Energetisches Update und neuer Wohnraum
In München werden zwei Mehrfamilienhäuser aus den 1960er Jahren aufgestockt und mit serieller Sanierung auf den aktuellen energetischen Stand gebracht. Der hohe Vorfertigungsgrad sorgte für kurze Bauzeiten. Die Häuser konnten während der gesamten Bauzeit bewohnt bleiben. Mit einer Bekleidung aus großformatigen Faserzement-Fassadentafeln wurde eine Lösung realisiert, die gleichermaßen langlebig und nachhaltig sowie wirtschaftlich ist.
Der Gebäudebestand ist für ein Drittel des CO2-Ausstoßes verantwortlich. Damit ist dieser Bereich ein entscheidender Faktor, um die gesetzlichen Klimaziele zu erreichen. Rund drei Viertel der 22 Millionen Gebäude in Deutschland müssen nach Angaben der Dena (Deutsche Energie-Agentur) bis 2045 energetisch saniert werden, um dieses Ziel zu erreichen. Die Sanierungsquote jedoch hält sich auf konstant niedrigem Niveau.
Das liegt nicht zuletzt an den üblichen Abläufen einer Sanierung. Bislang wurden dafür in der Regel individuelle, maßgeschneiderte Pläne entwickelt, denn kaum ein Gebäude gleicht dem anderen. Diese aufwendigen Planungen, entsprechend hohe Kosten und nicht zuletzt auch fehlende Fachkräfte gelten als eine wichtige, wenn nicht sogar als die Hauptursache für die viel zu niedrige Sanierungsquote.
Als eine Art „Gamechanger“ wurde von der Bundesregierung das Prinzip der seriellen Sanierung mit vorgefertigten Holzfassaden nach dem Beispiel des niederländischen „Energiesprong“-Konzeptes in den Fokus gerückt. Ziel ist, zunächst große Wohnbestände – vor allem Mehrfamilienhäuser aus den 50er-, 60er- und 70er Jahren – effizient, schnell und kostengünstig zu modernisieren. Statt eine Summe vieler Einzelleistungen auszuführen, werden für die Objekte seriell skalierbare Lösungen für Fassade und Dach entwickelt und als Gesamtpaket realisiert.
Das Prinzip vereinfacht und beschleunigt die Planungs- und Herstellungsprozesse durch ein hohes Maß an Vorfertigung in den Werkstätten der Holzbauunternehmen und sorgt so auf der Baustelle für eine Reduzierung des bislang sehr hohen Anteils handwerklicher Arbeit. Auf diese Art und Weise wird nicht nur eine nachhaltige, kreislaufwirtschaftsfähige Sanierung zu deutlich geringeren Kosten realisiert, sondern auch eine zeitlich und finanziell bessere Planbarkeit von Maßnahmen erreicht. Zudem profitieren sowohl Bauherren als auch Bewohner – die Maßnahmen werden oft im bewohnten Bestand ausgeführt - von deutlich kürzeren Baustellenzeiten. Eine Fülle von Vorteilen also.
Der Stopp für das wegen der Haushaltssperre zwischenzeitlich auf Eis gelegte Förderprogramm wurde mittlerweile aufgehoben. Es fließt wieder Geld. Der Bonus des BMWK (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz) für serielles Sanieren, der mit Tilgungszuschüssen von bis zu 45 Prozent winkt, sowie zinsgünstige KfW-Kredite, die zwei bis drei Prozent unter den marktüblichen Konditionen liegen, soll die Akteure im mehrgeschossigen Wohnbau motivieren. Die Rechnung scheint aufzugehen: Laut Dena lag der Anteil serieller Sanierungen unter den von der KfW-Bank geförderten Maßnahmen im April 2023 bei 16 Prozent. Vor Einführung des Bonus dagegen betrug der Anteil weniger als zwei Prozent.
In München, wo Wohnraum bekanntlich besonders knapp und teuer ist, werden derzeit zwei fünfgeschossige Punkthäuser der Münchener Baugenossenschaft Hartmannshofen e.G. von der B&O Bau Bayern GmbH seriell nach dem Energiesprong-Prinzip saniert und um drei zusätzliche Stockwerke in klimaneutraler Holzmassiv- und Holzrahmenbauweise nachverdichtet. Zu den 50 Bestandswohnungen kommen so 24 großzügige Wohnungen mit einer Gesamtwohnfläche von rund 1.900 m² hinzu.
