Immobilienfinanzierer und Kunden versuchen gemeinsam Folgen der Corona-Krise abzumildern

Die Corona-Krise stellt die Immobilienfinanzierung vor neue Herausforderungen. Banken und Versicherungen ziehen sich dennoch nicht aus dem Geschäft zurück. Avisierte Zusagen werden eingehalten und auch neue Kreditengagements geprüft. Aktuell sind die Finanzierer aber mit den Auswirkungen des Shut Downs auf ihre Portfolien beschäftigt. Im Fall von vorübergehenden Zahlungsengpässen bei den Kunden können einvernehmlich liquiditätssichernde Maßnahmen wie die Stundung von Tilgungen vereinbart werden. Das Neugeschäft spielt derzeit nicht die Hauptrolle.

Generell rechnet die Branche bei der Immobilienfinanzierung durch steigende Risikoaufschläge mit steigenden Kreditkosten – allerdings auf einem niedrigen Niveau. Die Krise könnte zu einer Differenzierung des Marktes führen. Bestimmte Objekte und Nutzungsarten könnten dann schwerer eine Finanzierung finden – beispielsweise Hotels oder auch Einkaufszentren.

Das sind die Kernergebnisse der Pressekonferenz „Immobilienfinanzierung in der Krise? – wie die Corona-Pandemie die deutschen Kreditmärkte verändert“. Teilnehmer waren Francesco Fedele, CEO, BF.direkt AG, Prof. Dr. Steffen Sebastian, Lehrstuhl für Immobilienfinanzierung (Real Estate Finance), IREBS Institut für Immobilienwirtschaft, Universität Regensburg, Gero Bergmann, Vorstand der Berlin Hyp AG, Hans Jürgen Kulartz, Mitglied des Vorstands der Berliner Sparkasse und Eckehard Schulz, Bereichsleiter Immobilienfinanzierung, ERGO Group AG.

Zunächst nahm Prof. Sebastian eine makroökonomische Einordnung der Krise vor: „Die Corona-Pandemie kann zu einer substanziellen Rezession und zu einer deutlichen Erhöhung der Staatsverschuldung führen – und dies nicht nur in Deutschland und Europa, sondern weltweit. Für die Bundesrepublik werden zu den rund 1.900 Mrd. Euro Staatsverschuldung allein mit den bereits geplanten Maßnahmen über 150 Mrd. Euro hinzukommen. Damit wird zumindest beim Wachstum der Staatsverschuldung absehbar eine Größenordnung erreicht, die in ihrer Dimension mit der Finanzkrise 2007/08 vergleichbar ist.“

Größte Auswirkungen auf Hotels, Retail und Co-Working

Zu den Auswirkungen der Krise auf die Immobilienmärkte resümierte Prof. Sebastian: „Aktuell sind am Markt die größten Auswirkungen auf Hotels, Non-food-Retail und auch Co-Working zu sehen, da hier die Einschnitte im öffentlichen Leben am schnellsten wirken. Nahversorger sind dagegen derzeit Krisengewinner. Entsprechend ist auch im Logistiksektor kurzfristig ein exponentieller Anstieg der Nachfrage nach Lagerflächen für Güter des täglichen Bedarfs beziehungsweise Last-Mile-Logistik festzustellen. Im Bürosegment könnte es durch Mieterausfälle und eine allgemeine Rezession zu leichten Einbußen kommen. Als krisensicher gelten dagegen Wohnimmobilien im mittleren und niedrigen Mietsektor. Problematisch könnte es für das hochpreisige Segment oder Randlagen werden. Längerfristige Prognosen können aktuell aus meiner Sicht noch nicht seriös gegeben werden. Wir stehen immer noch ganz am Anfang der Krise. Aber: Was vor ein paar Wochen eine gute Immobilie war, wird es wohl auch nach der Krise noch sein.“

Analyse des Kreditbuchs steht im Moment im Vordergrund

Alle Beteiligten sind sich einig, dass bei den Banken zunächst die akuten Folgen des Shut Downs im Fokus stehen. Hans Jürgen Kulartz sagt dazu: „Im Vordergrund steht im Moment ganz klar die Analyse des bestehenden Kreditbuchs. Alle Institute stehen vor der Frage, wie beispielsweise mit Finanzierungen von Hotels oder Einkaufszentren umgegangen werden soll. Der Shut Down greift hier massiv in die Immobilienmärkte ein.“ Eckehard Schulz ergänzt: „Die Auswirkungen sind bei Wohnimmobilien sicherlich deutlich niedriger als bei Gewerbeimmobilien. Allerdings sind die segmentspezifischen Stress-Level noch gar nicht vollständig sichtbar – anders als bei gelisteten Finanztiteln, wo die Märkte direkt die Corona-Effekte eingepreist haben.“

