Aufstockung

Neuer Wohnraum in blau

Die Aufstockung vorhandener Bauwerke rückt zunehmend in den Blickpunkt. So auch in Münster, wo „Varwick Architekten“ eine Wohngenossenschaft von den Vorzügen neuer Wohnräume auf altem Bestand überzeugen konnten.

Seit 1955 befinden sich die fünf Mehrfamilienhäuser an der Dreizehnerstraße im Besitz des Bauvereins Ketteler und sind damit fast so alt wie die Genossenschaft selbst. Nachdem sie zuletzt in den 1990er-Jahren reihenweise mit einem Wärmedämmverbundsystem ausgestattet wurden, standen die Eigentümer nun vor der Frage, wie die vorhandenen Strukturen an heutige Anforderungen hinsichtlich energetischer Effizienz und Wohnkomfort angepasst werden könnten.

Von drei Büros, die die Genossenschaft im Rahmen eines geschlossenen Wettbewerbs um Vorschläge gebeten hatte, sprachen sich zwei für einen Abriss und die anschließende Neubebauung der Fläche aus. Lediglich Varwick Architekten aus dem benachbarten Steinfurt plädierten für den Erhalt, die Renovierung und Erweiterung der bestehenden Strukturen – und konnten die Entscheidungsträger des Bauvereins für ihre Lösung gewinnen.

Energetische Runderneuerung

Die Architekten, die bereits zuvor für den Bauverein tätig gewesen waren, strebten dabei eine umfassende und nachhaltige Aufwertung der Wohnhäuser an: Die bestehenden Gebäude sollten mithilfe einer neuen Außendämmung energetisch in KfW 55-Häuser überführt, sämtliche Wohnungen vollständig saniert und mit Balkonen ausgestattet werden. Darüber hinaus sahen die Pläne vor, die einzelnen Gebäude jeweils um ein Voll- sowie ein Dachgeschoss aufzustocken und die Dächer mit Solar-Anlagen zu versehen.

Rücksichtnahme durch genaue Planung

Im Februar 2018 begannen die Arbeiten am ersten Mehrfamilienwohnhaus. Um die Belastungen für die Bewohner möglichst gering zu halten, waren vor allem die Arbeiten in den Wohnungen eng getaktet: Pro Woche wurde jeweils ein Strang mit drei Wohnungen saniert und dabei von den Bädern über die Fenster bis zur Elektrik auf den neusten Stand gebracht. Parallel dazu starteten die Vorarbeiten für die Aufstockung des Gebäudes, die die Anzahl der Wohnungen von 32 auf 48 erhöhte. Nachdem die alten Dachkonstruktionen abgetragen waren, musste hierfür zunächst die Deckenstruktur überarbeitet werden, die nicht mehr tragfähig war. Sie wurde vollständig mit Hohlrippendecken überspannt, mit denen sich die Kräfte in die Außen- und Treppenhauswände ableiten ließen.

Das Mauerwerk der Bestandsbauten hingegen hatte sich nach einer vorherigen statischen Begutachtung als tragfähig genug für die geplante Wohnraumerweiterung erwiesen. Als „bekennende Massivbauer“ entschied sich das Team um Martin Varwick für das großformatige Bausystem KS-PLUS: „Kalksandstein bietet den idealen Brandschutz, was bei der Höhe der neuen Wohnungen von großer Bedeutung ist. Außerdem ist der Schallschutz hervorragend und die Steine sehr belastbar“, wie der Bürogründer erklärt.

Eine passgenaue Lösung

Mit der Entscheidung für die vorgefertigten Wandbausätze wählten die Architekten eine Lösung, die wie gemacht scheint für das Bauen im Bestand – zumal, wenn dieser über den gesamten Zeitraum hinweg bewohnt bleibt: Die Regelelemente werden entsprechend der zuvor erfolgten Planung des Architekten durch individuell zugeschnittene Passelemente komplettiert und vorkonfektioniert an die Baustelle geliefert. Dadurch entfallen längere Lagerzeiten und aufwändige Anpassungsarbeiten der Steine vor Ort. Ergänzt werden die zeitsparenden Arbeitsabläufe durch die Vorteile der funktionsgetrennten KS-Bauweise. Diese erlaubt die Optimierung der Außenhülle ohne Zielkonflikte. Die energetischen Anforderungen an die Aufstockung konnten so besonders wirtschaftlich umgesetzt werden, was zusammen mit Sanierungs-Förderungen und -Zuschüssen dazu beigetragen hat, das Mietniveau stabil zu halten.

