Mitbestimmung der Anwohner bei städtebaulichen Vorhaben garantiert eine hohe Akzeptanz

Der Bürger als Impulsgeber

Eine umfassende Mitbestimmung der Anwohner bei städtebaulichen Vorhaben garantiert eine hohe Akzeptanz und paradoxerweise oft eine Beschleunigung der Maßnahme, da Ängste und Vorbehalte abgebaut werden. In der Folge entfallen Blockadehaltungen oder sogar juristische Bremsen weitgehend. Beispiele aus Heidelberg, Limburg und Bürstadt.

Schlagworte wie „Partizipative Architektur“ oder „Performative Bürgerbeteiligung“, ja sogar „Kollaborative Demokratie“ sickern langsam in den Sprachgebrauch und in die tägliche Praxis der Stadtplanung ein. Große Entwicklungsprojekte wie etwa Flächenumwandlungen im Zuge abgewanderter Industrie oder als Folge aufgelöster ehemaliger Militärstützpunkte lassen oft schon durch ihre schiere Größe die Forderung nach umfassender Mitbestimmung der Betroffenen laut werden. Eine reine Information der Anwohner oder halbherzige Bürgerstunden reichen aber in der heutigen Gesellschaft längst nicht mehr aus.

Komplexe Stadtplanungsprozesse sind sehr vielschichtig und ziehen sich manchmal über Jahrzehnte hin, so die Erfahrung von Monika Fontaine-Kretschmer, Geschäftsführerin der Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt und zuständig für deren Stadtentwicklungsmarke NH ProjektStadt: „Entwicklungsprojekte größeren Ausmaßes verändern die betroffenen Stadtteile. Oftmals richten sie sogar die ganze Kommune neu aus.“

Ergebnisoffener Dialog als Grundbedingung

Je früher möglichst viele Stakeholder, Verbände, Vereine, Gruppierungen, Wirtschaft, Behörden und natürlich Anwohner eingebunden werden, desto reibungsloser gehen solche Vorhaben über die Bühne. „Eine umfangreiche planerische Maßnahme verläuft erfolgreich“, so die technische Geschäftsführerin des größten hessischen Wohnungsunternehmens, „wenn es gelingt, die verschiedenen Interessen, Denkansätze und Ideen – aber auch die Vorbehalte und Ängste aller Beteiligten – in einem kontinuierlichen Dialog zu erfassen und zu koordinieren.“ Dem Verhandlungsweg sei dabei immer der Vorzug zu geben. „Obrigkeitsstaatliche oder juristische Maßnahmen sind mit einem partizipativen, demokratischen Prozedere einfach nicht vereinbar.“

Wichtig sei vor allem, dass dieser Prozess möglichst ergebnisoffen angelegt sei. Diplom-Geographin Ulrike Mackrodt kommt in ihrem Aufsatz „Bürgerbeteiligung im urbanen Raum“ zu dem Ergebnis, dass „Stadtplanungsprozesse ohne eine Beteiligung der städtischen Öffentlichkeit“ gar nicht mehr denkbar seien.

Sie beobachtet, wie zahlreiche andere Autoren auch, dass die Kommunen „durch Intensivierung der Beteiligungsangebote den wachsenden Forderungen nach einer zivilgesellschaftlichen Teilhabe Rechnung tragen“ – und Rechnung tragen müssen! Dabei werde immer stärker der „urbane Ort“ selbst als Spielfeld der Gestaltung genutzt. Hierfür prägt Mackrodt den Begriff „performative Bürgerbeteiligung“.

„Sandkastenspiele“ sorgen für Input und Verständnis

Ein solcher Prozess verlangt den beauftragten Planern mehr ab als die klassische Top-Down-Informationspolitik, bei der der Bürger nach Beendigung eines langen Planungsverfahrens informiert – oder besser „in Kenntnis gesetzt“ – wird. Monika Fontaine-Kretschmer erläutert: „Zu einer professionellen Gestaltung eines partizipativen und aktivierenden Planungsprozesses gehört die weitgehende Einbindung aller Involvierten in den unterschiedlichsten Formen und auf den verschiedensten Ebenen.“ Nur so seien zielgerichtete Ergebnisse zu erarbeiten und ein breiter Konsens herzustellen.

