Difu-Befragung: Kommunen sind durch die Corona-Pandemie, die Flutkatastrophe 2021 und den Ukraine-Krieg stark gefordert
30.05.2022Die deutschen Kommunen sind noch mit den Auswirkungen der Coronakrise und der Flutkatastrophe des Jahres 2021 belastet, während die nächsten Herausforderungen – die Bewältigung der Folgen des Ukraine-Kriegs – bereits absehbar sind. Das aktuelle KfW-Kommunalpanel 2022 zeigt, dass sich die Unsicherheiten in den Haushalten der Städte, Gemeinden und Kreise nun massiv verstärken dürften. So zeigt die Befragung, die Ende vergangenen Jahres durch das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) im Auftrag von KfW Research durchgeführt wurde, dass jede zweite Kämmerei (48 %) ihre Finanzlage nur als „ausreichend“ oder sogar „mangelhaft“ bewertet. Lediglich 21 Prozent empfinden ihre Finanzlage im zweiten Corona-Jahr als „gut“ oder „sehr gut“.
Ein Grund für die zurückhaltenden Einschätzungen dürfte in der unsicheren und ungleichen Entwicklung der Kommunalfinanzen liegen. So profitieren nicht alle Kommunen vom jüngsten Einnahmewachstum der öffentlichen Hand, denn dies ist zu großen Teilen auf höhere Gewerbesteuern in strukturstarken Regionen zurückzuführen. Die Mehrausgaben, beispielsweise durch höhere Sachkosten für die Pandemiebewältigung, fallen jedoch in nahezu allen Kommunen an. Von einer Normalisierung der Haushalte auf Vorkrisenniveau geht eine Mehrheit der Kommunen sowohl bei den Einnahmen (55 %) wie bei den Ausgaben (46 %) deshalb erst binnen der nächsten zwei bis fünf Jahre aus. In der Folge erwarten sieben von zehn Kämmereien eine weitere mittelfristige Verschlechterung ihrer Finanzsituation, nur eine von zehn eine Verbesserung. Gegenüber dem Vorjahr hat sich der Ausblick damit zwar leicht verbessert, bleibt jedoch noch immer unter dem langjährigen Durchschnitt.
Die Folgen des Ukraine-Kriegs wie die Wirtschaftssanktionen sind dabei noch gar nicht berücksichtigt. Eine Nachbefragung zum KfW-Kommunalpanel im April 2022 zeigt aber, dass allein die gestiegenen Energiepreise schon spürbare Auswirkungen auf viele Kommunen haben. Der Befragung zufolge wandten die Kommunen im Jahr 2020 im Mittel rund 1,5 Prozent ihrer Ausgaben für Wärme, Strom und Treibstoff auf. Dieser Anteil stieg bis 2022 um rund ein Drittel auf zwei Prozent. Rund die Hälfte der teilnehmenden Städte, Gemeinden und Kreise gab an, dass diese Mehrbelastungen für sie „nur schwer“ (46 %) oder sogar „gar nicht“ (5 %) zu schultern sind und damit Anpassungen in der Finanzplanung erforderlich machen. Die Kommunen reagieren auf die gestiegenen Energiepreise sowohl mit Einsparungen bei anderen Haushaltsposten, als auch mit Anpassungsmaßnahmen beim Energieverbrauch. Die Maßnahmen konzentrieren sich insbesondere auf die Nutzung erneuerbarer Energiequellen für die Stromversorgung (80 %), die Senkung des Verbrauchs durch Energieeffizienz (73 %), den Aufbau von Expertise zu Fragen der Energieeffizienz (68%) und eine stärkere Nutzung alternativer Wärmequellen (50 %).
Die Investitionen sind dem aktuellen KfW-Kommunalpanel nach im Jahr 2021 leicht auf 38,3 Mrd. Euro gestiegen (Vorjahr: 37,5 Mrd. EUR). Mit jeweils etwa einem Viertel entfielen die meisten Mittel davon auf Schulen und Straßen. In der Investitionsplanung gehen die Kommunen trotz der finanziellen Planungsrisiken weiterhin von einem leichten Anstieg auf 40,6 Mrd. Euro für 2022 aus. Allerdings zeigen die Befragungsergebnisse für das zurückliegenden Jahr erneut, dass rund ein Drittel aller geplanten Investitionen nicht realisiert werden. Ein erheblicher Teil der gestiegenen Ausgabenpläne dürfte zudem auf die stark anziehenden Baupreise zurückgehen, sodass mit den Planungen nicht unbedingt mehr reale Investitionen in die Infrastruktur einhergehen.
