Halbherzige Maßnahmen statt zupackende Lösungen
Elisabeth Gendziorra, Geschäftsführerin des BFW Nordrhein-Westfalen, spricht Klartext zur Wohnungsbaukrise.
Seit der Zinswende sind nun gut zwei Jahre vergangen. Nach mehr als einem Jahrzehnt Niedrigzinsphase war das aus Sicht der Finanzpolitik eine überfällige Rückkehr zur Normalität. Der Baubranche nützt dies wenig. Die meisten Menschen können sich das überteuerte Produkt Wohnen nicht mehr leisten. Bei den Baugenehmigungen geht es seit 24 Monaten bergab. Gleichzeitig herrscht hoher Wohnraumbedarf und Sanierungsdruck im Wohnungsbestand. Bis zu 800.000 neue Wohnungen fehlen, die Sanierungsquote schlummert seit Jahren unter 1 % und sinkt weiter.
Die üblichen Politikantworten beim Thema Wohnen tragen nicht mehr. Mietpreiseingriffe schützen die, die schon wohnen. Wer sich wohnlich verändern möchte oder muss, steht in Deutschland vor der Tür. Zugegeben, nicht überall, aber überall da, wo die meisten Menschen nun mal gerne wohnen und arbeiten.
Vereinzelte Lösungsansätze wie die degressive Afa für Neubaumietwohnungen brauchen mehr als 6 Monate bis zur Verabschiedung im Parlament. Projekte, für die 2021 noch eine KfW-Förderung mit dem energetischen Standard 55 beantragt wurde, laufen aktuell Gefahr, nicht mehr realisiert zu werden. Das Bundeswirtschaftsministerium erkennt noch keine Notwendigkeit, Fristen zu verlängern und damit bereits genehmigten Wohnraum zumindest „in der Projektpipeline“ zu halten.
Zwei Jahre Krise und dennoch ist die Umsetzung umfassender Maßnahmenpakete nicht in Sicht. Es bleibt abzuwarten, ob der mit Spannung erwartete „Gebäudetyp E“ als rechtlich sichere Möglichkeit eines einfachen Bauens den Aufschwung am Bau bringt oder abermals eine Einzelmaßnahme für ausgewählte Wohnungsbauformen wie Mietwohnungsbau bleibt.
Aktuell erlebt das Wohnraumförderprogramm für bezahlbares Wohnen in Nordrhein-Westfalen einen „Run“ auf die Fördertöpfe. Das ist auf den ersten Blick gut, belegt aber deutlich, dass freifinanziertes Bauen kaum noch möglich ist. Die Perspektive macht Sorge. Angesichts der jüngsten Meldungen zu sinkenden Steuereinnahmen von knapp 22 Milliarden Euro im nächsten Jahr ist absehbar, dass auch der geförderte Wohnungsbau eine Absenkung der Baukosten braucht, damit im Zweifel bei gleichbleibenden oder sinkenden Fördervolumina mehr Wohneinheiten ermöglicht werden.
In den Bundesländern ist der Handlungsdruck erkannt. Auf dem kürzlichen Ländergipfel von Nordrhein-Westfalen und Brandenburg waren sich die Allianzen aus Repräsentanten der Ministerien, der Wohnungs- und Bauwirtschaft einig: Mehr Ideen, weniger Ideologie!
Das föderale System und die damit verbundenen (Mit-)Bestimmungsrechte von Bund, Ländern und Kommunen haben das Bauen in Deutschland zu einem der komplexesten Aufgabenfelder gemacht hat. Statt Ziele zu setzen, wird kleinteilig verhandelt, wie der Weg zum Ziel zu beschreiten ist. Weniger innovationsfeindlich geht nicht.
Es braucht Mut und stringentes Handeln von der Bundesebene bis in die Ratsstube einer jeden Kommune, damit es beim Bauen wieder mehr um Zielsetzungen geht und die Ausgestaltung den Fachexperten überlassen wird.
Zwei Jahre Stillstand sind genug. Jetzt ist die Zeit, die Baustelle Deutschland endlich in Angriff zu nehmen und für die Zukunft fit zu machen.