Beispiel Limburg: Die NH ProjektStadt ar­­beitet hier seit 2013 an der Neugestaltung des Kernbereichs der Domstadt. Weil sich verschiedene Ideen „konfliktträchtig gegenüberstanden“, wie es der zuständige Projektleiter Jens Hettmann seinerzeit formulierte, entschied sich das Team für ein besonders plakatives Werkzeug der Bürgerbeteiligung: An einem belebten Samstagmorgen baute die NH ProjektStadt ein Sandkastenmodell der Planungen im Maßstab 1:50 auf. Passanten „konnten so mit den unterschiedlichen Planungsvarianten noch einmal spielen“.

Der Erfolg war überwältigend. Hettmann: „Für uns war sehr spannend, was wir hier mitnehmen konnten. Es gab eine Fülle von Anregungen und fruchtbare Diskussionen – der Tag war durchweg sehr bunt.“ Die „Sandbox“ sorge dafür, dass neue Ideen in den Planungsprozess einfließen – das Spielerische kitzelt dabei die Kreativität der Teilnehmer wach, man fühle „sich in die Kindheit zurückversetzt“, erläuterten viele Passanten.

Nicht zu unterschätzen sei auch noch eine weitere Wirkung der „Sandkastenspiele“: Die realistische, räumliche Darstellung mache den Bürgern deutlich, vor welchen Schwierigkeiten die Planer stehen. Sie verhelfe zu einer anderen Sichtweise, führe zu einem tieferen Verständnis der Problemlage und bringe ein Mehr an Transparenz.

Bürgerbeteiligung hat viele Facetten

Partizipation bedient sich mittlerweile vieler Formate: Bürgerveranstaltungen vor Ort wie etwa Planungswerkstätten, Workshops, Bürgerforen oder Ausstellungen sowie Methoden aufsuchender Beteiligung, aktivierende Bürgerbefragungen oder zielgruppenspezifische Angebote für Kinder, Jugendliche, Senioren oder Migranten, Gespräche mit Schlüsselpersonen oder Stadtteilrunden. Alle Maßnahmen werden so miteinander in Beziehung gesetzt, dass hohe Aufmerksamkeit und breite Aktivierung der Öffentlichkeit garantiert sind.

Ein gutes Beispiel hierfür ist die „Planungswerkstatt“, die das Team der NH Projekt-Stadt in der südhessischen Kommune Bürstadt besonders beeindruckend in Szene setzte. Um die Umgestaltung des Haag’schen Geländes mitten in der City plastisch vor Augen zu führen, ließen die Verantwortlichen alle geplanten Elemente im Maßstab 1:1 direkt vor Ort auf dem Platz installieren – große Ballons dienten als Bäume, Architektur-Modelle als Ersatz für reale Gebäude.

Der Erfolg der riesigen Aufbauten: eine ebenso riesige Beteiligung! Eine weitere Besonderheit galt es hier zu berücksichtigen. „Die Partizipationsprozesse in Bürstadt waren genau so angelegt, dass sie den Vorschriften des Landes Hessen in Rahmen des Förderprogramms Aktive Kernbereiche entsprechen“, betont Christian Schwarzer, Projektleiter der NH ProjektStadt vor Ort.

Professionelle Gestaltung partizipativer Mitbestimmung

Spaziergänge zum Objekt, Planungsworkshops, Ideenwerkstätten oder die Bereitstellung von kreativen Werkzeugen wie etwa interaktiven Plattformen im Internet – sie alle dienen zunächst dem Zweck, Barrieren zu überwinden und Personenkreise zu aktivieren, die im öffentlichen Diskurs nicht versiert sind. Martina Fendt, Projektleiterin NH ProjektStadt und zuständig für den Konversionsprozess in Heidelberg, kann da nur zustimmen: „Mit attraktiven Angeboten vor Ort schaffen wir es tatsächlich, möglichst viele Gruppen einzubinden und breite Bevölkerungsschichten auch für die Sache zu begeistern.“ Der Planungsablauf sei damit aber nicht mehr klassisch linear, sondern werde zu einem Ping-Pong-Spiel zwischen Planer und Öffentlichkeit, zu einem gewünschten iterativen Prozess.

Nicht zuletzt fordert die Begleitung eines solchen Prozesses auch ein spezifisches Know-how in puncto Öffentlichkeitsarbeit. Diese tritt dezidiert nicht mit der Vorgabe an, versteckte Werbung für eine vorgefertigte Maßnahme zu betreiben. Wichtig sei vielmehr eine realistische Darstellung der Gesamtsituation und des Fortschritts, Transparenz, Seriosität, Ernstnehmen der unterschiedlichen Interessenslagen, ausgewogene Berichterstattung und Kontinuität.

