Bauen im Bestand

Bestandsgebäude clever umbauen

„Veränderung von Gebäudebeständen aufgrund demografischer Einflüsse und energetischer Maßnahmen am Beispiel eines typischen Bestandsgebäudes“ ist der Titel einer Masterarbeit. Anlass war, Umbaumöglichkeiten für Wohngebäude in einem Mittelzentrum in Sachsen-Anhalt auszuloten. Für den direkten Bezug zur Praxis sorgt die Zusammenarbeit mit der BEWOS-Besser Wohnen in Oschersleben – Wohnungsbau- und Verwaltungsgesellschaft mbH, die die Arbeit mit betreut hat.

In den neuen Bundesländern wurden Wohnungsbauten in einer großen Anzahl mit vorgefertigten Elementen standardisiert hergestellt. Ziel war damals die zügige Schaffung von Wohnraum. Diese Gebäude mit hohem Verfertigungsgrad bestimmen immer noch die Gestaltung von Wohnsiedlungen in den Beständen kommunaler Wohnungsgesellschaften und Wohnungsgenossenschaften in der ehemaligen DDR. Die Nachfrage nach Wohnungen in diesen Gebäuden ist unterschiedlich: während Wohnungen in Gebäuden nach Plattenbauweise Typ WBS 70 insbesondere wegen der konzentrierten Wohnsituation weniger nachgefragt werden, liegt die Leerstandsquote in Gebäude der so genannten Blockbauweise (Bild 2) unter dem Durchschnitt. Gleichwohl sind hier ein Weiterdenken und perspektivisches Umdenken erforderlich, um die Mieterschaft auch wegen des steigen Altersdurchschnittes in den Wohnungen und Quartieren zu halten.

Ca. 20% des Bestandes an Wohnungen der kommunalen Gesellschaft BEWOS Wobau GmbH in Oschersleben befinden sich in Gebäuden der Blockbauweise mit vorgefertigten Blockelementen aus Leichtbeton. Die Wohnungen besitzen typischerweise Küchen und Bäder, die an der Außenwand mit Fenster errichtet wurden. Der Leerstand ist vergleichsweise gering (6% zu 12% im Bestand), das Durchschnittsalter der Bewohner hoch (über 60 Jahre). Die Mieten sind örtlich marktgerecht, aber im Vergleich zu gering für umfangreiche Investitionen. Vor diesem Hintergrund war die Zielstellung, ein effizientes und nachhaltiges Planungskonzept zur perspektivischen Bestandssicherung in energetischer und demografischer Hinsicht zu schaffen. Insbesondere der steigende Altersdurchschnitt der Mieterschaft führt ohne aktives Gegensteuern zu Wohnungsleerständen. Ein Gebäude wurde als Beispiel für eine relativ große Anzahl gleicher Einheiten hinsichtlich seiner energetischen Qualität und daraus resultierende Verbesserungen der thermischen Gebäudehülle analysiert (Tab. 1 und 2). Weiter wurden bauliche Konzepte für barrierefreie Wohnformen mit praktischer Raumanordnung und einer bewusst technisch niederschwellig orientierten Lösung ohne den Ein- bzw. Anbau von Aufzügen untersucht. Diese neue Wohnform soll das eigenständige Wohnen im bekannten Wohnumfeld gewährleisten.

Energetische Sanierung

Die Verbrauchsdaten für Heizung und Warmwasseraufbereitung und die Gebäudekennwerte wurden durch den Eigentümer zur Verfügung gestellt. Die Berechnung des Endenergiebedarfs erfolgte mit Unterstützung des Energieberatungstools des Instituts Wohnen und Umwelt GmbH. Die Ergebnisse der studentischen Arbeit zeigen die Berechnungswerte

– beim Einbau von Dämmungen auf der Dach­­decke mit verschiedenen Dämmschichtdicken,
– das erwartete Einsparpotenzial beim Austausch von Fenstern mit unterschiedlichen Wärmedurchgangskoeffizienten,
– die Auswirkungen auf die Endenergie bei Dämmung der Kellerdecken sowie
– Werte der Reduzierung der Endenergie durch den Einbau einer zusätzlichen Au­­ßenwanddämmung.

Die im Planungskonzept gewählten Dämmparameter, die daraus berechneten Primärenergiebedarfe und Transmissionsverluste je Bauteilveränderung offenbaren mit dem Vergleich der Forderungen der Energieeinsparverordnung 2014, dass die U-Werte eingehalten werden. Zu den maximalen Primärenergiebedarfen und Transmissionsverlusten ver­­bleiben weiterhin Differenzen  Das energetische Einsparpotential bei einer Kombination aus Dachdeckendämmung und Fenstertausch liegt bei ca. 49 %.↓