Durch den Anbau von Aufzügen ist zukünftig auch für die Bewohner der Bestandswohnungen ein barrierefreier Zugang zu ihren Wohnungen möglich. Durch Förderungen nach dem Förderprogramm München Modell-Genossenschaften profitieren von dieser Maßnahme vor allem Haushalte mit mittlerem Einkommen und mehreren Kindern. Die zusätzlichen Mieteinnahmen leisten zudem einen wesentlichen Beitrag zur Refinanzierung der Sanierungsmaßnahme.
Typische 1960er-Jahre-Architektur
Die Fassaden der beiden Münchener Punkthäuser sind typisch für die Siedlungsarchitektur der 1960er Jahre. Eine Dämmung wurde auf der in Massivbauweise erstellten Gebäudehülle bislang nicht aufgebracht. Durch die jetzt realisierte Maßnahme jedoch konnte in Kombination mit einer Wärmepumpe für die Häuser ein klimaneutraler Status erreicht werden.
Dazu erhält die Bestandsfassade statt eines klassischen Wärmedämmverbundsystems eine neue Hülle aus Holzrahmenelementen, die bereits mit fertig eingebauten Fenstern quasi wie eine Schale vor der Fassade der Bestandsbauten montiert wird. Die vorhandenen Balkone mussten dafür abgeschnitten werden. Sie werden später durch neue, thermisch getrennte, ersetzt.
Die geschosshoch unter idealen Bedingungen in den Werkstätten der Huber & Sohn GmbH & Co. KG aus Eiselfing vorgefertigten Fassadenelemente bestehen aus einem Holzrahmenbau (160 mm) sowie einer Gefachdämmung aus Mineralwolle WLG 035, die dicht zwischen den Ständern verlegt wird. Die Konstruktion wird außenseitig geschlossen mit fermacell® Gipsfaserplatten 18 mm und einer Fassadenschutzfolie mit waagerecht aufgebrachter Lattung aus Nadelholz zur abschließenden Befestigung der Fassadenbekleidung. Die Dämmung des Hohlraums zwischen den neuen, vorgesetzten Fassadenelementen und der alten Fassade des Bestandsbaus erfolgt mit 90 mm Mineralwolle WLG 035.
Ursprünglich war vorgesehen, die gesamte Fläche der neuen Fassade mit einer Holzschalung auszustatten. Da aber die Nordseite der Gebäude für die Feuerwehr nicht erreichbar war, wurde für diesen Bereich eine schwer entflammbare Fassadenbekleidung gefordert. Die Wahl fiel schließlich auf Hardie® Architectural Panel Fassadentafeln mit der Oberflächenvariante gebürsteter Beton.
Die großformatigen Fassadentafeln aus Faserzement (3048 mm x 1220 mm) sind nicht brennbar (Baustoffklasse A2-s1, d0) und können somit für Fassaden in allen Gebäudeklassen eingesetzt werden. Die Oberflächen sind pflegeleicht, witterungsbeständig und mit einem lichtbeständigen Farbfinish ausgestattet, so dass langlebige Lösungen realisiert werden können, die nachhaltig sind. Dazu sorgen geringe Wartungskosten über die gesamte Lebensdauer des Gebäudes für hohe Wirtschaftlichkeit.
Umweltbewusstes Bauen
Zudem werden mit Hardie® Architectural Panel Fassadentafeln die Anforderungen an nachhaltiges Bauen erfüllt. Hersteller James Hardie verwendet für seine neue Produktgeneration von Hardie® Plank und Hardie® Panel Fassadenbekleidungen einen Faserzement mittlerer Dichte. Das reduziert die CO2-Emissionen erheblich. Die nachhaltigen Eigenschaften der Hardie® Fassadenlösungen wurden mit der Environmental Product Declaration (EPD) zertifiziert. Die EPD gewährleistet, dass Hardie® Architectural Panel Fassadentafeln an allen Gebäuden installiert werden können, die gemäß der Gebäudezertifizierungssysteme von DGNB, BNB, BREEAM und LEED bewertet werden sollen.
Ausgezeichnete Fassade
„Mit Hardie® Architectural Panel Fassadentafeln konnte bei den beiden Punkthäusern in Moosach-Hartmannshofen die geforderte schwer entflammbare Fassade realisiert werden“, erklärt Martin Nachtwey, Dipl.-Ing. (FH) Holzbau und Ausbau und bei Huber & Sohn als Teamleiter Projektbau tätig, die Materialwahl. „Die weitere Gestaltung der Fassade hat sich dann architektonisch ergeben.“
So wurden die Faserzement-Fassadentafeln von James Hardie auch rundherum im gesamten Erdgeschoss sowie in Sturzbereichen über den Fenstern und in Fensterlaibungen montiert, um die Optik aufzulockern. Ein schmales, etwa 60 cm hohes Band markiert den Übergang zwischen Bestandsbau und der Aufstockung. Mit den pointiert eingesetzten Elementen ist Planer und Bauherr der Beweis gelungen, dass auch im mietgünstigen Wohnbau eine unter dem Aspekt von wirtschaftlicher Nachhaltigkeit geplante Fassade nicht trist sein muss, sondern durchaus abwechslungsreich gestaltet sein kann und gefallen darf.
