Verkannte Gefahr:
Fehlerströme
Für viele Anwendungsbereiche sind Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen bzw. FI-Schutzschalter mit Bemessungs-fehlerströmen von maximal 30 mA schon seit Jahren Pflicht. Trotzdem haben sich die lebensrettenden Schutzgeräte, die den Strom im Fehlerfall umgehend sicher abschalten, immer noch nicht lückenlos durchgesetzt.
Der Einsatz von FI-Schutzschaltern ist angesichts neuer Anforderungen wichtiger denn je: So zeigen zum Beispiel moderne Elektrogeräte oft andere Charakteristika hinsichtlich der Stromaufnahme als frühere, etwa durch Frequenzumrichter in Waschmaschinen oder Schaltnetzteile bei Fernsehern, PCs oder LED-Lampen.
Verdrahtungsfehler in der Installation, beschädigte Isolierungen, defekte Geräte oder auch unsachgemäßes Arbeiten an elektrischen Anlagen können gefährliche Fehlerströme auslösen – und diese wiederum Unfälle oder elektrisch gezündete Brände verursachen. Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (FI-Schutzschalter) können
das verhindern. Sie schützen vor gefährlichen Körperströmen bei direktem und indirektem Berühren von unter Spannung stehenden, leitfähigen Gegenständen. Dazu trennen FI-Schutzschalter den überwachten Stromkreis beim Überschreiten eines bestimmten Differenzstroms schnell und sicher vom Netz.
Für viele Anwendungsbereiche ist die Installation von FI-Schutzschaltern mit Bemessungsfehlerströmen von maximal 30 mA in Neubauten deshalb bereits Pflicht: Beispielsweise seit 1984 in Räumen mit Badewanne oder Dusche und seit 2007 für alle Steckdosen-Stromkreise mit einem Bemessungsstrom bis 20 A, die für die Benutzung durch elektrotechnische Laien und zur allgemeinen Verwendung bestimmt sind.
FI-Schutzschalter – für alle Fälle der richtige Typ
Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen sind in mehreren Typen und Ausführungen erhältlich, die sich zur Erfassung von unterschiedlichen Fehlerstromformen und für verschiedene Anwendungsbereiche eignen. So umfasst das Spektrum aktueller Möglichkeiten FI-Schutzschalter ohne integrierten Schutz bei Überstrom, kombinierte FI/LS-Schalter mit Fehlerstromerfassung und Überstromschutz in einem Gerät sowie alternativ FI-Blöcke zum Anbau an Leitungsschutzschalter.
FI-Schutzschalter des Typs A lösen sowohl bei sinusförmigen Wechselfehlerströmen als auch bei pulsierenden Gleichfehlerströmen aus. In vielen modernen Betriebsmitteln, wie z.B. Waschmaschinen oder Heizungspumpen, sind einphasige Frequenzumrichter eingesetzt. Diese können auf der Abgangsseite Fehlerströme aus einem Frequenzgemisch mit Frequenzanteilen im kHz-Bereich erzeugen.
FI-Schutzschalter des Typs A sind dafür nicht ausgelegt. Um in diesen Situationen die Schutzfunktion sicherzustellen, hat Siemens den neuen FI-Schutzschalter des Typs F eingeführt, der den Schutz- und Funktionsumfang des Typs A erweitert. Diese FI-Schutzschalter verfügen über eine Stoßstromfestigkeit von größer 3 kA und eine Belastbarkeit mit glatten Gleichfehlerströmen von bis zu 10 mA, ohne dass die Geräte in ihrer Funktion beeinträchtigt werden. Damit garantieren sie maximale Sicherheit und hohe Widerstandsfähigkeit gegen unerwünschte Auslösungen.
Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen des Typs A und des Typs F sind allerdings nicht in der Lage, glatte Gleichfehlerströme zu erfassen, wie sie im Fehlerfall bei Einsatz von dreiphasigen Frequenzumrichtern, medizinischen Geräten, USV-Anlagen und beim Laden von Elektrofahrzeugen auftreten können. Gerade auch auf Baustellen bzw. bei Baustromverteilern ist der Personen- und Anlagenschutz gegenüber glatten Gleichfehlerströmen enorm wichtig, denn immer mehr Baukräne, Betonmischer und andere Großgeräte auf Baustellen nutzen heute Frequenzumrichter. Entsprechende FI-Schutzeinrichtungen für „frequenzgesteuerte Betriebsmittel“ werden deshalb auch in den einschlägigen Normen und Richtlinien gefordert.
