Wohnen, wo früher Panzer standen
Aus einer Halle, in der einst Panzer gewartet und untergebracht wurden, wird moderner Wohnraum für Familien, Paare und Singles. Die Umnutzung erforderte von krüger architektur nicht nur besondere Lösungen in planerischer Hinsicht, sondern auch Gespür für Geschichte und Potenzial des Bestands.
Mit dem Abzug der französischen Truppen im Jahr 1999 wurde im Landauer Süden eine Fläche von 331 Hektar frei. Rund 100 Hektar davon waren bebaut mit Gebäuden der Mangin-Kaserne, der Kaserne Jeanne d-Arc und der Doppelkaserne Estienne et Foch. Im Rahmen einer entsprechend großangelegten Konversionsmaßnahme wurden die Areale nach und nach zu Wohnquartieren umgewandelt. Ein Teil des ursprünglich militärischen Bestands blieb dabei erhalten. Ein weiterer – darunter vor allem Bauten, die damals zu technisch-logistischen Zwecken dienten – wurde rückgebaut und durch Neubauten ersetzt.
Nicht jedoch die Panzerhalle an der Richard-Joseph-Straße, die erst im Jahr 1944 durch die Wehrmacht errichtet worden war. Während die restlichen Zeitzeugen als erhaltenswert eingestuft wurden und um sie herum ein Neubau nach dem anderen entstand, fiel der kolossale Bau der Zeit zum Opfer. Im Rahmen der Landesgartenschau 2015 wurde er noch einmal als Blumenhalle zwischengenutzt, zu diesem Zeitpunkt stand der Abriss allerdings bereits fest. Erst durch die Initiative des Architekten Dirk Lampe, der ein Konzept zum Erhalt erarbeitete, konnte der Rückbau der Panzerhalle mit einer knappen Mehrheit abgewendet werden.
Haus-im-Haus mal anders
Heute steht das Gebäude wie ein Satellit inmitten klassischer Wohnbebauung. Das war auch so gewünscht, wie René Krüger sich erinnert. „Der Wettbewerb, der zur Wiederbelebung der Panzerhalle ausgelobt wurde, forderte einerseits eine Wohnnutzung. Andererseits sollte das architektonische Erscheinungsbild erhalten bleiben“, erläutert der Architekt und Inhaber des gleichnamigen Büros krüger architektur, das den Wettbewerb schließlich gemeinsam mit seinem Auftraggeber, der Bösherz Immobilien GmbH, für sich entscheiden konnte. Genau diese Vorgaben machten die Aufgabe allerdings auch zu einer planerischen Herausforderung. „Eine Gewerbenutzung wäre letzten Endes einfacher gewesen, da mit ihr nicht so hohe Anforderungen an Energieeffizienz, Raumklima, Schall- und Brandschutz einhergegangen wären“, blickt Krüger zurück. Dank ihrer langjährigen Expertise im Bauen im Bestand fanden die Architekt*innen eine Lösung, die den meisten eher als ein Gestaltungsmittel bekannt ist: das „Haus-im-Haus“-Konzept.
Auf den Spuren des Bestands
Die brutalistische Stahlbeton-Skelettkonstruktion blieb außen wie innen erhalten und wurde an vereinzelten Stellen repariert und konserviert. In die Struktur hinein stellte man ein weiteres Gebäude – mit eigener Gründung, Außen- wie Innenwänden, Geschossdecke und Dach. Die Außenwände wurden mit einer Holzfassade bekleidet, die durch die erhaltenen Sprossenfenster sichtbar ist. Der Grundriss orientiert sich am Raster des Bestands und bildet Schotten aus, die mit Kalksandstein von KS-Original gemauert wurden. „Ausschlaggebend hierfür war vor allem der Schallschutz. Wir haben uns für einen Kalksandstein mit einer Rohdichte von 2,0 entschieden, wodurch wir auf der sicheren Seite sind“, begründet Krüger die Entscheidung. Diese Anforderung bezog sich auf die Trennwände zwischen den Wohnungen sowie auch auf die Wände zur zentralen, circa acht Meter hohen Erschließungshalle. Letztere wurden zusätzlich mit einem Wärmedämmverbundsystem versehen, um Wärmeverluste zum unbeheizten Flur zu vermeiden.
