degewo-Expertenrunde zum bezahlbaren Wohnraum: „Beim Neubau mehr Experimente wagen“

10- bis 15.000 neue Wohnungen muss Berlin jedes Jahr neu bauen, um Platz in der wachsenden Stadt zu schaffen. Doch eine Neubauwohnung hat ihren Preis und den können sich viele nicht leisten. Unter der Überschrift „NEU-BAU – innovatives und kostengünstiges Bauen“, hat degewo (www.degewo.de) jetzt in Kooperation mit dem Bund Deutscher Architekten BDA zur Diskussion geladen. Die Key-Note des Abends hielt Berlins Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel. Auf dem Podium saßen namhafte Vertreter aus Wohnungswirtschaft und Architektur. Sie boten eine abwechslungsreiche Diskussion, an deren Ende sich alle einig waren: „Beim Neubau müssen wir mehr Experimente wagen“.


Mehr als 250 Gäste waren in das Deutsche Architektur Zentrum DAZ gekommen. Gleich zu Beginn gab Andreas Geisel, Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, einen umfassenden Einblick in die Neubautätigkeiten des Landes Berlin. Offen benannte er diverse Zielkonflikte, die sich aus der wachsenden Stadt ergeben, noch nicht gelöst sind und das Thema Neubau immer wieder belasten. Angefangen von Anwohnerprotesten, die sich gegen notwendige Verdichtungen wehren, über die Wohnungsbauförderung, die von der Objekt- zur Subjektförderung umgestaltet werden soll, bis hin zu steigenden Bodenpreisen und der Frage, ob Berlin nicht auch auf serielle Bauweisen zurückgreifen sollte.


Außerdem müsse man Baustandards und energetische Auflagen überdenken, um die Kosten zu minimieren. Es gebe viele kleine Stellschrauben, an denen aktuell gedreht werde, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. „Der Kampf muss aufhören zwischen denjenigen, die Wohnungen haben und denjenigen, die Wohnungen suchen. Wir alle müssen dafür sorgen, dass die Akzeptanz für Wohnungsneubau wächst“, schloss Andreas Geisel seinen Impulsvortrag und erntete viel Applaus.


degewo-Vorstand Kristina Jahn präsentierte in der anschließenden Diskussion das eigene Planungsbüro bauWerk, als Basis der Lösungsansätze von degewo. Eigenleistungen erhöhen, selbstdefinierte Planungsparameter erfüllen und bedarfsgerecht bauen – damit will Berlins führendes Wohnungsunternehmen künftig mehr neuen Wohnraum schaffen. 80 % davon zu Mietpreisen zwischen 6,50 bis maximal 10,50 €. „Der erste eigene Neubauentwurf unter der Regie unseres Planungsbüros bauWerk, am Tirschenreuther Ring in Mariengrün, hält unseren Berechnungen Stand. Die Baukosten inklusive Baunebenkosten liegen dort bei rund 1.800 € pro m². Damit können wir die anvisierten Mieten realisieren“, sagte Kristina Jahn.


Kritische Fragen und Anmerkungen machte Prof. Arno Brandlhuber. Der Architekt und Hochschullehrer mahnte: „degewo hat in den letzten 20 Jahren keine Erfahrungen mit Neubauten gesammelt und ist aus dieser Tradition heraus nicht der innovativste Akteur.“ Kristina Jahn hielt ihm entgegen: „Es stimmt, dass Neubau in den vergangenen Jahren keine große Rolle spielte. Aber wir lernen dazu und sind bereit neue Wege zu gehen.“ Dem Hinweis von Prof. Brandlhuber, Berlin müsse beim Neubau mehr ausprobieren, es gebe zu wenige Testbauten, widersprach Jahn mit dem Verweis auf das degewo-Zukunftshaus in Lankwitz. Ende 2015 könnte die Planungsphase abgeschlossen sein und die Umbauarbeiten beginnen. „Wir wollen mit dem Zukunftshaus viel lernen, wollen ausprobieren, um die so gewonnen Erfahrungen für unser weiteres Handeln zu nutzen.“


Dr. Thomas Welter, Bundesgeschäftsführer des Bundes Deutscher Architekten BDA, kritisierte das in seinen Augen ausufernde Normwesen und die Folgen der gesamtschuldnerischen Haftung. Beides hemme Innovationen und Experimente. Dabei gelte es, neue Potenziale zur kosteneffizienten Gestaltung von Neubaumaßnahmen zu heben. „Was wir brauchen, sind clevere Grundrisse. Wir müssen neue Wege suchen, innovativ zu sein. Die Digitalisierung der Bauwirtschaft erlaubt auch, über die Nutzung von seriell vorgefertigten Bauteilen zu reden, ohne dass man dabei gleich an eine Rückkehr zur Plattenbauweise denkt.“


In der lebhaften Diskussionsrunde sagte Ricarda Pätzold vom Deutschen Institut für Urbanistik: „Wir müssen aufhören, nach der neuen Wohnform zu suchen. Was wir brauchen ist Flexibilität. Die Fixierung auf Qualität und Quadratmeter bringt uns nicht weiter.“ Darin waren sich alle Diskutanten einig: Um die Masse an benötigten Wohnungsbau in Berlin qualitätsvoll zu erfüllen und dabei die verschiedenen Ansprüche und Bedürfnisse zu berücksichtigen, braucht es noch mehr Mut, Beteiligung und vor allem Dialog zwischen den Akteuren aus Politik, Verwaltung und Gesellschaft.


Die Diskussion war die bislang 13. Veranstaltung der Reihe „Verantwortung für die Stadt“. Zweimal jährlich diskutiert degewo mit Experten über Zukunftsthemen der Stadt. Zu den vielen namhaften Teilnehmern gehörten bereits Bestseller-Autor Wladimir Kaminer, Zukunftsforscher Prof. Horst Opaschowski und die Vize-Bürgermeisterin von Rotterdam Korrie Louwes.


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