verwalter namens der Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber Dritten vorgenommen hat, noch zur Unwirksamkeit des Verwaltervertrags.
a) Die AGB-Kontrolle der Klauseln des Verwaltervertrags ist nicht im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen den Beschluss zur Ermächtigung von Wohnungseigentümern zum Abschluss des Vertrages oder einen Beschluss über die Annahme des Vertragsangebots des Verwalters, sondern bei der Anwendung des Vertrags im Verhältnis zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft und dem Verwalter vorzunehmen.
b) Den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht die Verwaltervergütung nach Höhe und Ausgestaltung, wenn sie dem Gebot der Wirtschaftlichkeit genügt. Dieses Gebot ist nicht schon verletzt, wenn die vorgesehene Verwaltervergütung über den üblichen Sätzen liegt. Eine deutliche Überschreitung der üblichen Verwaltervergütung wird den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung regelmäßig indessen nur dann entsprechen, wenn sie auf Sachgründen beruht, deren Gewicht den Umfang der Überschreitung rechtfertigt.
c) Der Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft hat grundsätzlich die Wahl, ob er der Gemeinschaft einen Vertrag mit einer Pauschalvergütung anbietet oder einen Vertrag mit einer in Teilentgelte aufgespaltenen Vergütung. Unter dem Gesichtspunkt der ordnungsmäßigen Verwaltung erfordert eine solche Vergütungsregelung eine klare und transparente Abgrenzung derjenigen Aufgaben, die von einer vorgesehenen Grundvergütung erfasst sein sollen, von denen, die gesondert zu vergüten sind. Ferner muss bei den Aufgaben, die in jeder Wohnungseigentümergemeinschaft laufend anfallen, der tatsächliche Gesamtumfang der Vergütung erkennbar sein.
d) Jeder Wohnungseigentümer kann nach § 21 Abs. 3 und 5 WEG verlangen, dass der wirksam bestellte Verwalter abberufen wird, wenn es nicht gelingt, mit ihm einen Verwaltervertrag zu schließen, und dass der wirksame Verwaltervertrag aus wichtigem Grund gekündigt wird, wenn es nicht gelingt, den Verwalter in die vorgesehene Organstellung zu berufen.
BGH Urteil vom 5. Juli 2019 - V ZR 278/17 - (LG Frankfurt a. M.)
Stromlieferungsvertrag zwischen Versorgungsunternehmen und Mieter
BGB § 133 B, § 157 C; StromGVV § 2 Abs. 2
Wird der Stromverbrauch einer in einem Mehrparteienhaus gelegenen und vermieteten Wohnung über einen Zähler erfasst, der ausschließlich dieser Wohnung zugeordnet ist, richtet sich die in der Bereitstellung von Strom liegende Realofferte des Versorgungsunternehmens regelmäßig nicht an den Hauseigentümer, sondern an den Mieter, welcher durch die seinerseits erfolgte Stromentnahme das Angebot konkludent annimmt (im Anschluss an Senatsurteile vom 2. Juli 2014 - VIII ZR 316/13, BGHZ 202, 17 Rn. 14 und vom 22. Juli 2014 - VIII ZR 313/13, BGHZ 202, 158 Rn. 21).
BGH, Urteil vom 27. November 2019 - VIII ZR 165/18 - (LG Itzehoe)
Zum Sachverhalt:
Die Klägerin nimmt im Gemeindegebiet von B. in Schleswig-Holstein die Grundversorgung mit Strom wahr. Sie begehrt von dem Beklagten als Eigentümer eines dort gelegenen Mehrparteienhauses eine Vergütung in Höhe von 360,61 € für Stromlieferungen im Zeitraum vom 20.12.2012 bis zum 7.5.2013 sowie Erstattung der Kosten für einen erfolglosen Sperrversuch in Höhe von 47,94 €.
Der Stromverbrauch wurde über Zähler erfasst, die jeweils einer bestimmten Wohnung in dem Anwesen zugeordnet sind. Die Stromlieferung der Klägerin betraf eine durch den Beklagten vermietete und im streitgegenständlichen Zeitraum zuletzt von den Mietern P./A. genutzte Wohnung.
Die auf Zahlung von 408,55 € nebst Zinsen gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Kündigung eines Reinigungsvertrages, Schadensersatz wegen Beauftragung eines Dritten, Verjährungsfrist
BGB §§ 195, 199, 280, 281, 314 Abs. 1, § 634 Nr. 4, § 634a
Kündigt der Besteller einen als Dauerschuldverhältnis angelegten und als Werkvertrag einzustufenden Reinigungsvertrag außerordentlich unter anderem wegen Mängeln der vom Unternehmer erbrachten Reinigungsleistungen und verlangt er sodann Ersatz des Schadens in Form der ihm aus der Beauftragung von Drittunternehmen entstandenen Mehrkosten aufgrund der drittseitigen Erbringung der ursprünglich vom Erstunternehmer übernommenen Reinigungsleistungen während der restlichen Vertragslaufzeit, so ist die Verjährungsregelung gemäß § 634a BGB bezüglich dieses Schadensersatzanspruchs, auch soweit die Kündigung auf Mängel der erbrachten Reinigungsleistungen gestützt wird, nicht anwendbar; insoweit gilt vielmehr die Verjährungsregelung gemäß §§ 195, 199 BGB.
BGH, Urteil vom 10. Oktober 2019 - VII ZR 1/19 - (KG Berlin)
Zum Sachverhalt:
Der Kläger, das Land Berlin, verlangt nach außerordentlicher Kündigung dreier mit der Beklagten geschlossener Reinigungsverträge von dieser Schadensersatz in Form der Erstattung ihm aus der Beauftragung von Drittunternehmen entstandener Mehrkosten aufgrund der drittseitigen Erbringung der ursprünglich von der Beklagten übernommenen Reinigungsleistungen im Zeitraum 1.11.2013 bis 31.5.2016.