Und auch bei der Umsetzung waren kreative Lösungen gefragt. Denn nachdem die Geschossdecken fertiggestellt waren, konnten die Kalksandsteine nicht mehr über einen ebenerdigen Zugang in das Gebäude gebracht werden. Stattdessen nutzte man das Oberlicht, um sie durch das Dach mit einem Kran und auf Paletten auf die zweite Ebene zu heben und zu verteilen. „Wir haben schon oft mit Kalksandsteinen gearbeitet. Hier haben wir aber zum ersten Mal die XL-Rasterelemente verwendet, um den logistischen Aufwand gering zu halten“, erklärt Krüger. „Heißt, wir hatten weniger Steine, die verteilt werden mussten und konnten entsprechend schneller mauern.“
Leitern, Laufkatzen und Tore
Auf diese Weise wurden aus ursprünglich einem Raum 15 Wohneinheiten, die heute von verschiedensten Generationen bewohnt werden. Und mehr noch: krüger architektur gelang es, die einstige Nutzung des Gebäudes sozusagen „umzukehren“. „Früher wurde die Halle zur Unterbringung und Wartung von Panzern genutzt – heute ist es ein Raum, der von Menschen bewohnt und in dem eine Gemeinschaft gepflegt wird“, erklärt der Architekt. Die einstige Architektur aus der Zeit des Nationalsozialismus, die viele Jahre dem Verfall ausgesetzt war, erhält einen neuen Wert, ohne dabei ihre Vergangenheit zu verleugnen.
Neben dem äußeren Erscheinungsbild beeindruckt auch der Innenraum. Betritt man die Erschließungshalle, so wandert der Blick entlang der kolossalen Tragstruktur zunächst einmal nach oben. Erst im zweiten Moment fallen erhaltene Details wie Leitern oder die Konsolen für Laufkatzen auf. Innerhalb der Wohnungen dienen die einstigen Tore der Panzerhalle als Schiebetüren und finden zudem als Trennelement zwischen den Gärten eine neue Verwendung.
Besondere Lösungen für besondere Herausforderungen
So reizvoll die Aufgabe des Bestandserhalts für René Krüger ist, so viel Kompromissbereitschaft von Seiten des Bauherrn erfordert sie auch. „Wir sprechen hier ja nicht nur von Sanierungen, sondern auch von Umnutzungen.Die Qualität der Bausubstanz stellte bei Weitem nicht das Optimum dar, das für ein Wohngebäude erforderlich ist. Gleichzeitig möchte man ja in einem gewissen wirtschaftlichen Rahmen bleiben“, erläutert er. „Hier in Landau hatten wir das Glück, dass der Bauherr zu Kompromissen und besonderen Lösungen bereit war.“ Das zeigt sich neben dem Haus-im-Haus-Ansatz auch im Anschluss der Tiefgarage. Diese liegt unter den benachbarten Neubauten und sollte barrierefrei mit dem Bestand verbunden werden. „Wir haben also einen Stichflur geplant, was bedeutete, dass wir die riesigen Punktfundamente, die unter den Stützen sind, freilegen und mit einem speziellen Injektionsverfahren unterspritzen mussten. Das war definitiv etwas, was man nur selten miterlebt.“
Zurück in die Zukunft
Die Panzerhalle in Landau ist eines der inzwischen vielen Beispiele, die zeigen, dass sich der Wert eines Gebäudes nicht nur wiederherstellen, sondern auf ideeller Ebene von Grund auf neu schaffen lässt. Besagte Kompromissbereitschaft und außergewöhnliche Lösungen sind dabei ebenso wichtig wie die Rückbesinnung auf einfache, bewährte Bauweisen und Materialien. „Am besten sieht man das an den Gebäuden, die vor 100 oder 200 Jahren gebaut wurden und bis heute stehen. Man folgte damals keinem kurzweiligen Modetrend, sondern baute entsprechend des Bedarfs – und zwar robust und dementsprechend langlebig. Das sind für mich wesentliche Aspekte des einfachen Bauens“, resümiert Krüger abschließend.