Banken und Darlehensnehmer suchen gemeinsame Lösungen

Parallel zur Analyse des Kreditbuchs finden derzeit Gespräche zwischen Banken und Bestandskunden statt, die von den Auswirkungen der Krise betroffen sind. Kulartz dazu: „Darlehensnehmer, die vom Shut-Down betroffen sind, kommen auf uns zu und fragen, welche Zugeständnisse wir machen können.“ Gero Bergmann von der Berlin Hyp ergänzt: „Wir versuchen alle Anfragen partnerschaftlich mit dem Darlehensnehmer anzugehen und Lösungen zu finden.“

Besonders anspruchsvoll sind Finanzierungsentscheidungen, die vor der Krise schon avisiert wurden, die aber noch nicht final unterschrieben sind. Francesco Fedele dazu: „Sowohl Investoren als auch Projektentwickler werden vorsichtiger. Die Kunden versuchen teilweise Transaktionen, die bereits kurz vor der Beurkundung stehen, über den Shut Down nach hinten zu schieben. Dann soll eine Neubewertung der Situation erfolgen. Auch das Fehlen persönlicher Treffen spielt hier eine Rolle.“ Bergmann dazu: „Wir haben noch einige Finanzierungen in der Pipeline, die wir gerade abarbeiten. Diese Transaktionen sind eine Herausforderung im Moment. Wir entschieden hier im Einzelfall nach sorgfältiger Risikoabwägung und in engem Dialog mit den Kunden.“

Bankfinanzierungen könnten durch die Krise teurer werden

Eine andere Auswirkung der Krise scheint sich schon abzuzeichnen: Finanzierungen werden sich aller Voraussicht nach verteuern. Bergmann dazu: „Die Spreads, die die Banken zur Refinanzierung zahlen müssen, sind zuletzt deutlich gestiegen.“ Fedele ergänzt: „Der Markt kann eine Zunahme verkraften. Auch wenn die Kreditkosten steigen werden, bewegen wir uns in einem Umfeld, in dem dadurch keine Business-Pläne ins Wanken geraten. Die meisten Immobilieninvestments können höhere Kreditkosten zwischen 50 und 100 Basispunkten tragen.“ Das sieht auch Schulz so: „Die Rückkehr zum risikobasierten Pricing wäre mit oder ohne Corona-Krise wünschenswert.“

Allerdings könnte es am Markt zu einer Differenzierung kommen, die es in den letzten Jahren so nicht sichtbar war. „Der Wettbewerb der Finanzierer in den als sicher geltenden Segmenten könnte noch einmal zunehmen. Bei riskanten Projekten könnten die Eigenkapitalanforderungen ebenso steigen wie die von Eigenkapitalgebern geforderten Renditen. Und diese sind für Projektentwickler entscheidend. Ein paar Basispunkte mehr für die Banken sind hingegen vernachlässigbar“, sagte Prof. Sebastian.

Thematisch passende Artikel:

BF.Quartalsbarometer: Stimmung der Immobilienfinanzierer stürzt in der Corona-Krise auf Allzeittief

Die Stimmung unter den deutschen Immobilienfinanzierern erlebt nach Angaben der BF.direkt AG (www.bf-direkt.de) im zweiten Quartal einen historischen Einbruch und fällt auf ein neues Allzeittief. Der...

mehr

BF.Quartalsbarometer: Stimmung der Immobilienfinanzierer trotzt der zweiten Corona-Welle

Die Stimmung unter den deutschen Immobilienfinanzierern bleibt nach Angaben der BF.direkt AG (www.bf-direkt.de) im vierten Quartal 2020 fast unverändert. Der aktuelle Barometerwert beträgt -8,08...

mehr

BF.Quartalsbarometer: Stimmung der Immobilienfinanzierer hellt sich nach Corona-Schock deutlich auf

Die Stimmung unter den deutschen Immobilienfinanzierern erlebt im dritten Quartal eine deutliche Aufhellung und steigt erheblich. Der Barometerwert klettert von -15,24 Punkten im zweiten Quartal 2020...

mehr

Uneinigkeit unter Wohnungsmarkt-Experten über Auswirkungen der Corona-Krise

Seit drei Monaten hält die Corona-Krise die Welt im Schwitzkasten. Niedrige Reproduktionszahlen geben Hoffnung – Restriktionen werden langsam zurückgefahren. Doch wie wird die Welt nach der...

mehr

ista schließt syndizierte Kreditlinie mit ESG-Komponente in Höhe von knapp zwei Milliarden Euro ab

Der Energiedienstleister ista (www.ista.de) koppelt seine Finanzierungsstruktur an die Nachhaltigkeitserfolge des Unternehmens. Der neue ESG-basierte syndizierte Kredit in Höhe von insgesamt bis zu...

mehr