Volles Rohr gegen einen unsichtbaren Feind

In jedem achten Gebäude in Deutschland gibt es zu viele Legionellen – das belegt eine Auswertung, die Techem in 55.000 Häusern durchgeführt hat. Eine erschreckend hohe Zahl, wenn man bedenkt, dass die Stäbchenbakterien Krankheiten auslösen können, die sogar lebensbedrohlich sind. Mit  bestimmten Präventivmaßnahmen lassen sich diese jedoch deutlich eindämmen.

Legionellen sind nicht sporenbildende aerobe Bakterien, die zur Familie der Legionellaceae, Genus Legionella, gehören. Derzeit sind laut Robert Koch Institut etwa 57 Arten bekannt, die mindestens 79 verschiedene Serogruppen umfassen. Die Stäbchenbakterien sind so­­­wohl im Oberflächenwasser als auch im Boden zu finden und gelangen darüber in unser Trinkwasser.

Die für Erkrankungen des Menschen bedrohlichste Art ist Legionella pneumophila. Kommt diese Bakterienart beispielsweise beim Duschen durch das Einatmen von feinsten Wassertropfen in die Lunge, kann dies gesundheitliche Folgen haben. Während das „Pontiac-Fieber“ – eine fiebrige, grippeähnliche Erkrankung – meist innerhalb weniger Tage ohne Lungenbeteiligung abheilt, kann die Legionärskrankheit zu einer schweren atypischen Form der Lungenentzündung (Legionellen-Pneumonie) und in 10 bis 15 % aller Fälle sogar zum Tod führen. Wie das Kompetenznetzwerk für ambulant er­­worbene Pneumonien (CAPNetz) schätzt, erkranken jährlich zwischen 15.000 und 30.000 Menschen hierzulande an dieser Form der Lun­­­genentzündung.

Gerade weil Legionellen gesundheitliche Schä­­den hervorrufen können, ist eine Legionellenüberprüfung gemäß der Trinkwasserverordnung seit einigen Jahren Pflicht, wenn bestimmte Kriterien erfüllt werden: Sie gilt für Mehrfamilienhäuser, die mehr als zwei Wohnungen haben, wobei mindestens eine davon vermietet sein muss. Zudem müssen in den Wohnungen Duschmöglichkeiten vorhanden sein. Außerdem sind eine zentrale Anlage zur Trinkwassererwärmung und ein Warmwasserspeicher mit mehr als 400 l Wasser oder eine Rohrleitung zwischen Trinkwassererwärmer und der Entnahmestelle mit mehr als 3 l Wasser weitere Kriterien.

Auswertung: 12,5 % mit zu vielen Legionellen

Bei einer Auswertung von 55.000 Gebäuden stellte Te­­­chem fest, dass rund 12,5 % zu viele Legionellen im Trinkwasser aufweisen. Das heißt, die Anzahl der Stäbchenbakterien übersteigt den gemäß der Trinkwasserverordnung vorgegebenen technischen Maßnahmenwert. Dieser liegt bei maximal 100 kolonienbildenden Einheiten (KbE) in 100 ml Wasser. Wird dieser Wert überschritten, müssen die Betreiber oder Eigentümer der Trinkwasseranlage Maßnahmen ergreifen, um die Ursache für den Befall herauszufinden.

Das beinhaltet auch eine umfassende weitergehende Untersuchung und eine Ge­­­fähr­­dungsanalyse inklusive einer Inspektion der Trinkwasseranlage vor Ort.

Ein weiteres Ergebnis der Untersuchung zeigt, dass das Befallsrisiko bei großen Liegenschaften wahrscheinlicher ist als bei kleineren. Bei Häusern, die drei bis fünf Wohnungen haben, liegt der Anteil an Positivbefunden bei 8,28 %. Gebäude mit sechs bis zehn Wohnungen sind zu 9,86 % betroffen. Liegenschaften mit elf bis 20 Nutzeinheiten weisen einen Anteil von 15,02 % auf, bei 21 bis 50 Wohnungen sind es 21,26 %. Bei Gebäuden mit mehr als 50 Wohnungen steigt das Risiko im Vergleich zu den kleinen Gebäuden fast um das Vierfache – auf 29,81%.

Auf Ursachenforschung

Das Ergebnis der Auswertung lässt sich unter anderem mit der Größe des Rohrleitungssystems erklären. So führte der über die vergangenen Jahre stetig abnehmende Pro-Kopf-Wasserverbrauch dazu, dass vor allem bei älteren Gebäuden die Rohre überdimensioniert sind. Außerdem sind Leerstände oder längere Abwesenheit einzelner Mieter in größeren Liegenschaften statistisch wahrscheinlicher.

All dies hat einen langsameren Durchfluss in Rohrleitungen zur Folge, welcher das Risiko eines Legionellenbefalls erhöht. Denn gerade in stehendem Wasser vermehren sich die Bakterien besonders gut. Oftmals hängt ein Legionellenbefall auch mit einer zu niedrigen Warmwassertemperatur zusammen. Insbesondere Temperaturen zwischen 25 und 55 °C sind für die Vermehrung von Stäbchenbakterien ideal.

Da sie ab 60 °C absterben, sollte der Ausgang des Warmwasserspeichers mindestens diese Temperatur aufweisen. Außerdem ist es wichtig, dass das Warmwasser in der Zirkulationsleitung mindestens 55 °C beträgt, beziehungsweise dass der Unterschied zwischen dem Austritt des Warmwassers und der Zirkulation nicht größer als fünf Kelvin ist. Dieser maximal zulässige Temperaturunterschied wird jedoch oftmals überschritten.

Gegensteuern, aber wie?

Um Legionellen in Trinkwasserleitungen zu bekämpfen ist häufig ein Zusammenspiel von verschiedenen Maßnahmen notwendig. Für eine langfristige Lösung müssen je nach Ergebnis der Gefährdungsanalyse bauliche Schritte erfolgen. Dazu zählen beispielsweise der Rückbau von Totstrecken und der Austausch von Rohrleitungen. Zudem sind betriebliche Maßnahmen wie das Hochfahren der Warmwassertemperatur oder eine Optimierung der Zirkulation denkbar. Darüber hinaus empfiehlt es sich, einen hydraulischen Abgleich von einem professionellen Dienstleister durchführen zu lassen. Denn dann wird eine gleichbleibende Warmwassertemperatur und ein ausreichender Durchfluss sichergestellt.

Um Legionellen kurz- und mittelfristig zu bekämpfen, gibt es zwei Wege: die ther­­mi­­­sche und die chemische Desinfektion. Bei der thermischen Desinfektion wird das Heißwasser auf mehr als 70 °C erhitzt und muss dann mindestens 3 Minuten durch jede Entnahmestelle fließen. Bei diesen hohen Temperaturen sterben die Bakterien ab.

Kommen die hohen Temperaturen aufgrund der Hydraulik nicht überall im System an, führt diese Lösung jedoch häufig nicht zu dem gewünschten Ergebnis. In diesem Fall wird die chemische Behandlung angewendet. Dabei wird zum Beispiel Chlor oder Chlordioxid in das Leitungssystem gegeben, um alle Legionellen abzutöten. Nach einem vorgeschriebenen Zeitraum werden die Leitungen komplett mit klarem Wasser durchgespült.

Das Befallsrisiko ist in größeren Mietshäusern wahrscheinlicher als bei kleineren.

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