(Zu) hohe Erwartungen
an die Kreislaufwirtschaft
In einer Serie mit dem BMUB präsentieren wir Projekte aus der Bauforschung. In Teil 32 geht es um die Potenziale des Recyclings im Hochbau.
Um Materialien im Kreislauf führen zu können, tummeln sich bereits zahlreiche Initiativen und Entwicklungen auf dem Platz: Ressourceneffizienzstrategie (ProgRess II), Kreislaufwirtschaftsgesetz, Anordnungen zur getrennten Erfassung von Bauabfallfraktionen, Selbstverpflichtungen der Industrie etc. Im Bauwesen stellt sich die Frage: Wie und in welchem Umfang können Materialien aus Bauabfällen gesammelt und aufbereitet werden, um als Sekundärrohstoffe in neuen Bauprodukten wieder in den Hochbau zu gelangen?
Antworten darauf liefert die „Sensitivitätsstudie zum Kreislaufwirtschaftspotenzial im Hochbau“, welche vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt und Raumforschung (BBSR) beauftragt und von uns Autoren gemeinsam mit Jan Reichenbach und Norbert Krauß erarbeitet wurde. Erkundet wurden Potenziale, die helfen, Primärrohstoffe im Bauwesen zu substituieren und die Kreislaufwirtschaft in der zukünftigen Bautätigkeit einzuordnen. Gegenstand der betrachteten Bautätigkeit war nur der Hochbau mit seinen grundstückseigenen inneren Erschließungs- und Freiflächen.
Dazu wurden Materialmengen für die Bautätigkeit im Jahr 2010 sowie für die Jahre 2030 und 2050 berechnet. 16 Bauproduktgruppen standen im Fokus. Herkunft, Zusammensetzung, Sammlung, Sortierung und Verwertungswege der genannten Bauproduktgruppen wurden recherchiert sowie künftige theoretisch denkbare Recycling(RC)-Anteile für Neubauprodukte im Hochbau mit Fachexperten diskutiert. Mit Hilfe eines eigens entwickelten Materialflussmodells wurde die Bautätigkeit in Form von Neubau, Umbau, Modernisierung und Abbruch skizziert.
Materialflussrechnungen – methodisches Vorgehen
Basis der Materialflussrechnungen ist ein Rechenmodell, das zwei Kalkulationsansätze miteinander verbindet. Top down erfolgt unter Nutzung aller zur Verfügung stehen Baustatistiken die Ermittlung der Mengen zu Gebäudebestand und Bautätigkeit. Bottom-up-werden diese Mengen unter Verwendung von Gebäudetypen in Materialflüsse und Materiallager umgerechnet. Die Rechnungen betrachten vier Varianten: Zwei, die eine zurzeit übliche Bauweise (BAU) berücksichtigen, einmal ohne und einmal mit Recycling (BAU und BAU-RC), sowie zwei, die auf eine nachhaltige Bauweise (NA) orientieren, gleichfalls einmal ohne und einmal mit Recycling (NA und NA-RC). Ergebnisse der Rechnungen sind Bestands-, Input- und Output-Materialmengen in Tonnen. Aus ihnen lassen sich unter Einbeziehung der theoretisch denkbaren RC-Anteile Recyclingpotenziale ableiten.
Potenziale der Primärrohstoffeinsparung
Angenommen wurde, dass sich die Neubautätigkeit bis 2030 (Neubau, Um-/Ausbau, Modernisierung) zunächst quantitativ gegenüber 2010 kaum verändert. Die Abbruchaktivitäten (Voll-/Teilabriss, Um-/Ausbau, Modernisierung) hingegen steigen im gleichen Zeitraum um 50 %. Nach 2030 ist mit einem Trendbruch zu rechnen. Die Neubautätigkeit wird gegenüber 2010 um 40% zurückgehen.
Wieviel Rezyklat aus Bauabfällen ließe sich in den Hochbau einbringen? Für das Jahr 2010 wäre der Anteil von Rezyklat noch bescheiden: Errechnet wurden rund 8 Mio. Tonnen bzw. 7 % von der Gesamtmenge an Primärmaterial (Input-Materialfluss). Der Einsatz von Rezyklaten könnte bei vorteilhaften Rahmenbedingungen 2030 einen Peak zwischen 19 und 20 Mio. t aufweisen. Durch die rückläufige Neubautätigkeit wird die Menge der eingesetzten Sekundärrohstoffe 2050 auf ca. 12 bis 14 Mio. t sinken, auch wenn der durchschnittliche RC-Anteil in neuen Bauprodukten voraussichtlich auf 21 % anwächst (Abb. 1). Die Steigerung des Rezyklateinsatzes leistet einen deutlichen Beitrag zur Ressourcenschonung. Eine solche Steigerung ist nur mit erheblichen Anstrengungen aller Beteiligten am Bau und politisch vorteilhaften Rahmensetzungen vorstellbar. Der Rückgang der Bautätigkeit hat jedoch einen noch wesentlich größeren Einfluss darauf.