Infolge wachsender Bedarfe, hoher Baupreise und nur moderat steigender Investitionen steigt der von den Kommunen für 2021 gemeldete Investitionsrückstand auf 159,4 Mrd. Euro (2020: 149,2 Mrd. EUR). Die größten Anteile entfallen dabei mit 29 Prozent auf Schulen, 25 Prozent auf Straßen und 12 Prozent auf Verwaltungsgebäude. Am stärksten zugelegt hat der wahrgenommene Investitionsrückstand bei Straßen (+5,7 Mrd. EUR), Brand- und Katastrophenschutz (+3,8 Mrd. EUR) und Verwaltungsgebäuden (+3,3 Mrd. EUR). In den Bereichen Kultur, IT, Schulen oder Sport ist die Investitionslücke hingegen geschrumpft. Für die Zukunft erwarten 28 Prozent der Kommunen über alle Investitionsbereiche hinweg ein weiteres Anwachsen des Investitionsstaus, jeweils 36 Prozent erwarten entweder keine Veränderung oder können sich sogar einen Rückgang vorstellen.
„Die Gewerbesteuereinnahmen sind zuletzt deutlich – und auch mehr als erwartet – gestiegen. Hier gilt jedoch das Sprichwort: Nicht alles, was glänzt, ist Gold. Der Ukraine-Krieg setzt die deutschen Kommunen administrativ und finanziell unter Druck. Die Einnahmebasis vieler Kommunen bleibt fragil. Gleichzeitig kommen mit hohen Energiekosten, der Unterbringung Geflüchteter und weiter steigenden Baupreisen neue Belastungen hinzu. Ähnlich wie zu Beginn der Coronakrise stellt sich die Frage, wie nachhaltig und resilient die Kommunalhaushalte angesichts dieser neuen Risiken aufgestellt sind“, sagt Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW. „Häufig sehen wir in Krisen, dass die Kommunen bei sinkenden Haushaltsspielräumen in den wenigen freiwilligen Bereichen kürzen müssen, wo sie überhaupt noch Entscheidungsfreiheiten haben. Dies trifft soziale und kulturelle Aufgaben genauso wie Investitionen in die Infrastruktur. Ein eingeschränktes Leistungsangebot der Kommunen und exponentiell steigende Folgekosten aufgrund eines Verschleißes der Infrastruktur sind die Folge“, kommentiert Prof. Dr. Carsten Kühl, wissenschaftlicher Direktor und Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Urbanistik.
Auch abseits der Krisen sind die Kommunen stark gefordert. Neben den Pflichtaufgaben der Daseinsvorsorge stehen die transformativen Herausforderungen des Klimaschutzes, der Demografie und der Digitalisierung, die umfangreiche Anpassungen bei der Infrastruktur und dem Leistungsangebot der Kommunen erforderlich machen. „Das aktuelle KfW-Kommunalpanel zeigt, dass die Kommunen Investitionen in den Brand- und Katastrophenschutz oder die IT-Ausstattung der Schulen umleiten. Nach den Erfahrungen der Flutkatastrophe und dem Distanzunterricht während der Pandemie ist das nachvollziehbar. Dies geht aber zulasten anderer Infrastrukturbereiche wie den Straßen und es wird neue Probleme nach sich ziehen, weil Instandhaltung und Modernisierung nicht ausreichen. Wenn die Kommunen schon viele alltägliche Basisaufgaben nicht sicherstellen können, wird es für langfristige Zukunftsaufgaben wie Klimaschutz und Digitalisierung noch schwieriger“, erklärt Kühl weiter. „ Wir müssen deshalb stärker daran arbeiten, die Kommunalfinanzen auf stabile Säulen zu stellen, damit die Kommunen in Zukunft unabhängiger von der wirtschaftlichen Großwetterlage ihre Aufgaben vollumfänglich leisten können“, so Köhler-Geib abschließend.