Dies liegt sicher auch am Design der Fassadentafeln: Durch die geprägte Oberflächenstruktur entstehen je nach Lichteinfall besonders bei der Variante ‚Gebürsteter Beton‘ lebhafte Lichtreflexe mit unerwarteten Effekten. Die Fassaden der beiden Münchener Punkthäuser wurden in der Farbe Kieselgrau ausgeführt. Grundsätzlich stehen Architekten sechs moderne Standardfarben und nahezu unbegrenzt viele, individuell wählbare Sonderfarben zur Verfügung.
Für ihr Design erhielten die Hardie® Architectural Panel Fassadentafeln bereits mehrfache Auszeichnungen. So wurden sie in diesem Jahr als eines der innovativsten Produkte für Fassadenverkleidungen mit dem BLT Construction Product Award in den Kategorien „Construction Product Design – Flooring & Concrete Materials and Structures“ und „Outdoor Systems and Products“ prämiert. Der Plus X Award würdigt das innovative Design, die außergewöhnliche Qualität und die Benutzerfreundlichkeit. Und der Rat für Formgebung zeichnete die Hardie® Architectural Panel Fassadentafeln als „Winner“ in der Kategorie “Excellent Product Design - Building and Elements” mit dem German Design Award 2024 aus.
Schnelle Montage
Die einzelnen Wandelemente kamen auf Wechselbrücken mit einem Tiefbettsattelauflieger zur Baustelle und konnten vor Ort mit einem Hochbaukran versetzt werden. Die Ablastung der vertikalen Lasten der Wände erfolgte für alle fünf Geschosse über Konsolen am Sockel. Um die Horizontallasten abzufangen, wurden die Wände geschossweise mit Stahlwinkeln in den Betongeschossdecken des Bestandsbau verankert. Dabei stellten die Handwerker die einzelnen Elemente aufeinander und verschraubten sie miteinander.
„Die Schwierigkeit war vor allem, die Fassadenelemente zwischen dem bestehenden Gerüst, das für den Rückbau des Daches sowie für die spätere Aufstockung benötigt wurde, und der Bestandsfassade teilweise über fünf Geschosse hinweg einzufädeln“, beschreibt Martin Nachtwey die Herausforderung. Die Dämmung der einzelnen Elemente erfolgte vor Ort und wurde geschossweise ‚eingeblasen‘.
Insgesamt konnten die Arbeiten trotz der Größe der beiden Objekte in relativ kurzer Zeit abgeschlossen werden. Hier spielt der hohe Vorfertigungsgrad eine Rolle, der den sonst sehr hohen Anteil handwerklicher Arbeit merklich reduzierte und eine schnelle und reibungslose Montage der Elemente gewährleistete. Nach Angaben von Huber & Sohn betrug die Arbeitsvorbereitung vor Produktionsbeginn im Werk für beide Häuser ca. 15 Wochen. Für die Herstellung der Wandelemente im Werk (auf einer Fertigungsstraße) benötigten die Mitarbeiter des 1923 gegründeten Familienunternehmens eine Woche pro Geschoss, für die fünf Geschosse der beiden Häuser insgesamt zehn Wochen. Vor Ort konnte innerhalb von nur drei Tagen jeweils eine Etage fertiggestellt werden.
Mit Rücksicht auf die Mieter, die während der gesamten Maßnahme in den beiden Bestandsbauten wohnen blieben, entschloss sich das ausführende Unternehmen, die Montage der Wandelemente stockwerksweise und nicht fassadenweise auszuführen. Da jede Wohnung über mehrere Fassadenseiten verfügte, mussten die Monteure so nur einmal in die einzelnen Wohnungen hinein, um von innen die Anschlüsse der Fensterleibungen herzustellen.
Aus dem gleichen Grund entschloss man sich auch, die Installationen für die Anbindung der neuen Heizkörper, die die alten Gasöfen ersetzen sollten, auf dem alten Außenmauerwerk des Bestandbaus zu verlegen. Sie verschwanden später ohnehin vollständig hinter der neuen, vorgesetzten Fassade. So ganz ließen sich weitere Störungen der Bewohner u. a. zum Ausbau der alten Fenster, für den Einbau neuer Fensterinnenlaibungen oder Lüfter jedoch trotzdem nicht vermeiden.