Baulandmobilisierung

Bausteine einer gelungenen Baulandpolitik

Die Wohnungskrise ist eine Bodenkrise. Zu den wichtigen Schlüsselfaktoren für mehr bezahlbaren Wohnraum gehört vor allem die Mobilisierung von Bauland. Boden ist nicht vermehrbar. Deshalb bedarf es einer qualifizierten Stadtplanung als Ausgleich von lebenswichtigen Interessen. Teil 2 und damit letzter Teil unserer Miniserie zur Wohnungs- und Bodenpolitik.

Ein Allheilmittel wird von einigen in einer neuen Bodenpolitik gesehen. Inzwischen bilden sich überall Expertenkommissionen und Initiativen. Wiederholt diskutierte Instrumente, mit denen man glaubt, Bauland mobilisieren zu können, werden aus der Mottenkiste der 1970er Jahre geholt, als Wunderwaffe gepriesen und als alter Wein in neuen Schläuchen verkauft.

Bodenwertabschöpfung: Rezept aus der Mottenkiste

Dazu gehört u.a. die Bodenwertabschöpfung. Die Debatte darüber ist so alt wie das Bundesbaugesetz. Auch Anfang der 1990er Jahre wurde in einer beim Deutschen Verband unter der Leitung des früheren Bundesbauministers Ravens gebildeten Baulandkommission darüber diskutiert.

Damals ging es ebenfalls um die Frage, wie Bauland schnell mobilisiert werden kann. Die intensiv hin und her abgewogene Idee, durch eine gesetzliche Regelung Planungsgewinne abzuschöpfen, konnte sich nicht durchsetzen. Sie wurde am Ende verworfen, weil die Nachteile bei weitem überwiegen.

Die Gründe waren u.a. mangelnde Praktikabilität, Rechtsanfälligkeit und zu hoher Verwaltungsaufwand. Zu erwartende Schwierigkeiten bei der Durchführung der Wertberechnung, d.h. der exakten Bestimmung des Eingangs- und des Endwerts sind offensichtlich.

In der Ravens-Kommission wurde seinerzeit als bessere Alternative die verstärkte Anwendung der kurz zuvor ins Gesetz aufgenommenen städtebaulichen Verträge empfohlen.

Warum spreche ich das Thema, das schon Anfang der 1970er und erneut zu Beginn der 1990er Jahre intensiv diskutiert und ad acta gelegt wurde, so ausführlich an? Vor allem in München wird die Abschöpfung oder Besteuerung von Planungsgewinnen verstärkt öffentlich als Allheilmittel propagiert. Ausgelöst von einem Artikel des ehemaligen Bundesbauministers und Münchner Oberbürgermeisters Dr. Hans-Jochen Vogel in der Süddeutschen Zeitung findet deutschlandweit die Diskussion darüber in Foren, Workshops und Kommissionen als vermeintliche Problemlösung statt.

Es ist gut, dass Städte mit explodierenden Grundstückspreisen und Mieten sich intensiv um Lösungen bemühen. Nur sind der Planungswertausgleich oder die Besteuerung von Planungswerten keine geeigneten Instrumente.

Scharfes Schwert: Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme

Dafür hat sich die Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme etabliert. Sie ist an besondere Voraussetzungen gebunden und eine wichtige Alternative, damit Städte und Gemeinden ihren Beitrag zum Abbau der Wohnungsnot leisten können. Die Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme ist ein sehr scharfes Schwert, kommt daher selten zur Anwendung. Sie ist nicht beliebt, hat sich jedoch als kostensparendes, kommunales Element der Baulandmobilisierung vor allem bei der Revitalisierung von Brach- und Konversionsflächen bewährt.

Vorteil sind ihre Durchsetzungsstärke und die Möglichkeiten zur zügigen Bereitstellung von dringend benötigten Bauflächen. Kommunalpolitisch klug angewandt, kann sie erfolgreich sein.

Allerdings: Ungeschickte Kommunikation und Enteignungsdrohungen gegenüber den am Verfahren zu Beteiligenden verspielen schnell das dazu gehörende notwendige Vertrauen. Proteste der Eigentümer und der Bevölkerung sind die Folge. Die Kommunalpolitiker, die wiedergewählt werden wollen – ob im Hauptamt oder ehrenamtlich – machen einen Rückzieher. Dann geht meistens gar nichts mehr.

Wenn der politische Wille vorhanden ist, haben die deutschen Kommunen heute bereits viele Möglichkeiten, Bauland zu mobilisieren. Konsensuale Handlungsformen wie die städtebaulichen Verträge, der Vorhabens- und Erschließungsplan oder das Konzeptverfahren passen in die heutige Zeit. Sie sind auch wesentlich effektiver als eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme. Konsensuale Handlungsformen sind flexibel, sparen Zeit und vermindern Kosten. Sie sind weniger streitanfällig als Enteignungen und sie erfordern einen geringeren Verwaltungsaufwand.

