Berlin auf dem Weg ins nächste Abenteuer

Susanne Klabe, Geschäftsführerin des BFW Landesverbandes Berlin/Brandenburg, spricht Klartext. Es geht um den Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen in der Bundeshauptstadt.

Die im Grundgesetz verankerten Regeln zur Enteignung sind seit der Gründung der Bundesrepublik immer dann zur Anwendung gekommen, wenn es um den Bau von Straßen, Schulen oder andere öffentliche Vorhaben ging. Enteignet wurden Grundstücke, weil das öffentliche Interesse an einer künftigen Nutzung die privaten Interessen am Erhalt des Eigentums überwog. Also alles halb so wild mit dem Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen in Berlin? Nein! Denn mit dem nun durch Volksentscheid erteilten Auftrag an die Landesregierung, ein entsprechendes Gesetz vorzubereiten, soll Berlin wieder einmal Neuland betreten: die Vergesellschaftung von Teilen eines ganzen Wirtschaftszweiges. Das hat eine ganz neue Qualität.

Zurückgegriffen wird auf eine Regelung des Grundgesetzes, die in der Bundesrepublik noch nie zur Anwendung kam. Frei nach dem Motto: Man muss sich auch mal etwas trauen. Es geht um insgesamt etwa 380.000 Wohnungen in der Hauptstadt. Erfasst würden nach neuesten Gutachten auch 29 Berliner Traditionsgenossenschaften. Dieser Versuch ist umso bemerkenswerter, als die Folgen des gescheiterten Anlaufs zu einem Berliner Mietendeckel von der Wohnungswirtschaft noch nicht einmal vollständig abgearbeitet sind.  Das Votum stellt die Wohnungswirtschaft in der Hauptstadt erneut vor massive Rechtsunsicherheit. Die Zeit bis zur verfassungsgerichtlichen Klärung wird wieder Schaden anrichten. Der Wirtschaftsstandort Berlin wird beschädigt. Welche systemrelevanten Wirtschaftszweige kommen als nächstes auf die Liste? Das allein wäre fatal genug. Aber es ist viel schlimmer: Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum bleibt.

Und zur ganzen Wahrheit gehört auch, dass eine Vergesellschaftung von Immobilien die Menschen in der Hauptstadt teuer zu stehen kommen würde. Im Landeshaushalt für 2021 sind für die erforderlichen Entschädigungszahlungen bereits 32 Milliarden Euro ausgewiesen. Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften sollen das Vorhaben über Kredite finanzieren. Dass sich der Schuldenberg dieser Gesellschaften in der vergangenen Legislaturperiode bereits von 8 auf 16 Milliarden Euro verdoppelt hat, spielt in der öffentlichen Debatte kaum eine Rolle. Dabei sollte das insbesondere diejenigen interessieren, die lautstark mehr Klimaschutz im Gebäudesektor einfordern.

Werden die Mieteinnahmen der städtischen und der vergesellschafteten Wohnungen zur Kreditfinanzierung benötigt, bleibt kein Geld mehr für Investitionen in den Bestand. Das hat fatale Auswirkungen auf die Erreichung der Klimaziele. Wir werden sie nicht durch noch mehr Auflagen im Neubau erreichen. Vielmehr müssen die bestehenden Gebäude durch Modernisierungen und energetische Sanierung fit für die Zukunft gemacht werden. Sie sind der eigentliche Hebel für die Erreichung der Klimaziele im Gebäudesektor. Wer aber als Eigentümer mit Vergesellschaftung bedroht wird dürfte kaum in die energetische Ertüchtigung der Bestände investieren. Wir verlieren wertvolle Zeit.

Die wachsende Stadt braucht für ein ausgewogenes Verhältnis von Angebot und Nachfrage mehr Wohnraum und nicht mehr Regulierung. Die privaten Unternehmen sind bereit für die gewaltige Zukunftsaufgabe, 20.000 neue Wohnungen pro Jahr für alle Einkommensgruppen zu bauen. Dafür erwarten sie den lösungsorientierten Dialog auf Augenhöhe. Ideologisch getriebene Drohgebärden haben noch nie motiviert.

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