Zwischen Wirtschaftsflaute und Vier-Tage-Woche

So düster wie zurzeit war die Stimmung in der deutschen Wirtschaft schon lange nicht mehr. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat seine Wachstumsprognose für Deutschland abgesenkt. Demnach wächst die Wirtschaft in diesem Jahr nur um 0,3 Prozent. Das ist das schwächste Wachstum aller führenden westlichen G7-Industriestaaten.

Aktuelle (negative) Konjunkturdaten sorgen zudem dafür, dass die Verunsicherung der Bundesbürger recht hoch ist und die Neigung zur Schwarzmalerei (auch Defaitismus genannt) entsprechend wächst. Neben der überbordenden Bürokratie sowie den Transformationsprozessen in Industrie und Handel sorgt der Fachkräftemangel vielerorts für begründete Sorgen.

Er ist inzwischen im Herzen der deutschen Wohnungswirtschaft angekommen und wird sich in den kommenden Jahren durch das Ausscheiden der geburtenstarken Jahrgänge noch verstärken. Das stellt Hausverwaltungen genauso vor gewaltige Herausforderungen wie nahezu alle Wirtschaftsunternehmen der Branche, die in puncto Leistungsfähigkeit, Prozesssicherheit und Kundenservice weiter vorn dabei sein wollen.

„Mit dem Ausscheiden der sogenannten Babyboomer bekommt der Fachkräftemangel in Deutschland eine neue Dimension.“ Zu diesem Schluss kommt auch Jens Warkentin, Vorstandsvorsitzender von HDI Deutschland, nach Vorstellung der aktuellen HDI Berufe-Studie 2024. Für die Erhebung wurden 3.748 Erwerbstätige ab 15 Jahren repräsentativ nach Alter und Geschlecht in allen Bundesländern im Zeitraum von Juni bis Juli 2024 befragt.

Gleichzeitig gelingt es demnach nicht, mit bedarfsgerechten Kinderbetreuungsangeboten diejenigen zu unterstützen, die eigentlich gerne mehr arbeiten wollen. Das betrifft vor allen Dingen (weibliche) Teilzeitkräfte, die für die Verwaltungstätigkeiten in der Wohnungswirtschaft von hohem Interesse sind. Laut Warkentin bildet das Thema ein enormes Spannungsfeld, welches die gesamte deutsche Gesellschaft vor große Herausforderungen stellt und deren Lösung existenziell ist.

Wohnungswirtschaft braucht Handwerker

Zudem verlassen jährlich hunderttausende Menschen mehr den Arbeitsmarkt, als neue hinzukommen. Bereits jetzt gibt es schätzungsweise rund 250.000 offene Stellen im Handwerk. Darüber hinaus steht in den kommenden fünf Jahren nach Einschätzung des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) bei rund 125.000 Betrieben die Betriebsnachfolge an, die den Fachkräfte- und Führungskräftebedarf weiter erhöhen dürfte. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Schulabsolventinnen und -absolventen seit Jahren ab, und aus dieser ohnehin kleineren Gruppe potenzieller Ausbildungsanfängerinnen und -anfänger entscheiden sich immer weniger für eine berufliche Ausbildung.

Das hat eine Ursache in dem gesellschaftlichen Erziehungsirrtum, wonach nur mit Abitur und daran anschließendem Studium persönlicher bzw. beruflicher Erfolg zu erreichen ist. Die Zahlen belegen das erschreckend deutlich: im Studienjahr 2023 (Sommersemester 2023 und Wintersemester 2023/2024) haben sich 481 500 Studienanfängerinnen und Studienanfänger erstmals an einer deutschen Hochschule eingeschrieben. Im Vergleich dazu wurden im Jahr 2023 im Handwerk 130.413 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen.

Diese Entwicklungen sind die Hauptgründe dafür, dass es zu einem immer drängenderen Problem und schwierigeren Unterfangen geworden ist, Azubis und Fachkräfte zu gewinnen. Durchschnittlich konnten in den vergangenen Jahren rund 20.000 Ausbildungsplätze, die von den Handwerksbetrieben angeboten wurden, nicht besetzt werden. Diese heute unbesetzten Ausbildungsstellen sind die fehlenden Fachkräfte und Meister von morgen, die dringend für notwendige Modernisierungsprozesse im Wohnungsbestand benötigt werden.

In der Praxis können Hausverwalter schon seit geraumer Zeit ein Lied davon singen, welches mehrere Strophen hat. Uwe Rhode ist Geschäftsführer der Werner Rhode Hausverwaltungen KG in Osnabrück. Er betreut mit seinem 12-köpfigen Team etwa 5.000 Wohneinheiten in der Region und steht beispielhaft für viele Mittelständler der Branche. Seine Erfahrung zum Fachkräftemangel teilt sich in zwei wesentliche Teile. Wörtlich dazu: „Wir kämpfen seit Jahren an zwei Fronten. Auf der einen Seite finden wir kaum Mitarbeiter, um dem gestiegenen Anspruch unserer Kunden an die Hausverwaltung gerecht zu werden. Auf der anderen Seite müssen wir unsere Service- und Handwerkspartner ständig motivieren, damit sie realistische Angebote erstellen, ihre Arbeitsaufträge pünktlich erledigen und ordentliche Beratungsleistungen erbringen. Hinzu kommt häufig eine mangelhafte Zuverlässigkeit, die wir vor Jahren so noch nicht kannten. Das stresst uns enorm“.

Was kann der Branche helfen?

Egal wie wir es betrachten: Der Fachkräftemangel wirkt sich auf nahezu alle Bereiche der deutschen Wohnungswirtschaft aus. Ob bei Bau- und Sanierungsprojekten, in der Immobilienverwaltung oder der allgemeinen Wohnraumbereitstellung – die Folgen sind heute bereits deutlich spürbar und die Situation wird sich aufgrund der demografischen Entwicklung nicht entspannen. Um qualifizierte Kräfte für die Wohnungswirtschaft zu begeistern, muss die Branche ihre Attraktivität als Arbeitgeber steigern. Folgende Punkte sollten deshalb kurz- und mittelfristig bedacht werden:

– Flexible Arbeitszeitmodelle anbieten

– Sozial- und sonstige Leistungen prüfen

– Aus- und Weiterbildung aktiv anbieten

– Quereinsteiger fördern

– Karrierewege aufzeigen

– IHK und Ausbildungsmessen nutzen

– Kooperation mit Hoch- und Fachschulen

– Duale Studiengänge anbieten

– Digitale Lösungen bieten

– Automatisierte Prozesse fördern

– Positives Arbeitsklima schaffen

– Unternehmenskultur erlebbar machen

Fazit:

Ein ganzheitlicher Ansatz, der auf Arbeitgeberattraktivität, gezielter Personalentwicklung und Modernisierung durch Digitalisierung setzt, kann dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Durch die Kombination aus kurzfristigen Maßnahmen sowie strategischen Anpassungen sollte die Wohnungswirtschaft in der Lage sein, ihre Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität als Arbeitgeber nachhaltig zu stärken.

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