Herausforderung Innenentwicklung

Nach wie vor gibt es in Deutschland viele innerstädtische größere und kleinere Brachflächen, die entwickelt und einer Nutzung für Wohnungsbau zugeführt werden können, seien es Konversionsflächen, Industrie- und Gewerbebrachen oder von der Bahn nicht mehr benötigtes Gelände. Innerstädtische Brachen in die Hand zu nehmen ist wesentlich anspruchsvoller als das Bauen auf der grünen Wiese. In Deutschland gibt es viele, leistungsstarke Projektentwickler, die in der Regel großes Interesse haben, zusammen mit Kommunen ein Gebiet zügig und qualitativ gut zu entwickeln.

Schneller Erfolg ist jedoch auch hier nur möglich, wenn Kommune und Projektentwickler die gleichen Interessen verfolgen und nicht gegeneinander arbeiten. Besonders beim Baugenehmigungsverfahren ist ein kooperatives Miteinander von großem Vorteil.

Für die Innenentwicklung einer Stadt ist die Verdichtung innerstädtischer Quartiere von besonderer Bedeutung. Eine größere Flexibilisierung in der Baunutzungsverordnung wäre daher hilfreich. Außerdem sollten Hemmnisse beim Immissionsschutz und den damit in Verbindung stehenden Technischen Anleitungen beseitigt werden.

Zur Mobilisierung der Innenentwicklungspotentiale für den Wohnungsbau muss im Immissionsschutzrecht der Konflikt zwischen Gewerbe und Wohnen beseitigt werden.

Anreiz für Kommunen

Nach der Koalitionsvereinbarung will die Bundesregierung, zur Unterstützung von Wohnungsbau für die Sanierung und Herrichtung von Industriebrachen einen eigenen Förderschwerpunkt schaffen. Das ist für Kommunen ein sehr wichtiger Anreiz.

Zusätzliche Mittel der klassischen Städtebauförderung helfen Kommunen bei der Finanzierung der „unrentierlichen“ Kosten und unterstützen den politischen Willen, innerstädtische Quartiere in Angriff zu nehmen.

Eine Brachflächenaktivierung in Verbindung mit einem zügig durchgeführten Bebauungsplanverfahren kann in vielen Städten ein wichtiger Beitrag zu einer schnellen Baulandmobilisierung sein.

Bausteine einer gelungenen Baulandpolitik

Wir haben in Deutschland eine hohe Bevölkerungsdichte bei gleichzeitig stärker werdenden Nutzungskonkurrenzen im Außenbereich (Landwirtschaft, Forst, Energieerzeugung usw.). Der Umgang mit einem Grundstück entscheidet, was darauf gebaut wird, wer dort einziehen, wer dortbleiben darf, und wie sich ein Quartier entwickelt. Dabei geht es um mehr als nur darum, Geld mit der sozialpolitischen Gießkanne zu verteilen. Es geht um einen intelligenten Umgang mit dem nicht vermehrbaren Gut Grund und Boden und es geht vor allem um aktives Handeln der Verantwortlichen in den Städten und Gemeinden.

Es gibt nicht die eine Schublade, die man aufziehen muss, um die Welt am Wohnungsmarkt schnell zu retten, sondern es sind viele Bausteine, die zusammen ein Haus ergeben:

– Kommunale Baulandstrategien und eine langfristige Bodenvorratspolitik gehören dazu.

– Konzeptvergaben und kooperative Baulandmodelle, wie die inzwischen weit verbreiteten städtebaulichen Verträge oder der Vorhabens- und Erschließungsplan sind Instrumente, die kommunale Haushalte spürbar entlasten und Städte und Gemeinden von vielen Verwaltungsleistungen entbinden. Durch diese finanzielle Entlastung bei der Finanzierung von Erschließungsmaßnahmen wird die Entscheidung der Kommune zugunsten von mehr Bauland erheblich erleichtert.

– Der Umgang mit Liegenschaften der öffentlichen Hand ist zu überprüfen. Eine verbilligte Abgabe öffentlicher Liegenschaften der BIMA zielgerichtet für bezahlbaren Wohnungsbau, ob an die Kommunen oder an Private, kann schnell helfen. 

– Die Grundstücksvergabe im Wege des Erbbaurechts kann ein Mittel sein, um langfristig öffentliches Interesse zu wahren und gleichzeitig dem Wohnungsmarkt günstig Bauland zur Verfügung zu stellen. Ein Blick ins Ausland (USA, Großbritannien) zeigt, wie es gehen kann.