Sowohl der Einsatz von Rezyklaten als auch eine nachhaltige Bauweise führen zu Primärrohstoffeinsparungen. Die möglichen Einsparungen durch eine nachhaltige Bauweise (NA: Erhöhung der Holzbauweise, Halbierung der Einfamilienhausbautätigkeit, verbesserte Stahlbetonrezepturen) müssen dabei jedoch geringer eingeschätzt werden. Sie können 6 % (2030) bis 11 % (2050) betragen. Das sind in beiden Jahresscheiben lediglich 7 Mio. t.
Im Rahmen der Massenbetrachtung ragen „sonstige mineralische Bauprodukte“ und die Metalle heraus: Bei beiden ist das RC-Potenzial für den Hochbau sehr groß, weit vor allen anderen. Sicher liegt dies am spezifischen Gewicht und der Menge. Sie sind aber auch Produktgruppen, bei denen ein kreislaufwirtschaftsorientiertes Handeln eine erhebliche Substitution von Primärrohstoffen erwarten lässt. (Abb. 2).
Die „sonstigen mineralischen Bauprodukte“ umfassen überwiegend Schüttgüter für Bodenaustausch, Sauberkeitsschichten, Unterbau von Zuwegungen und Außenflächen, Leitungsgräben und Hinterfüllungsraum von Untergeschossen. Diese Schüttgüter kann man als „Tiefbau des Hochbaus“ bezeichnen. Zwar leicht erschließbar, steht ihr Einsatz unter den Anforderungen eines verschärften Boden- und Gewässerschutzes. Es folgen in der Bedeutung des RC-Potenzial die Baustoffe Glas, mineralische Dämmstoffe und die Kunststoffe. Die Chancen für Recycling von Holzwerkstoffen sind dagegen sehr gering.
Resümee und Ausblick
Aus technischer Sicht sind eine bestimmte Qualität, Unbedenklichkeit und Separierbarkeit der Abbruchmaterialien erste Voraussetzung. Eine zweite und dritte sind die technische Zulässigkeit und Marktfähigkeit von Sekundärrohstoffen in neuen Bauprodukten.
Noch umgehen Bauherren, Projektentwickler und Bauprodukthersteller mineralische Rezyklate beim Beton- und Mauerwerksbau. Normenwerk und Zulassungsregeln ermöglichen zwar eine größere Bandbreite an Materialien, doch das Potenzial des Einsatzes rezyklierter Gesteinskörnungen im Schüttgut wird derzeit leider kaum genutzt. Ließen sie sich konsequent für kapillarbrechende Schichten, Feinplanungssande, Hinterfüllungsräume, Leitungsgräben, Flächen und Garagen des ruhenden Verkehrs nutzen, wäre dies der einfachste Weg, Recycling im Hochbau zu erhöhen.
Für andere Produktbereiche sind Recyclingkreisläufe noch im Aufbau (z. B. für Gips u. Dämmstoffe) oder trotz praktikabler Lösungen noch nicht in Gang gesetzt worden (z. B. RC-Steine o. RC-Mörtel). Jenseits der mineralischen Bauprodukte gibt es Produktbereiche, bei denen es trotz ausreichender Freisetzung von Abbruchmengen an geeigneten sekundären Ausgangsrohstoffen zur Wiedereinbringung im Baubereich mangelt (z. B. Glas o. Kunststoffe).
Insgesamt zeigt sich, dass das Erreichen einer verbesserten Kreislaufwirtschaft im Bauwesen in äußerst komplexen Zusammenhängen steht. Zukünftig gilt es, die Recyclingfreundlichkeit von Baukonstruktionen bzw. „design for deconstruction“ anzuheben, Abfallerfassungen zu verbessern, wie auch die Akzeptanz für Recyclingprodukte zu erhöhen.
Prof. Dipl.-Ing. Arch. Clemens Deilmann und Dipl.-Ing. Karin Gruhler vom Dresdner Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung, FB Ressourceneffizienz von SiedlungsstrukturenMaterialströme im Hochbau
Sensitivitätsstudie
Der Endbericht der Sensitivitätsstudie wurde dem BBSR Mitte 2014 übergeben und Anfang 2015 von diesem online gestellt: