Balkone: Durchs Glas geschaut
Auch wenn es draussen wie aus Kübeln regnet und der Wind um das Haus pfeift: Hinter ihren verglasten Balkonen sitzen die Bewohner des Wiener Stadtquartiers „Kagraner Idylle“ auch im Winter wohlig warm und gut geschützt im Trockenen.
Die Anziehungskraft großer Städte lässt den Wohnraum in den Ballungsgebieten weltweit knapp werden. Standardisierte und anonyme Wohnblöcke sind oft die Folge und prägen das Bild der urbanen Großsiedlungen. Eine Alternative zum monotonen Wohnungsbau bietet das Projekt Kagraner Idylle im östlichen Wien. Die Nähe zum öffentlichen Nahverkehr, zu Lebensmittelgeschäften, medizinischer Nahversorgung, Sozialeinrichtungen sowie Bildungseinrichtungen für Jung und Alt bedingen die gute Infrastruktur des Standortes. Bebaut wurde ein etwa 27.000 m² großes Areal, das sich in Kagran im 22. Wiener Gemeindebezirk befindet. Aufgeteilt in vier Bauplätze wurden insgesamt 316 Wohneinheiten, ein Kindergarten sowie Geschäftslokale realisiert.
Der Bauträger – Gemeinnützige Ein- und Mehrfamilienhäuser Baugenossenschaft Wien (EBG) – und das Architekturbüro Rüdiger Lainer und Partner in Wien entwickelten auf dem Bauplatz eine Wohnanlage aus unterschiedlichen Bebauungsformen: Patiohäuser mit nach innen orientierten Freiräumen wechseln sich ab mit Gebäudezeilen aus Reihenhäusern und Wohngebäuden mit sechs bis acht Geschossen. Die aufgelockerten Baukörper der Patiohäuser bieten Qualitäten für familiäres Wohnen, dazwischen liegende Stadthäuser vermitteln eine urbane Atmosphäre.
In den Außenbereichen erstrecken sich großzügige Plätze mit Flanierzonen. Kleinkinderspielbereiche laden zum Spielen ein, Sitzmöglichkeiten und ein Brunnen bieten Platz für nachbarschaftliche Treffen und Kommunikation. Auch im Inneren der mehrgeschossigen Wohngebäude ist für ein Angebot für junge und alte Mieter gesorgt. Neben einem Kinderspielraum und einem Gemeinschaftsraum stehen den Bewohnern Waschküchen sowie Kinderwagen- und Fahrradabstellräume zur Verfügung. Ausreichend PKW-Stellplätze sind in der hauseigenen Tiefgarage vorhanden.
Die flexible Grundrissgestaltung der Gebäude erlaubt verschiedene Kombinationsmöglichkeiten und Wohnungszusammenlegungen. So ist Wohnen und Arbeiten bestmöglich miteinander vereinbar. Die Größen der Einheiten liegen zwischen 45 und 120 m² mit zwei bis vier Zimmern. Erweitert werden die Wohnungen um private Freiräume in Form von Loggien beziehungsweise Patios, Terrassen und Mietergärten.
Leichtigkeit und Transparenz
Eines der wichtigsten Vorgaben des Bauherrn war der Windschutz, da Wien-Kagran zu den Bereichen mit den höchsten Windlasten Österreichs gehört. Die Herausforderung bestand darin, die Balkone als privaten Freiraum bei jeder Wetterlage nutzbar zu machen. Die Balkone der 48 Wohneinheiten wurden von Solarlux mit Glaswänden geschlossen, welche speziell für höchste Belastungsanforderungen entwickelt wurden. Das Schiebe-Dreh-System SL 25 XXL ist eine transparente Konstruktion aus verglasten Flügeln – mindestens ein Flügel, der Öffnungsflügel, ist als Drehflügel ausgeführt. Die übrigen Glaselemente werden einzeln zur Öffnungsstelle geschoben, rasten dort automatisch ein und werden durch eine Drehung nach innen geöffnet.
Das System bietet Schutz vor Wind, Lärm, Schmutz und Feuchtigkeit. Die trapezförmigen Balkone wurden dreiseitig geschlossen – je nach Wohnungs- und Balkongröße mit drei bis fünf verglasten Flügeln zu den Seiten und vier bis fünf verglasten Flügeln in der Front. Diese lassen sich vollständig über die gesamte Länge von circa 10 m über Eck öffnen, so dass im offenen wie im geschlossenen Zustand die volle Transparenz gewährleistet wird. Für die Bewohner werden die Balkone zu einem Ort, der weit über den Sommer hinaus nutzbar ist.
Die Belichtung der hinter den Freiflächen liegenden Räume wird nicht beeinträchtigt, denn das Tageslicht fällt bis tief in das Innere der Wohnungen und der Ausblick bleibt ungestört. Die bis zu vier Metern weit auskragenden massiven Balkone gewinnen durch die fast nicht wahrnehmbare Balkonverglasungen an Leichtigkeit. Optisch scheinen sie zu schweben. Das Schiebe-Dreh-System ist mit Verbundsicherheitsglas in einer Stärke von 12 mm ausgeführt, bestehend aus zweifachem, 6 mm starkem Einscheibensicherheitsglas mit einer PVB Folie und entspricht damit den erhöhten Schutzanforderungen nach OIB (Österreichisches Institut für Bautechnik).
Die Wertbeständigkeit der Balkonverglasung ist durch den Einsatz von hochwertigen Beschlagteilen dauerhaft gesichert. Die oben angeordneten Laufwagen sind in Edelstahlschienen kugelgelagert und besitzen glatte Laufflächen, die die Leichtigkeit während ihrer Bedienung gewährleisten. Insgesamt wurden bei diesem Bauvorhaben 552 Flügel montiert.
Die Verantwortlichen haben gezeigt, dass es Alternativen zum monotonen Wohnungsbau gibt. Nicht nur die Vielfalt der Baukörper zeigt dies, sondern auch die Ausbildung von flexiblen Schiebe-Dreh-Systemen im Fassadenbereich. Diese bieten ein abwechslungsreiches Erscheinungsbild in Verbindung mit einem Höchstmaß an Flexibilität in der Nutzung. Mit dem Projekt wurde ein unverwechselbares Stück Stadt erschaffen, welches in der Kategorie Wohnungsbau eine Auszeichnung des Best Architects 13 Award erhielt.
Eines der wichtigsten Vorgaben des Bauherrn war der Windschutz, da Wien-Kagran zu den Bereichen mit den höchsten Windlasten Österreichs gehört.