MakeCity-Symposium in Berlin: Ein Umdenken in der Stadtentwicklung ist notwendig

Die zweite Auflage von MakeCity – Europas größtem Festival für Architektur und Andersmachen - hat vom 14. Juni bis zum 1. Juli Berlinern und Hauptstadtgästen ein vielseitiges und inspirierendes Programm geboten, dass neue Perspektiven und innovative Projekte zum „Stadt anders machen“ aufzeigt. Im Rahmen dieses Festivals hat das internationale Planungs- und Beratungsunternehmen Arup (www.arup.com) gemeinsam mit dem Berliner Netzwerk dieNachwachsendeStadt das Symposium „Städte im Wandel: Die Zukunft ist zirkulär“ organisiert.

Sie brachten lokale Vordenker mit internationalen Experten, Akademiker mit Praktikern, Lehrer mit Studenten, Kreative mit Innovatoren und den privaten mit dem öffentlichen Sektor zusammen, um über die Bedeutung der Kreislaufwirtschaft für die urbane Zukunft zu debattieren. Mehr als 140 Besucher regten die Podiumsdiskussionen unter der Moderation von Dr. Gereon Uerz, dem Leiter des Bereichs Foresight bei Arup, mit Fragen und Denkanstößen im CRCLR House in Berlin-Neukölln an und tauschten sich dabei aktiv aus.

Das Symposium konzentrierte sich auf zwei Themenschwerpunkte: auf Materialien und Gebäude und die damit verbundenen Innovations- und Gestaltungsmöglichkeiten, sowie auf Städte und Gesellschaft, denen eine Schlüsselrolle bei der erfolgreichen Umsetzung zirkulärer Prinzipien zukommt.

Dem Abfall einen Wert geben

An der Notwendigkeit der Implementierung zirkulärer Prinzipien in der Bauwirtschaft ließen die Diskussionsteilnehmer keine Zweifel. Die Urbanisierung – es leben schon heute vier Milliarden Menschen in Städten, Tendenz steigend – geht mit einer stetig zunehmenden Bebauung einher. Kasper Guldager Jensen, Senior Partner bei 3XN Architekten und Gründer und Director von GXN Green Innovation in Kopenhagen, verwies auf die Prognose, dass innerhalb der nächsten 50 Jahre nochmal so viele Neubauten errichtet werden, wie bis heute bereits entstanden sind. Die Bauindustrie – als eine der größten Ressourcenverbraucher auf unserem Planeten - sei schon heute für 50 bis 60 Prozent des weltweiten Abfalls verantwortlich. Folglich ist die Fortführung des gegenwärtigen linearen Konsummodells nicht zukunftsfähig.

Die Kreislaufwirtschaft bietet eine nachhaltige Alternative. Sie sieht vor, dass Materialien nach ihrer Nutzung mit einem höchstmöglichen Wert weiterverwendet werden, so dass kein Abfall entsteht. Wie sich dies praktisch realisieren lässt, wurde auf dem Symposium umfassend diskutiert. Dabei ging es nicht zwangsläufig um die vollständige Vermeidung von Abfall, sondern vielmehr um die Generierung bzw. Beibehaltung seines Wertes. Jensen formulierte das Ziel gut nachvollziehbar mit seiner Frage: „Was, wenn wir morgen mit dem Abfall von heute bauen könnten?“

Gemeinsam die zirkuläre Zukunft gestalten

Dass die Komplexität eine der größten Barrieren des gesamten Unterfangens ist, stellte Maja Johannessen, Research-Analystin bei der Ellen MacArthur Foundation, treffend fest. Es sei nicht ein Stakeholder ausschlaggebend für den Erfolg, es müssen zahlreiche Beteiligte aus dem privaten und öffentlichen Sektor zusammengebracht werden. Doch Kollaborationen innerhalb der Bauwirtschaft stellen große Herausforderungen dar. Ein holistischer Ansatz und zielgerichtete Kooperationen sind der Schlüssel zu einer nachhaltigen Zukunft. „Wir, als Designer, als Architekten, als Ingenieure, sitzen alle im selben Boot,“ betonte Dr.-Ing. Jan Wurm, Leiter des Bereichs Research & Innovation Europe bei Arup.

Neben der Bereitschaft zu mehr Kommunikation und Kooperation in der Bauwirtschaft ist auch eine engere Zusammenarbeit der unterschiedlichen Generationen nicht zu unterschätzen. Junge Innovatoren brauchen ein geeignetes Umfeld, um Innovationen zu realisieren. Und Unternehmen brauchen junge Innovatoren: Während größere Konzerne häufig zum nachhaltigen Engagement gezwungen sind, um auf dem neuesten Stand der Technik zu bleiben, identifizieren sich zahlreiche Start-ups bereits mit den zirkulären Prinzipien. Im Zusammenspiel können sie wirtschaftliche und gleichzeitig nachhaltige Lösungen im Sinne einer Kreislaufwirtschaft entwickeln. Veranstaltungen wie MakeCity oder das Amsterdamer WeMakeThe.City Festival, von Eveline Jonkhoff vorgestellt, helfen dabei, Netzwerke zu bilden. Die strategische Beraterin für Kreislaufwirtschaft der Stadt Amsterdam erläuterte, wie man zirkuläre Prinzipien durch politische Maßnahmen fördern kann. Besonders die Forschung und eine enge Zusammenarbeit mit dem privaten Sektor seien entscheidende Erfolgsfaktoren.