Damit rückt eine weitere, bisher zu wenig beachtete Variante stärker in den Fokus: der Fehlerstrom-Schutzschalter des Typs B. Als erster Hersteller führte Siemens bereits 1994 eine solche allstromsensitive Schutzkomponente ein. Seitdem kann die geforderte Fehlerstrom-Schutzschalttechnik in vielen Anwendungen, bei denen glatte Gleichfehlerströme auftreten, eingesetzt werden.
Allstromsensitive Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen verfügen über einen zusätzlichen Wandler, der mit einem Steuersignal beaufschlagt wird. Dadurch können sie neben Wechselfehlerströmen und pulsierenden Gleichfehlerströmen auch glatte Gleichfehlerströme erfassen. Die angestrebte Schutzfunktion ist somit bei allen Fehlerstromarten gesichert.
Die Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen des Typs B sind für den Einsatz im Drehstromsystem vor Eingangsstromkreisen mit Frequenzumrichtern geeignet. Darüber hinaus existiert auch noch der Typ B+. Diese Ausführung bietet zusätzlich einen gehobenen, vorbeugenden Brandschutz und der Frequenzbereich für die Fehlerstromerfassung ist bis 20kHz definiert.
Entsprechende Geräte von Siemens bieten den zusätzlichen Vorteil, dass sie bei allgemeinen Anwendungen – also soweit nicht durch besondere anwendungsspezifische Normen anders geregelt – nur alle zwei Jahre überprüft werden müssen. Über diesen langen Prüfzyklus hinaus bieten die Siemens-Modelle eine integrierte Heizfunktion, die sie gegen widrige Witterungseinflüsse wie beispielsweise gegen Betauung schützt. Sie sind damit sehr gut auch für den Betrieb im Freien geeignet.
Durchgängiges Schutzkonzept
FI-Schutzschalter aller Typen sind durch ihre spezifischen Stärken ein wichtiger Baustein eines durchgängigen Schutzkonzepts nach Stand der Technik. Ein solches Konzept ergänzt den vorgeschriebenen Basisschutz um ineinander greifende Schutzkomponenten für den Personen- und Leitungsschutz sowie für den präventiven Brandschutz – mit dem Ziel, das verbleibende Restrisiko so weit wie möglich zu minimieren und alle Gefahrenquellen abzudecken.
Das heißt im Einzelnen: Fehlerströme mit höheren Frequenzen, glatte Gleichfehlerströme, transiente Überspannungen, Überspannungen in Betriebsmitteln sowie Störungen aufgrund fehlerhafter bzw. falscher Anschlüsse oder Schäden durch externe Einflüsse. Dafür sind, über die Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen hinaus, noch drei weitere Schutzkategorien zu berücksichtigen:
1. Leitungsschutz – Leitungsschutzschalter und Sicherungen schützen Leitungen, Anlagen und Geräte im Fall von Überlast und Kurzschluss. Sie garantieren eine sichere und schnelle Abschaltung und können so Sachwerte und Menschenleben schützen.
2. Überspannungsschutz – Allein in Deutschland kommt es jährlich zu 460.000 Blitzeinschlägen. Die Folge sind finanzielle Verluste von bis zu 330 Millionen Euro. Überspannungsschutzgeräte schützen elektrische Verbraucher wirksam vor Schäden durch transiente, also kurzzeitige, Überspannungen, die durch Blitze oder Spannungsschwankungen im Netz entstehen können.
3. Brandschutz – Eine häufige Brandursache, nämlich serielle Fehlerlichtbögen, wird von Fehlerstrom- und Leitungsschutzschaltern nicht erkannt. Brandschutzschalter, wie sie inzwischen auch die aktuelle Norm VDE 0100-420 für viele Anwendungsbereiche fordert, schließen diese Sicherheitslücke, indem sie auch auf serielle Fehlerlichtbögen reagieren.
Fazit
In Wohn- und Zweckgebäuden kommen immer mehr neue elektrische Verbraucher hinzu. Die Elektrogeräte selbst entwickeln sich weiter, mit teils neuen Charakteristiken der Stromaufnahme. Hinzu kommt die verstärkte Nutzung alternativer, oft eigenerzeugter Energie und die damit verbundenen Anlagen wie private Photovoltaikanlagen mit Batterien zur Eigenstromversorgung, Blockheizkraftwerke, Wärmepumpen oder auch Elektrofahrzeuge – Anwendungen, die bis vor wenigen Jahren kaum absehbar waren und viele Elektroinstallationen zu überlasten drohen.
Ein durchgängiges Schutzkonzept ist eine adäquate Antwort auf diese komplexen Herausforderungen. Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen der Typen A, F und B/B+ spielen dabei eine wichtige und vielfach verkannte Rolle.
Verdrahtungsfehler in der Installation, beschädigte Isolierungen oder defekte Geräte können gefährliche Fehlerströme auslösen.