Alle Augen richten sich auf den Wohngipfel

„Moment mal!“: Die Bun-des­arbeits­­gemeinschaft Immo­bilien­wirtschaft Deutschland (BID) bezieht Stellung.

Vor Kurzem wurde in einer großen Sonntagszeitung eine Umfrage veröffentlicht, welche politischen Themen den Deutschen besonders wichtig sind. Von insgesamt 20 Themen ist den Bürgern das Verhindern von Altersarmut am wichtigsten, bezahlbarer Wohnraum liegt knapp darunter auf Rang vier. Es sind die tiefgreifenden Sorgen der Menschen: die Angst, im Alter zu verarmen, und die Bedrohung, sich die eigene Wohnung nicht mehr leisten zu können. Beide Themen gehören zusammen und sollten nicht nur die obersten Plätze der Umfrage einnehmen, sondern auch ganz oben auf der Aufgabenliste der Politik stehen. Kleine Randnotiz: Die Begrenzung der Zuwanderung rangiert unter den Prioritäten der Bürger nur auf Platz 13 von 20.

Am 21. September findet der von der BID geforderte und im Koalitionsvertrag der Bundesregierung angekündigte Wohngipfel statt, der die Prioritäten der Politik hoffentlich neu ordnen wird. Es ist zwar gefährlich, einen solchen Gipfel mit Erwartungen zu überfrachten – mit einem gewissen Grausen erinnert man sich an PR-Events wie den sogenannten Dieselgipfel –, aber angesichts der Wohnungsnot in Deutschland geht es gar nicht anders: Der Wohngipfel muss der längst überfällige Startschuss für einen weitreichenden Aktionsplan werden.

1,5 Mio. neue Wohnungen bis Ende 2021 ist das Ziel der Bundesregierung, das sind 375.000 fertige Wohnungen pro Jahr bereits ab 2018. Um dieses Jahresziel schon 2018 zu erreichen, müssten knapp ein Drittel mehr Wohnungen fertiggestellt werden als 2017 – das ist eher utopisch, und je weiter die Realität dem Plan in diesem Jahr hinterherhinkt, desto mehr Wohnungen müssen in den folgenden Jahren zusätzlich gebaut werden. Auch das erscheint angesichts sinkender Baugenehmigungszahlen zunehmend unrealistisch.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass das Regierungsziel trotz alledem noch erreicht werden kann. Um nur ein illustres Beispiel zu nennen, das demonstriert, wie viel Wohnraumpotenzial in Deutschland tatsächlich schlummert: Allein in den Regionen mit angespannten Wohnungsmärkten könnten einer Studie der TU Darmstadt zufolge 1,5 Mio. neue Wohnungen nur durch Dachgeschossausbau entstehen, also exakt so viele, wie die Große Koalition als Gesamtziel ausgegeben hat.

Allein im Baurecht stecken zahlreiche Möglichkeiten, den Wohnungsbau ernsthaft anzukurbeln. Dazu gehört die Vereinfachung von Nachverdichtungsmaßnahmen, dazu gehört aber auch dringend die Vereinheitlichung der unterschiedlichen Landesbauordnungen. Dazu gehört außerdem, die Verfahren für die Aufstellung von Bebauungsplänen zu beschleunigen. Ein Tabu darf auch nicht sein, über die Einführung von Befreiungen von Regelungen in Bebauungsplänen zu sprechen. Für die Unterbringung von Flüchtlingen gibt es eine solche Erleichterung bereits, das muss in Anbetracht der Wohnungsnot in den Metropolen auch für normalen Wohnraum möglich sein.

Darüber hinaus ist die Einführung einer Typengenehmigung für komplette Bauweisen überfällig, um das serielle Bauen im großen Stil zu ermöglichen und die Baukostenexplosion einzudämmen. Und dass Bauämter immer noch mit Bauanträgen in Papierform überhäuft werden, ist erstens des digitalisierten 21. Jahrhunderts nicht würdig und zweitens der Effizienz eines Genehmigungsverfahrens höchst abträglich.

Ich könnte noch lange so weitermachen. Die Immobilienwirtschaft hat ihre Hausaufgaben gemacht und wird mit vielen Vorschlägen auf den Wohngipfel kommen. Entscheidend aber ist der politische Wille, diese Maßnahmen auch umzusetzen.

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