Blaupause für die Wärmewende im Bestand
In der brandenburgischen Stadt Ludwigsfelde lässt das kommunale Wohnungsunternehmen „Märkische Heimat“ einen der ersten WBS 70-Plattenbauten vom deutsch-estnischen Gesamtlösungsanbieter Seeria Renova seriell sanieren. Das Projekt kann zur Blaupause für die schnelle, wirtschaftliche und mieterfreundliche Sanierung großer Plattenbaubestände in Deutschland und Osteuropa werden.
Der 102 Meter lange, fünfgeschossige Gebäuderiegel an der Albert-Schweitzer-Straße 2-14 erhält eine neue Gebäudehülle aus 228 vorgefertigten Holzfassadenelementen, die inklusive Wärmedämmung, dreifach verglasten Fenstern und Faserzement-Oberfläche im Werk vorgefertigt und auf der Baustelle nur noch montiert werden. Die 82 Mietparteien bleiben während der bis April 2025 andauernden Sanierungsarbeiten in ihren Wohnungen. Da die Arbeiten vor Ort schnell gehen und der Eingriff in die Wohnungen minimal ist, können serielle Sanierungen in bewohntem Zustand durchgeführt werden.
Rund 6,7 Mio. Euro investiert die Wohnungsgesellschaft Ludwigsfelde „Märkische Heimat“ in das Projekt. Abzüglich der Tilgungszuschüsse im Rahmen der BEG-Förderung und des seriellen Sanierungsbonus sowie der zinsvergünstigten Kredite der KfW belaufen sich die Sanierungskosten auf ca. 740 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. „Als kommunales Unternehmen und größter Vermieter der Stadt wollen wir einen aktiven Beitrag zur Umsetzung der regionalen Klimaziele leisten und mit der ersten seriellen Sanierung in Brandenburg ein besonderes Zeichen setzen“, erklärt Geschäftsführer Frank Kerber.
Bilanziell Netto-Null
Wie die meisten Plattenbauten ist auch der Gebäuderiegel in Ludwigsfelde an das öffentliche Fernwärmenetz angeschlossen, das derzeit noch weitestgehend auf fossilen Energien basiert. Eine 82 kWp starke Photovoltaikanlage auf dem Dach erzeugt 17,9 kWh grünen Strom pro Quadratmeter Wohnfläche. Da sich ein Mieterstrom-Modell in Ludwigsfelde aufgrund der Rahmenbedingungen derzeit noch nicht wirtschaftlich umsetzen ließ, wird die selbst erzeugte Solarenergie ins öffentliche Energienetz eingespeist.
„Rein rechnerisch reduziert die Produktion und Einspeisung der erneuerbaren Energien vom Dach die CO2-Emissionen der fossilen Energieträger aus dem Fernwärmenetz um 50 Prozent. Bilanziell ist das Gebäude somit ein Null-Emissionshaus“, erläutert Kaarel Väer, Geschäftsführer des ausführenden Sanierungsunternehmens Seeria Renova. Zur weiteren CO2-Reduktion tragen die 228 Fassadenelemente aus Holz bei, die dauerhaft über 100 Tonnen CO2 binden. Nach der Sanierung wird sich die Energieeffizienz des Ludwigsfelder Plattenbaus vom energetischen Mittelfeld C auf das ambitionierte Neubau-Niveau A+ verbessern. Der Primärenergiebedarf und CO2-Ausstoß sinken um rund 65 Prozent.
Skalierung als Sanierungsturbo
Mit rund 650.000 Wohneinheiten ist der WBS 70 der meistgebaute Plattenbautyp der DDR. Da Plattenbauten bereits nach den Prinzipien der seriellen und modularen Vorfertigung geplant und in Großtafelbauweise errichtet wurden, sind sie optimal für die serielle Sanierung geeignet. Der kompakte Baukörper der zumeist fünf- bis sechsgeschossigen Gebäude sowie das vordefinierte Fassadenraster von 6 x 2,80 Metern bieten beste Voraussetzungen.
Die für den WBS 70-Plattenbau in Ludwigsfelde entwickelte serielle Sanierungslösung lässt sich auch auf den Plattenbautyp P2 sowie die QP-Serie übertragen und kann somit mehr als 50 Prozent des ostdeutschen Plattenbaubestandes auf Klimakurs bringen. „Bei einer hohen Anzahl gleichartiger Gebäude greifen kostensenkende Skalierungseffekte schneller und in einer ganz anderen Größenordnung. Deshalb kann von dem Projekt in Ludwigsfelde ein Katalysatoreffekt ausgehen, der den seriellen Sanierungsmarkt insgesamt auf ein neues Level hebt“, betont Nico Gorsler, Teamleiter des Kompetenzzentrums Serielles Sanieren der dena.