Baunachfrage bleibt fragil

Die deutsche Wirtschaft und mit ihr die Baubranche befinden sich aktuell in einer schwierigen Situation. Der Nachfragerückgang umfasst nahezu alle Bereiche der Wirtschaft. Nach vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes ist die deutsche Wirtschaftsleistung im Jahr 2023 real um 0,3 % gesunken[1]. In besonderem Maße betrifft dies die Baunachfrage, welche durch die starken Baumaterial-, Energie-, Zins- und somit Baukostensteigerungen einen Dämpfer erfährt.

Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung DIW Berlin im Auftrag des BBSR hat das Bauvolumen im Jahr 2023 preisbereinigt um gut einen Prozent abgenommen[2]. Somit geht die Bautätigkeit das zweite Mal seit 2022 zurück. Bereits 2022 sank das Bauvolumen um 2,2 %.  Für das laufende Jahr wird ein Rückgang von real 1,5 % prognostiziert. Die grundsätzlich vorhandene hohe Nachfrage nach Wohnraum in den Groß- und Universitätsstädten sollte die Wohnungsbautätigkeit im Laufe des Jahres 2024 wieder anziehen lassen, die ab 2025 produktionswirksam wird. Demnach wird für 2025 prognosegemäß wieder ein Anstieg des Bauvolumens um 1,5 % erwartet.

Die Preisentwicklung am Bau war bis zum Frühsommer 2022 durch stark steigende Baumaterialpreise geprägt. Die extrem hohe Dynamik hat sich seither abgeschwächt, so dass es von der Materialseite her keinen Preisdruck mehr gibt. Ein wesentlicher Grund für den Rückgang der Materialpreise dürften die sich weitgehend aufgelösten Lieferengpässe sein. Im Dezember meldeten laut ifo Konjunkturtest nur noch zwei Prozent der Bauunternehmen Probleme bei der Materialbeschaffung. Im Dezember 2022 waren es noch 20 %, im Frühjahr 2022 noch rund 50 %.  Bis November 2023 gab es bei zahlreichen Materialien einen deutlichen Preisrückgang (Stahl, Bauholz, Glas). Jedoch sind die Preise immer noch auf einem höheren Niveau als zu Beginn des Anstieges. Hinzu kommt am aktuellen Rand eine nachlassende Dynamik bei den Energiepreisen. Entsprechend sank im November der Gaspreis um 21,4 % gegenüber dem Vormonat. Allerdings verharren bei energieintensiven Produkten wie Zement, Fliesen und Dachziegeln auf hohem Niveau. Insgesamt dürften die Baumaterialpreise aber weiter zurückgehen, denn auch wegen der geringeren Baunachfrage sinkt der Preisdruck. So rechnet Kiel Economics in der aktuellen Prognose, die im Auftrag des BBSR erstellt wurde, für 2024 mit einem Rückgang der Baupreise von 3,2 %.[3] Auch in den beiden Folgejahren wird mit einem Rückgang der Baupreise gerechnet. Zuletzt haben die Baupreise für die Erstellung neuer Wohnungen infolge der vorgenannten Entwicklungen ebenfalls an Dynamik verloren (im November 2023 plus 4,3 % im Vergleich zum Vorjahresmonat)[4].

In laufenden Preisen gerechnet wurden im Jahr 2022 nahezu 533 Mrd. € am Bau investiert[5]. Das Bauvolumen wird dabei mit 58 % vom Wohnungsbau dominiert. Vor allem das Segment des Geschosswohnungsbaues verzeichnete ein deutliches Wachstum. Das verausgabte Volumen im Geschosswohnungsbau hat sich in nominaler Rechnung zwischen 2009 und 2022 nahezu verfünffacht, von 8,4 Mrd. € auf 41,9 Mrd. €. Der Anteil des Neubaus am gesamten Wohnungsbau liegt bei
30 %.