Demografischer Wandel

Irgendwann kann der Zeitpunkt erreicht sein, an dem für ältere Menschen der Einstieg in die Badewanne, die Stufen im Eingangsbereich oder die Überwindung der Türschwellen zu unlösbaren Herausforderungen werden. Ein Auszug der Senioren aus der Wohnung und der Verlust des Umfeldes führen oft in eine soziale Vereinsamung. Eine Herausforderung für die Wohnungswirtschaft ist daher die sich verändernde Altersstruktur der Bewohner. Das Durchschnittsalter steigt in der betrachteten Region auf 53 Jahre im Jahr 2030 (2009: 47 Jahre) und der Anteil der über 65-Jährigen auf 39% (2009: 24%). Die aktive Mitgestaltung der gesellschaftlichen Akteure ist die richtige Reaktion auf die Veränderung. Durch verschiedene Maßnahmen in der Wohnungsanpassung können Defizite vermieden oder gemindert werden. Ein Ansatz stellt die Umgestaltung der Wohnung auf Grundlage neuer Wohnformen dar. Das Spektrum an bereits bestehenden Wohnmöglichkeiten gewinnt immer mehr an Breite und differenziert sich weiter aus. Ambulant betreute Seniorenwohngemeinschaften zum Beispiel holen sich die erforderlichen Hilfeleistungen, lassen jedoch genug persönlichen Raum. Neue Wohnkonzepte auch der Wohnungswirtschaft leisten dafür einen Beitrag.

Konzepte zur Wohnform

In dem betrachteten Wohnquartier befindet sich eine große Anzahl baugleicher Mehrfamilienwohnhäuser mit Bewohnern in ähnlicher Altersstruktur. Insbesondere hinsichtlich der Wohnraumgestaltung ist festzustellen, dass der Anteil der alleinlebenden Mieter mit dem Alter signifikant ansteigt und Wohnkonzepte sich daran orientieren müssen (Altersgruppe 70-79 Jahre ca. 25%, über 80 Jahre 41% alleinlebende Mieter).

Um den Auszug der alternden Mieter zu verhindern, müssen neue barrierefreie Wohnformen betrachtet werden. Eine Seniorenwohngemeinschaft stellt ein interessantes Wohnkonzept dar. Das größte Problem vor der Gründung einer Seniorenwohngemeinschaft stellt der Mangel an geeignetem, barriere­freien und bezahlbaren Wohnraum dar. Der Fokus ist daher auf die bautechnischen As­­pekte der Wohnungsumgestaltungen ge­­richtet. Eine barrierefreie Wohnung soll den Bewohnern die Möglichkeit geben, sich trotz ihrer Einschränkung frei in ihrem Zuhause bewegen zu können. Die nach DIN 18040 – Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen – geforderten Parameter können in zusammengelegten Wohnungen erfüllt werden.

Bei der Gestaltung der Räume spielt das Bad eine bedeutende Rolle. Es sind vergleichsweise große Flächen erforderlich, um eine sanitäre Anlage barrierefrei zu installieren. Da viele bestehende ältere Mehrfamilienhäuser als Lösung entworfen wurden, um vielen Menschen Wohnraum zu bieten, ist die vorhandene Fläche häufig nicht ausreichend.

In dem für viele Wohnobjekte beispielhaften Gebäude werden die Räume der Wohnung so angelegt, dass sie drei Bewohnern Platz bieten. Jeder Bewohner verfügt über ein barrierefreies Bad mit direkter Erreichbarkeit über das Schlafzimmer. Der große, einladende Koch- und Wohnbereich, der genug Platz für die Bewohner und Besucher bietet, wird zur gemeinschaftlichen Nutzung vorgesehen. Der Multifunktionsraum kann für verschiedene Nutzungen eingerichtet werden. Das bestehende Badezimmer wird zum Eingangsflur mit der Folge umfunktioniert, so dass der neue Wohnungseingang vom Laubengang her in diesen Flur gelegt werden kann. Die baulichen Maßnahmen sind übersichtlich. Es werden ca. 1,5 m³ Wand entfernt, eine Trennwand neu errichtet, fünf Türöffnungen verschlossen, vier Öffnungen an die in der Norm geforderten 80 cm lichte Breite verbreitert und zwei Durchgänge hergestellt (Bild 1).

Barrierefreie Erschließung des Erdgeschosses

Das Erreichen des Erdgeschosses des Gebäudes ist für Mieter mit eingeschränkter Mobilität ein großes Problem. Das beispielhafte Wohnobjekt besitzt ein Sockelgeschoss, das ca. 1,50 m über die Oberkante des Geländes herausragt. Um diesen Höhenunterschied zu überbrücken, wird eine Rampe errichtet, die das Erdgeschoss mit einem anschließenden Laubengang barrierefrei erschließt (Bild 3). Diese Bauvariante ist im Vergleich zu einer technisch-mechanischen Lösung (Aufzug) kostengünstig und wartungsarm. Die Rampe mit einer Länge von ca. 30 m wird an der Giebelseite bis zum erschließenden Fußweg errichtet. Um Unfälle durch Nässe bei Regen oder auch Glätte zu verhindern, wird neben einer Überdachung für den Laubengang die gesamte Fläche mit Stahlgittern realisiert. Dadurch wird nicht nur die Bildung von Pfützen, sondern auch die Eis- und Schneeablagerung unterbunden.

Der Vorteil dieser barrierefreien Erschließung ist die universelle Anwendbarkeit. Die Rampenkonstruktion kann in dieser Form bei jedem Gebäude dieses oder eines ähnlichen Typs angewendet werden und bietet damit eine barrierefreie Lösung, die vielfach, im betrachteten Wohnquartier insgesamt an elf Wohnhäusern umgesetzt werden kann.

Um den Auszug alternder Mieter zu verhindern, müssen neue ­barrierefreie Wohnformen betrachtet werden.

Eine barrierefreie Wohnung als Voraussetzung für eine Senioren­wohngemeinschaft.

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