Fassadengestaltung

Besonders herausgeputzt

Auf einem ehemaligen Klinikgelände entsteht mitten in der Stadt Kempten eine atttraktive Wohnbebauung. Zu ihren Besonderheiten zählt eine anspruchsvolle Fassadengestaltung.

Im Rahmen der Stadtentwicklung Kemptens durch die „Sozialbau Kempten Wohnungsbau- und Städtebau GmbH“ wurde für eine ganzheitliche Quartiersbelegung der Bau von Eigentumswohnungen sowie von Wohnungen im sozialen Wohnungsbau geplant und schrittweise umgesetzt. Dabei ist im Jahr 2018 im ersten Bauabschnitt der Gebäudekomplex Gottesackerweg fertiggestellt worden.

Wer der Meinung ist, ein Neubau oder sozialer Wohnungsbau, muss langweilig, trist und grau aussehen, wird hier eines Besseren belehrt. Im ersten Bauabschnitt entstand ein Komplex, der durch bemerkenswerte architektonische Details beeindruckt. So wird die Gestaltung der Fassadenflächen mit zurückspringenden Fensterfaschen und unterschiedlichen Putzfassungen durch individuell gestaltete Balkongitter ergänzt. Weiterhin wechseln sich Kratzputzflächen mit glatt gefilzten Flächen ab. In der Farbgebung dominieren verschiedene, miteinander harmonierende beige-graue Töne, die durch den Einsatz von Glimmerschuppen den Fassaden glänzende Effekte verleihen. Die Ausführung dieser Fassadendetails stellte die Bau-Beteiligten vor besondere Herausforderungen, die nur gemeinsam gelöst werden konnten.

Der Rohbau wurde als Massivbau mit hochwärmedämmenden Ziegeln zur Erfüllung der heutigen energetischen Anforderungen ausgeführt. Als Putzsystem kam ein Leichtputz Typ I in Kombination mit einer vollflächigen Armierungslage zum Einsatz. Die Fassadenflächen erhielten einen klassischen dickschichtigen Kratzputz. Dieser wurde auf die mechanisch gut aufgeraute Armierungslage in ca. 3-facher Kornstärke aufgebracht und mit Kratzigeln auf die gewünschte fertige Putzstärke des Oberputzes zurückgekratzt. Durch diese Technik entsteht die typische offenporige mineralische Oberfläche mit Tälern, die das herausspringende Strukturkorn beim Kratzen hinterlässt und die Glimmerschuppen in der Putzmörtelmatrix freilegt. In dieser offenen Putzstruktur mit den freiliegenden Glimmerschuppen ergeben sich je nach Lichteinfall besondere glänzende Effekte an der Oberfläche. Das Material bekommt somit eine natürliche Farbigkeit, die durch die besonderere Oberflächenbearbeitung keinen Anstrich mehr benötigt.

Diese Ausführungsform des Oberputzes stellt die Ausführenden vor eine handwerkliche Herausforderung, da die Technik des Kratzputzes schon vielerorts in Vergessenheit geraten ist. Hinzu kommt, dass im Bereich der zurückspringenden Faschen die Putzflächen als glatter Putz mit einer feinen gleichmäßigen Filzstruktur ausgeführt wurden. Diese wurden im Anschluss farblich passend zum Kratzputz abgesetzt. Der Wechsel von der feinen Putzfläche zu den Kratzputzflächen erforderte eine sorgfältige ausgeführte handwerkliche Arbeit.

Rücksprünge und Absätze im Bereich der Faschen haben auch waagerechte Absätze in der Fassade zur Folge. Um die Fassade vor Feuchtigkeit zu schützen, müssen diese Flächen auch entsprechend verblecht werden. Eine Standardfensterbank kann diese objektspezifischen Anforderungen nicht erfüllen. Daher haben der Fachplaner, der Putzausführende und der Blechner/ Spengler gemeinsam eine Lösung entwickelt und umgesetzt. Dabei konnten neben der Vielzahl von unterschiedlichen Fensterlösungen an der Fassade auch die unterschiedlichen Putzdicken der Flächen mit Feinputz und Kratzputz berücksichtigt werden. In mehreren Versuchen wurde sowohl die endgültige Gestaltung der jeweiligen Blechaufkantung als auch die Arbeitsabfolge der Putzarbeiten bemustert. Als Ergebnis dieser aufwendigen Vorarbeiten konnten die optimale – objektspezifische – Lösung festgelegt und umgesetzt und die speziellen optischen und technischen Anforderungen gut in Einklang gebracht werden.

Zu einem guten Gesamteindruck einer Fassade gehört auch ein funktionsfähiger Sockelbereich, insbesondere im Übergang zum Gelände. Am Objekt Gottesacker hat man sich entschieden, den Sockel als etwas zurückgesetzten Glattputzbereich auszuführen. Schaut man über die Fassade, so erkennt man einen glatten, gleichmäßigen Sockel. Der genaue Blick entdeckt, dass der Sockelputz fachlich korrekt als Steifen erkennbar den technisch unverzichtbaren Feuchtigkeitsschutz bis über die Geländeoberkante erhalten hat. Der häufig als optisch störend empfundene Steifen fügt sich durch den flächigen Anstrich auf dem gesamten Sockel harmonisch in das Gesamtbild ein und fällt dem Betrachter kaum auf.

Dieses gelungene Objekt am Gottesacker in Kempten zeigt deutlich, dass ein Neubau weder langweilig noch trist sein muss. Er ist ein Beispiel dafür, wie durch eine gelungene Kombination verschiedener Gestaltungselemente sowohl die optischen als auch technischen Anforderungen erfüllt und harmonisch in Einklang gebracht werden können. Zu den Voraussetzungen dafür gehört, dass alle Bau-Beteiligten an einer gemeinsamen Lösung arbeiten und sich dafür entscheiden müssen.

Die Ausführung von Fassadendetails stellte die Bau-Beteiligten vor besondere Herausforderungen, die gemeinsam gelöst werden konnten.

Bautafel

Verwendete Produkte:
Unterputz StyroporLeichtputz SL 67
Vollflächige Armierungslage, aufgezahnt und Feinputzlage Multi 5
KratzPutz KRP Jura 03 mit Glimmer, getönt

Planung:
Palais Mai GESELLSCHAFT VON ARCHITEKTEN UND STADTPLANERN MBH
Goethestraße 21
80336 München

Ausführung:
Frank Wilhelm GmbH & Co.KG
Buchbrunnenweg 22
89081 Ulm

Bauherr: Die Sozialbau Wohnungs- und Städtebau GmbH
Allgäuer Straße 1
87435 Kempten

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