„Die Bürger wollen heutzutage genau wissen, wie geplant wird und wie Entscheidungen vorbereitet werden. Wichtig ist ihnen vor allem, welche Beteiligungs- und Rückkopplungsmöglichkeiten es für sie persönlich gibt“, erläutert Marius Becker, Projektleiter Stadtentwicklung NH ProjektStadt. Neben der Fachtransparenz sei daher von Beginn an auch eine Prozess-transparenz unerlässlich.

Breite Diskussion in Heidelberg

Am Beispiel der Begleitung des Dialogischen Planungsprozesses für die Konversionsflächen in Heidelberg lässt sich dieser ganzheitliche Ansatz bestens veranschaulichen. Das Planungsteam der NH ProjektStadt ist dort seit 2012 mit der Projektsteuerung beauftragt. Dazu zählt die Aufgabe, die fünf ehemaligen Areale der US-Army mit jeweils eigenständigem Charakter mit neuem Leben zu füllen. Angesichts der vielfältigen Interessen und der wirtschaftlichen Begehrlichkeiten in Bezug auf die Konversionsflächen, wählten die Verantwortlichen in der Neckarstadt von Anfang an bewusst einen partizipativen Planungsprozess auf Basis der Heidelberger Leitlinien für mitgestaltende Bürgerbeteiligung.

Die NH ProjektStadt arbeitete daher mit verschiedensten Formaten wie etwa „Tagen der offenen Tür“ oder „Konversionsspaziergängen“ – mit messbarem Erfolg, denn oftmals erschienen mehr als 800 Teilnehmer zu den Terminen. Martina Fendt: „Auf diese Weise ist es uns gelungen, innerhalb von nur eineinhalb Jahren für die erste Konversionsfläche, die sogenannte Südstadt, neben dem Nutzungskonzept auch den zugehörigen Masterplan mit breiter Bürgerbeteiligung zu erarbeiten und durch einen kommunalen Beschluss abzusichern.“

In der Praxis enthält ein gut angelegtes Partizipationsprojekt stets die gleichen Schritte: Vorbereitung, Konzeption, Umsetzung, Dokumentation und eine abschließende Evaluation. „Die wichtigste Aufgabe besteht darin, der Kommune und der Verwaltung zu verdeutlichen, dass eine Beteiligung möglichst vieler Interessengruppen notgedrungen mit Konflikten einhergeht“, weiß Geschäftsführerin Fontaine-Kretschmer aus Erfahrung. „Ihnen muss von Beginn an dargelegt werden, dass auch Auseinandersetzungen ein Motor sind, die einen Prozess vorantreiben, an dessen Ende für alle Seiten zufriedenstellende und tragbare Ergebnisse und Lösungen stehen.“

Planer sollten Anregungen und auch Kritik eher als Herausforderung werten – und den Bürger mit seinen persönlichen Ideen als Impulsgeber begrüßen. Der Lohn der „gewagten Demokratie“ (Willy Brandt) bestehe aus reibungslos umgesetzten Projekten, breiter Akzeptanz und passgenauen Lösungen für den jeweiligen Stadtteil – und das sei jede Anstrengung im Vorfeld wert!

Flächenumwandlungen im Zuge abgewanderter Industrie oder als Folge aufgelöster ehemaliger Militär-Stützpunkte lassen oft schon durch ihre schiere Größe die Forderung nach Mitbestimmung der Betroffenen laut werden.

In der Praxis enthält ein gut angelegtes Partizipationsprojekt stets die gleichen Schritte: Vorbereitung, Konzeption, Umsetzung, Dokumentation und eine abschließende Evaluation.

Die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt mit Sitz in Frankfurt am Main und Kassel bietet seit 95 Jahren umfassende Dienstleistungen in den Bereichen Wohnen, Bauen und Entwickeln. Sie beschäftigt rund 720 Mitarbeiter. Mit 60.000 Mietwohnungen in 140 Städten und Gemeinden gehört sie zu den führenden deutschen Wohnungsunternehmen.
Der Wohnungsbestand wird aktuell von rund 260 Mitarbeitern in vier Regional-Centern, untergliedert in 13 Service-Center, betreut. Unter der Marke NH ProjektStadt werden Kompetenzfelder gebündelt, um nachhaltige Stadt- und Projektentwicklungsaufgaben durchzuführen.
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