Sichtbare Neuerung

Neben der Wirtschaftlichkeit zeichnet sich das Bauen mit Kalksandstein auch durch gestalterische Flexibilität in der Fassade aus, was das Steinfurter Büro für einen selbstbewussten Umgang mit der Aufstockung nutzte: Die Dämmschicht aller nun fünf Stockwerke erfüllt energetisch selbstverständlich die gleichen hohen Standards. Doch während der Bestand in neutralem Weiß verputzt wurde, sind die neuen Etagen mit einer vorgehängten, hinterlüfteten Fassade aus hellblauen, rechteckigen Paneelen verkleidet. Diese verleihen der Hülle Struktur und eine freundliche, leichte Anmutung, die das Gebäude auch farblich dem Himmel ein Stück näherbringt.


Ein Plus an Lebensqualität

Die für die Bewohner vielleicht wichtigste Neuerung wurde auf der von der Straße abgewandten Seite des Mehrfamilienhauses umgesetzt: Alle Wohnungen erhielten Balkonausbauten und wurden damit noch einmal deutlich aufgewertet. Schnell stellte sich heraus, dass dieser Anbau allen Beteiligten zugutekam: „Es wurde von Block zu Block einfacher, die Mieterinnen und Mieter von den Sanierungsarbeiten zu überzeugen“, erzählt Martin Varwick: „Alle freuen sich über neue Balkone!“ Denn nach der erfolgreichen „Premiere“ folgten die weiteren Gebäude des Bauvereins in der Dreizehnerstraße. Aktuell wird bereits der dritte Wohnblock saniert und aufgestockt, der vierte wird ab 2021 runderneuert.

Großes Potenzial

Dass das Thema Aufstockung damit für sein Büro nicht abgeschlossen ist, davon ist Varwick überzeugt: „Eine solche Lösung ist für Großstädte selbstverständlich, aber auch in Kleinstädten sinnvoll. Der Ansatz ist ökologisch, stärkt gewachsene Strukturen und reduziert den Flächenbedarf für neuen Wohnraum.“ Was die Möglichkeiten anbetrifft, geben die Zahlen ihm auf jeden Fall recht: Auf 2,7 Mio. zusätzliche Wohneinheiten schätzen ForscherInnen der TU Darmstadt und des Pestel-Instituts in Hannover das Potenzial durch Aufstockungen in Deutschland in einer 2019 veröffentlichten Studie.

Allein 1,1 bis 1,5 Mio. davon könnten auf Wohngebäuden der 1950er- bis 90er-Jahre entstehen. Mit seinem Produktprogramm bietet der Markenverbund mittelständischer Kalksandsteinhersteller vielfältige Lösungen für das Bauen im Bestand – von großformatigen Systemen bis hin zu Steinen für kleingliedrige Grundrisse.

„Kalksandstein bietet den idealen Brandschutz, was bei der Höhe der neuen Wohnungen von großer Bedeutung ist. Außerdem ist der Schallschutz hervorragend und die Steine sehr belastbar.“

x

Thematisch passende Artikel:

Lübecker Bauverein erwirbt 392 Wohnungen

Der Lübecker Bauverein hat zum 1. Februar 2015 insgesamt 392 Wohnungen in der Langeneßallee in Lübeck-St. Lorenz Nord erworben. Damit erhöht sich das eigene, von der Genossenschaft verwaltete...

mehr

Glasfaser für Vaterländischen Bauverein: Fast 2.100 Wohnungen werden an das Netz der Telekom angeschlossen

Die Telekom wird alle fast 2.100 Wohnungen des Vaterländischen Bauvereins in Berlin an ihr Glasfasernetz anschließen. Der kostenfreie Ausbau bis in die Wohnungen wird bis Ende 2024 abgeschlossen...

mehr

Erfolgreiche Kraftanstrengung: Trotz der Coronapandemie setzte der Altonaer Spar- und Bauverein sein Modernisierungsprogramm plangemäß fort

151 Wohnungen fertiggestellt, 500 weitere in Bearbeitung oder Vorbereitung: Auch im Geschäftsjahr 2020 und somit dem ersten Jahr der Coronapandemie konnte die Altonaer Spar- und Bauverein eG (altoba,...

mehr

Bauverein AG zahlte zum 150-jährigen Bestehen Jubiläumsdividende

Die bauverein AG (www.bauvereinag.de) zeigte sich 2014 spendabel. Das städtische Wohnungsunternehmen schüttete zum 150-jährigen Bestehen eine Dividende von 150 € je Aktie an die Anteilseigner aus,...

mehr

Altonaer Spar- und Bauverein mit positiver Bilanz, aber: „Wir bauen nicht um jeden Preis“

Mit 166 fertiggestellten Wohnungen und der konsequenten Fortsetzung ihres Modernisierungsprogramms blickt der Altonaer Spar- und Bauverein (altoba, www.altoba.de) die altoba positiv auf das...

mehr