Die Wirtschaftlichkeit ist entscheidend

Bente Lykke Sørensen, Leiterin für Wohnungs- und Gebäudeentwicklung der dänischen Gemeinde Aarhus, betonte die Bedeutung der Wirtschaftlichkeit zirkulärer Maßnahmen. Ohne kommerzielle Erfolgsaussichten würden sie nicht konsequent umgesetzt werden. Um die Kreislaufwirtschaft für den privaten Sektor attraktiv zu machen, gelte es daher, entscheidende Barrieren zu überwinden: Unsicherheiten hinsichtlich des Investitionserfolgs und das fehlende Verständnis für den langfristigen Nutzen seien noch immer wesentliche Hemmschuhe, betonte Johannessen in diesem Zusammenhang. Dem könne man jedoch laut Jörg Finkbeiner, Architekt bei Partner und Partner in Berlin, mit einer Verdeutlichung der Vorteile entgegenwirken, schließlich handele es sich bei Maßnahmen zur Implementierung zirkulärer Prinzipien nicht um Experimente, sondern um Pionierprojekte. Besonders wichtige Vorteile für private Investoren könnten Nachhaltigkeit und Innovation sein, zwei Aspekte mit welchen sich werben lässt.

Von Anfang an zirkulär

Design for Disassembly ist ein zentraler Aspekt in der Kreislaufwirtschaft. Dabei dreht sich alles um die Frage, wie man ein Haus bauen kann, das vollständig wiederverwertbar ist. Die gegenwärtige Konsummentalität orientiert sich in erster Linie an den unmittelbar anfallenden Kosten und nicht an dem Wert, der in dem bereits vorhandenem Gebäude steckt. Die Lagerung von Materialien ist meist teurer und aufwändiger, als die Entsorgung, womit ein linearer Konsum vereinfacht und ein zirkuläres Handeln erschwert wird. „Bei der Errichtung eines Gebäudes gehen wir sehr genau vor. Diese Sorgfalt fehlt uns momentan noch beim Abriss“, beschreibt Wurm die vorherrschende Mentalität am Bau. Ein zirkuläres Denken - bereits in der Entwurfsphase eines Projektes - sollte zum Standard werden. Die Wieder- bzw. Weiterverwertung von Gebäudematerialien sollte das Abreißen ersetzen, forderte Andrea Klinge von ZRS Architekten in Berlin.

Flexible Gebäudekonzepte

Flexible Gebäudenutzungen erlauben eine Langlebigkeit, die bisher nur selten erreicht wird. Die Möglichkeit, für ein Haus unterschiedliche Nutzungskonzepte zu entwickeln, beispielsweise durch Modularität oder das simple Hinzufügen zusätzlicher Infrastrukturen wie Treppen oder Fahrstühle, kann vermehrten Abrissen entgegenwirken. Diese Flexibilität lässt sich auch auf mehrere Gebäudekomplexe umsetzen. Indem sie miteinander verbunden oder mit Neubauten erweitert werden, entstehen neue Nutzungen. Ein wesentliches Problem in der Umsetzung wurde von Oliver Schruoffeneger, Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, Bauen und Umwelt in Berlin, artikuliert: Momentan fokussieren wir uns bei der Planung und Realisierung von Bauprojekten auf einzelne Gebäude. Benötigt wird eine Betrachtung des gesamten Umfelds.

Die Digitalisierung stärkt die Identität der Materialien

Es ist schwierig, einen detaillierten Überblick über die in einem Gebäude verbauten Materialien zu behalten. Hier können Materialpässe Transparenz schaffen. Die Digitalisierung spielt dabei eine wichtige Rolle, da sie die Sammlung großer Datenmengen in einem übersichtlichen Raster erlaubt. In Materialpässen kann sowohl der Wert festgehalten werden, als auch die Verortung der verschiedenen Materialien. Dies stärkt ihre Identität. In unserer linearen Wirtschaft wird dieser Wert entsorgt, wenn diese Materialien als Abfall enden. Der Umgang mit den Daten birgt allerdings eine neue Problematik, gibt Prof. Raoul Bunschoten von der Technischen Universität Berlin zu bedenken. Die geforderte Transparenz und Rückverfolgbarkeit bringen eine Verantwortung hinsichtlich der Datenhandhabung mit sich, die noch niemandem zugeordnet wurde.

Die Kreislaufwirtschaft stellt die Bau- und Immobilienwirtschaft vor eine Vielzahl komplexer Herausforderungen. Die kontinuierliche Auseinandersetzung mit diesen Herausforderungen ermöglicht den Lernprozess, in dem wir uns derzeit befinden. Eine Orientierung an der Selbstorganisation der Natur, in welcher kein Abfall existiert, kann auch die Bauindustrie weiter voranbringen. Die Wieder- und Weiterverwertung von sogenanntem Abfall bietet die Chance, Einkommen vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln und damit bezahlbaren Lebensraum in Städten zu schaffen, in denen sich Gebäude und Infrastrukturen in ein urbanes Ökosystem einfügen.

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