Die Entwicklung von Baumaßnahmen an bestehenden Wohngebäuden sind 2022 besser ausgefallen als für den Neubau. Während der Neubau in realer Rechnung um fünf Prozent zurückgegangen ist, sanken die Bestandsmaßnahmen um lediglich 1,4 %. Folglich besitzen Maßnahmen im Bestand derzeit eine stabilisierende Wirkung für die Bauwirtschaft. Allerdings wirken sich die verschlechterten Rahmenbedingungen gleichermaßen auf die Modernisierungs- und Instandsetzungsleistungen aus. Für 2023 (-0,7 %) und 2024 (-2,2 %) wird mit einem realen Rückgang gerechnet, bevor für 2025 wieder ein reales Plus von 0,5 % erwartet wird².  Mit den hohen Energiepreisen dürfte die Motivation nochmals gestiegen sein, in die energetische Sanierung zu investieren. Die Bauleistungen an bestehenden Gebäuden stellen auch künftig die wichtigste Größe des deutschen Bauvolumens dar. Im Jahr 2022 wurden 214 Mrd. € in Modernisierungs- und Erhaltungsmaßnahmen des Wohngebäudebestandes investiert5.

Die Investitionen im Wirtschaftsbau sind durch die unsichere weltwirtschaftliche Lage und stark gestiegene Energiekosten geprägt. Dies wirkt sich negativ auf die Nachfrage nach Produktions- und Lagerflächen der exportorientierten deutschen Industrie aus. Im gewerblichen Tiefbau sind dagegen durch die Investitionen in das Schienennetz positive Impulse zu erwarten. Für 2023 wird im Wirtschaftsbau eine Stagnation erwartet, für 2024 ein leichtes reales Plus von 0,3 %. Mit einsetzender wirtschaftlicher Erholung dürfte dieses Segment 2025 dann wieder deutlich Fahrt aufnehmen (plus 3,0 %). Etwas besser entwickeln sich die Maßnahmen am Gebäudebestand, wobei vor dem Hintergrund der höheren Energiekosten eine Konzentration auf Ersatzinvestitionen erwartet wird. Die Bauleistung an bestehenden Nichtwohngebäuden umfasst nahezu 60 % der Gewerbebauinvestitionen. Vollmodernisierungen sind dabei weitaus gewichtiger als bei Wohnungsimmobilien.

Die gestiegenen Baupreise sind für den öffentlichen Bau hochproblematisch. Auf die Preissteigerungen konnte kurzfristig kaum reagiert werden. Folglich mussten die laufenden Projekte unter Verzicht auf geplante Projekte abgeschlossen werden. Besonders davon betroffen dürften die Kommunen sein, die immerhin rund 57 Prozent des öffentlichen Bauvolumens tätigen. Die zurückgestellten Projekte dürften aber nun zunehmend umgesetzt werden. Das ist auch dringend geboten, denn die kommunale Infrastruktur weist einen Investitionsrückstand von schätzungsweise 166 Mrd. Euro auf.[6] Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen dürfte das reale Bauvolumen der öffentlichen Hand 2024 und 2025 um jeweils 2,5 % zulegen.

[1] Statistisches Bundesamt. 2024. Destatis. Pressemitteilung Nr. 19 vom 15. Januar 2024.
www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/01/PD24_019_811.html

[2] Gornig, Martin/Pagenhardt, Laura: Bauvolumen dürfte erstmals seit der Finanzkrise nominal sinken – Lage im Wohnungsbau spitzt sich zu. Wochenbericht Nr.: 1+2/2024. Berlin, Januar 2024.
www.diw.de/de/diw_01.c.889485.de/publikationen/wochenberichte/2024_01_1/bauvolumen_duerfte_erstmals_seit_der_finanzkrise_nominal_sinken_____lage_im_wohnungsbau_spitzt_sich_zu.html

[3] www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/forschung/fachbeitraege/bauen/bauwirtschaft/baupreisprognose/baupreisprognose.html

[4] Statistisches Bundesamt. 2024. Destatis. Pressemitteilung Nr. 012 vom 10. Januar 2024.
www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/01/PD24_012_61261.html

[5] Der Endbericht „Strukturdaten zur Produktion und Beschäftigung im Baugewerbe – Berechnungen für das Jahr 2022“ ist auf der Internetseite des BBSR veröffentlicht, vgl. www.bbsr.bund.de

[6] KfW-Kommunalpanel 2023. Mai 2023.
www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumente-KfW-Kommunalpanel/KfW-Kommunalpanel-2023.pdf

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