Die Baubranche boomt: Experten fordern intelligente Lösungen für mehr Wohnraum – und mehr Unterstützung von der Politik

Immer strengere bürokratische Hürden und explodierende Baukosten bedeuten immer noch größere Herausforderungen für die gesamte Baubranche. Wie die Herkulesaufgaben der Zukunft zu meistern sind, dafür gab es jetzt jede Menge Tipps beim Mauerwerkstag 2017 in der Stadthalle Memmingen. Im Fokus der Veranstaltungen standen intelligente Lösungen und Initiativen – gerade in Hinblick auf Energieeffizienz, Schallschutz, Optimierung der Prozesse –, Forderungen an die Politik und das aktuelle Baurecht. Der Mauerwerkstag Memmingen wird jährlich von den Ziegelwerken Klosterbeuren und Bellenberg sowie der Vertriebsorganisation Südwest Ziegel organisiert und zählt mit über 300 Teilnehmern zu den bedeutendsten Fortbildungsveranstaltungen des Bauwesens in Süddeutschland.

„Wenn die Politik die Rahmenbedingungen nicht ändert, dann werden wir die gesetzten Ziele meilenweit verfehlen. Wenn die Wohneigentumsquote bis zum Jahr 2020 auf 50 % angehoben werden soll, dann braucht es neue Anreize für junge Familien und Haushalte mit mittleren und unteren Einkommen. Die Förderprogramm müssen deutlich ausgeweitet werden“, mahnte Thomas Thater, Geschäftsführer des Veranstalters Ziegelwerk Klosterbeuren. „Die aktuell gute Auftragslage in der Bauwirtschaft darf nicht dazu führen, dass die Hausaufgaben nicht mehr gemacht werden“, so Thater weiter.

Gerade im Bereich der Energie-Einsparverordnung (EnEV) haben Bauunternehmer und Architekten wieder mit verschärften Forderungen zu tun. Diplom-Ingenieur Stefan Horschler, Architekt vom Büro für Bauphysik in Hannover, gab den Teilnehmern Tipps, wie die steigenden Energieeffizienz-Standards problemlos erreicht werden können: „Nicht einfach dämmen bis der Arzt kommt. Denn mit einem projektbezogenen Wärmebrückenumschlag lassen sich die geforderten Werte auch ohne übermäßig dicke Dämmung erreichen. So bleibt mehr Platz für Wohnraum und das freut natürlich auch den Bauherr.“ In seinem Vortrag über die Erfahrungen mit der Energie-Einsparverordnung (EnEV) 2016 die kommenden Änderungen mit dem neuen Gebäudeenergiegesetz (GEG) rückte Horschler deshalb die zunehmende Bedeutung von Wärmebrücken in den Vordergrund.

Wie die Abläufe auf der Baustelle nachhaltig optimiert werden können, das zeigte Prof. Dr. Michael Krupp von der HSAOps-Forschungsgruppe für optimale Wertschöpfung der Hochschule Augsburg. Die Forschungsgruppe nahm für ihre Studien den Polier auf der Baustelle genau unter die Lupe. „Der Polier hat eine Schlüsselrolle, denn er ist enorm wichtig für die Logistik und damit für funktionierende Arbeitsabläufe auf der Baustelle“, so Krupp. Die meiste Zeit geht laut Krupp bei Sondertransporten oder Suchprozessen auf der Baustelle verloren. Krupp: „Es gibt so viele Telefonate, die man sich sparen kann, wenn man die Abläufe standardisiert.“

Dass Ziegel nicht nur dämmtechnisch, sondern auch beim Schallschutz top sind, durchleuchtete Diplom-Ingenieur Michael Gierga in seinem Vortrag „Die neue Schallschutznormung. Planungs- und Ausführungssicherheit mit Ziegeln im Geschosswohnungsbau. „Die Ziegelindustrie ist führend bei der Umsetzung der neuen Norm. Die Qualität der Schalldämmmaße ist sehr hoch und die Übereinstimmung von Prognose- und Messwerten ist beachtlich“, so Gierga. Er gab zudem praktische Tipps, um Planungsfehler beim Schallschutz zu vermieden. Passend zu den aktuellen Herausforderungen am Bau stellten Diplom-Ingenieur Hans R. Peters (Mein Ziegelhaus) und Thomas Maucher (Ziegelwerk Bellenberg) neue Ziegellösungen vor.

Der Wohnungsbau boomt. Das verdeutlichte Diplom-Kaufmann Jörg Flasdieck von der Heinze GmbH, der in seinem Vortrag „Wie geht es weiter mit dem Wohnungsbau?“ aktuelle Zahlen und Trends in der Bauentwicklung präsentierte. „Im Vergleich zu 2015 sind die Baugenehmigungen um fast das Doppelte gestiegen – gerade in Bezug auf Mehrfamilienhäuser. Hier ist richtig Musik drin“, so Flasdieck. Gute Prognosen – wäre da nicht der Nachwuchs- und Fachkräftemangel. Der hat zur Folge, dass sich die Dauer der Bauphase von der Genehmigung bis zum Rohbauabschluss deutlich verlängert hat. „Die Bauphase für Mehrfamilienhäuser dauert im Vergleich zum Jahr 2013 über zwei Monate länger“, stellte Flasdieck klar. Beliebtester Baustoff ist dabei nach wie vor der Ziegel. „Gerade in Süddeutschland und vor allem in Bayern ist der Ziegel so gefragt wie kein anderer Baustoff“, erklärte Flasdieck.

Neues vom Baurecht präsentierte Rechtsanwalt Prof. em. Dr. iur. Axel Wirth, emeritierter Universitätsprofessor für Deutsches und Internationales Öffentliches und Privates Baurecht an der Technischen Universität Darmstadt. „Gerade in Nachtragssachen laufen im deutschen Baugeschäft neun von zehn Fällen falsch. Man verlässt sich gerne auf die Versicherung, aber die kann immer nur zweites Vehikel sein“, erklärte der Baurechtsexperte, der den Teilnehmern viele aktuelle Tipps zum Architekten- und Bauvertragsrecht gab.

In der begleitenden Ausstellung präsentierten zahlreiche führende Hersteller aus der Bauindustrie ihre Produkte und Lösungen. Aufgrund der hohen Qualität und der fachlichen Neutralität haben die Bayerische Ingenieurekammer-Bau und die Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) den Mauerwerkstag Memmingen als Fortbildungsveranstaltung anerkannt. Die Besucher konnten sich ihre Teilnahme jeweils mit sieben Zeiteinheiten anrechnen lassen, die Architektenkammer Baden-Württemberg rechnet Architekten und Architekten im Praktikum (AiPs) vier Fortbildungsstunden an.

 

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