– Die Anwendung des gesetzlichen Vorkaufsrechts der Gemeinde kann Bauland mobilisieren, wenn die Gemeinde bereit ist, in bestehende Kaufverträge einzutreten und den vereinbarten Kaufpreis zu bezahlen.

– Auch eine Senkung der Grunderwerbsteuer würde helfen, die Kosten für Bauwillige zu reduzieren.

Eine innerstädtisch angemessene Verdichtung im Bestand mit der Möglichkeit aufzustocken, kann zur Sicherung bestehender Stadtstrukturen und Quartiere beitragen und ein Mosaikstein zur Entlastung am Wohnungsmarkt sein.

Von der Innenstadt in den Außenbereich

Auf Dauer werden sich die fehlenden Wohnungen jedoch nicht allein im Innenbereich schaffen lassen. Auch im Außenbereich muss unter bestimmten Voraussetzungen wieder die Ausweisung von Bauland möglich sein.

Die Planungshoheit, um Wohnbauflächen auszuweisen, liegt eindeutig bei den Kommunen. Von dieser kommunalen Planungshoheit bleibt meistens nicht mehr viel übrig, nachdem die Europäische Kommission, Bund, Länder und Planungs- und Regionalverbände festgelegt haben, was alles nicht geht.

In vielen Städten wurden Landschaftsschutzgebiete wie ein Korsett an bestehende Wohngebiete gelegt, oft auch um eine Weiterentwicklung möglichst zu erschweren oder zu verhindern. Um Kommunen eine Außenentwicklung zu ermöglichen und die vielfach vorhandenen Bremsen zu lösen, müssen die Ziele der Landes- und Regionalplanung bedarfsgerecht angepasst werden.

Wachstum und Wohnungsneubau? Not in my backyard

Sehr oft wird die Inanspruchnahme von Flächen im Außenbereich tabuisiert, da Kommunen neue Infrastrukturen bei Straßen, Schulen, Kindertagesstätten, ÖPNV schaffen müssten. Selten hat die eigene Wohnbevölkerung Interesse an Wachstum und Wohnungsneubau.

Manfred Rommel hat einmal gesagt: „Die Wohnungsnot in den Städten zeigt, dass Städtebau nicht nur ein qualitatives, sondern vor allem ein quantitatives Problem ist. Es ist dort schwieriger, rigoros gegen Landschaftsverbrauch zu wettern, wenn man Menschen begegnet, die keine Wohnung bekommen.“ Dieses Zitat des langjährigen Oberbürgermeisters von Stuttgart und Präsidenten des Deutschen Städtetags erschließt in einfachen Worten die ganze Widersprüchlichkeit in unserer Gesellschaft.

Es ist zu hoffen, dass die Städte und Gemeinden nicht warten, bis die beim Bundesbauminister eingerichtete Expertenkommission zur Baulandmobilisierung im Sommer ihre Vorschläge unterbreitet und der Gesetzgeber in 2020 evtl. die ergänzenden Gesetzesänderungen beschließt. Schon jetzt muss gehandelt werden.

Entscheidungsfreudige Kommunen nutzen im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung den heute bereits vorhandenen Gestaltungsspielraum, nehmen den existierenden großen Instrumentenkasten des Bau- und Planungsrechts in die Hand und setzen ihn zügig ein.

Wir haben in Deutschland kein Erkenntnisproblem. Wir haben ein Umsetzungsproblem.

Die Debatte über die Bodenwertabschöpfung ist so alt wie das Bundesbaugesetz.

Besonders beim Baugenehmigungsverfahren ist ein kooperatives Miteinander von großem Vorteil.

In vielen Städten wurden Landschaftsschutzgebiete wie ein Korsett an bestehende Wohngebiete gelegt, oft auch um eine Weiterentwicklung möglichst zu erschweren oder zu verhindern.

Über den Autoren


Peter Götz ist Mitglied im Politischen Beirat des BFW Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen. Von 1990 bis 2013 war er Mitglied des Deutschen Bundestages. Als Kommunalpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Beauftragter für Bau und Stadtentwicklung im Bauausschuss des Bundestages gehörten die Stadtentwicklungs-, Wohnungs- und Immobilienpolitik zu seinen Aufgabenschwerpunkten.

16 Jahre lang war der frühere Bürgermeister Bundesvorsitzender der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU und CSU Deutschlands. Heute ist er deren Ehrenvorsitzender.

Ferner war Götz bis 2014 Präsident des Board of Directors der Global Parliamentarians on Habitat (GPH), einer internationalen Parlamentarierorganisation, die eng mit UN-Habitat zusammenarbeitet. Als Präsident des Advisory Council der GPH und Co-Chair des Executive-Committee der General Assembly of Partners (GAP) der Vereinten Nationen beschäftigt er sich nach wie vor weltweit mit Stadtentwicklungsthemen.
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