Eine runde Sache!
Die niederländische Stadt Utrecht ist um ein architektonisches Highlight reicher: „Meyster’s buiten“ heißt der runde Wohnturm. Eine Fassade aus Titanzink unterstreicht seine Form und seine Gestalt.
Das Gebiet entlang des Merwedekanaals im Stadtteil „Oog in Al“ im Westen von Utrecht war einst ein bewegtes Industrieareal. Hierin befand sich die Cereo Fabrik zur Herstellung von Sojaprodukten für Tierfutter. Nach deren Stilllegung wurde das Industriegelände in eine Wohnbebauung umgewandelt; im neuen Kiez entwickelte sich eine lebenswerte Infrastruktur. So wurden im historischen und liebevoll sanierten ehemaligen Fabrikgebäude unter anderem Einrichtungen wie Catering-Unternehmen, eine Schule, eine Bibliothek sowie ein Theater ansässig. Auch ein alter Ladekran am Kanalufer erinnert im neuen Wohngebiet noch an die Zeit der industriellen Nutzung. Das im wahrsten Sinne herausragende Projekt des transformierten Stadtteils Oog ist der neue 10-geschossige Wohnhausturm „Meyster’s buiten“. Exakt an dieser Stelle befanden sich ehemals große Rundsilos für die Lagerung von Soja. Der neue Wohnturm nach dem Entwurf des Architekturbüros Zecc Architecten verweist direkt auf diese Silos, die in einer Einheit zum Fabrikkomplex standen. Genau wie die ehemaligen Großbehälter besteht seine Hülle aus Metall und ruht auf einem Sockel aus Betonstützen.
Rotierender Baukörper
Im Gegensatz zu den homogenen Metalloberflächen der Silos zeigt sich das Bauwerk je Geschoss mit zwei gegenüberliegenden Balkonen, deren Mittelachse etagenweise um 90° verdreht ist. Hierdurch entsteht ein interessanter Effekt, der den Rundturm in eine gewisse Rotation versetzt. Verstärkt wird diese Wirkung durch die optisch unregelmäßige Anordnung der Fenster und ihren unterschiedlichen Abmessungen. Aufgrund des großen Abstandes der übereinanderliegenden Balkone von rund 6 m gelangt viel Sonnenlicht in die Wohnräume. Gleichzeitig spenden die Balkone mit ihrem gerundeten Grundriss den gewünschten Schatten für die unmittelbar darunter befindlichen Schlafräume. Das Erdgeschoss ist Erschließungsbereich und besteht aus einem Betonsockel mit V-förmigen Säulen. Hinter der Konstruktion befindet sich eine freie Durchgangszone zum Treppenhaus und zu Lagerbereichen. Der Balkon einer Wohnung im ersten Stock bildet den imposanten Baldachin des zurückgesetzten Eingangsportales.
In jede Etage sind jeweils zwei Wohnungen integriert. Das Penthouse ist rundum verglast und mit dem darunterliegenden Vollgeschoss durch einen Treppenaufgang mit den Appartements verbunden. Von den Räumen des Penthouses und der großzügigen Dachterrasse bietet sich den Bewohnern ein phänomenaler Blick über die Stadt Utrecht, bei klarem Wetter ist sogar die Silhouette Amsterdams sichtbar. „Die Besonderheit in der Bauweise des Wohnhausturmes ist, dass die Raumaufteilungen individuell nach den Bedürfnissen der Käufer gestaltet werden konnten. Auch bei einem künftigen Nutzerwechsel ist dies jederzeit möglich. Einige Käufer realisierten ein offenes Loft, andere bevorzugten eine geschlossene Raumstruktur, sodass keine Wohnung der anderen gleicht. Lediglich der quadratische Kern und die Fassade aus Rheinzink-prePatina blaugrau bleiben unveränderbar“, erklärt Marnix Van der Meer, Gründer und Partner von Zecc Architecten. So konnten die ersten Käufer zunächst die Größen der Wohnungen mit 105, 125, 145 oder 168 m² bis hin zur kompletten Etage mit 250 m² Grundfläche frei auswählen. Anschließend entwarf das Team um Marnix Van der Meer in mehreren Sitzungen gemeinsam mit den künftigen Nutzern ihre individuellen Grundrisse.
Nachhaltige Architektur und Wetterschutz
Als Gebäudehülle wählten Zegg Architecten eine vorgehängte, hinterlüftete und wärmegedämmte Metallfassadenkonstruktion in handwerklicher Klempner- bzw. Spenglertechnik. Sie ist bauphyskalisch sicher und bietet mit ihren Verlegetechniken vielfältige architektonische Gestaltungsmöglichkeiten. Die technischen Qualitäten des Systems liegen in erster Linie in der konstruktiven Trennung der Funktionen Wärmeschutz und Witterungsschutz. Zudem können besondere Anforderungen an Brandschutz, Schallschutz oder Blitzschutz leicht gestalterisch ansprechend umgesetzt werden.
Als robuster und langlebiger Wetterschutz für dieses in jeder Hinsicht exponierte Architekturprojekt kam eine horizontale Winkelstehfalzbekleidung aus vorpatiniertem Titanzink zur Ausführung. Diese Falztechnik ermöglicht eine regendichte Deckung unterschiedlichster Fassaden- und Dachformen. Mit der Oberflächenqualität prePatina blaugrau gelang es den Architekten, nicht nur einen Bezug zur Metallhaut der ehemaligen Silos herzustellen, sondern auch zum alten Ladekran am Kanalufer mit seiner verzinkten Wellblechbekleidung. Als Hersteller von Titanzinkprodukten für Dach, Fassade und für die Dachentwässerung verfügt Rheinzink über ein besonderes Verfahren, bei dem die blaugraue oder schiefergraue Farbe der natürlichen Patina bereits ab Werk existiert. Dabei verzichtet das Unternehmen zum Schutz der Umwelt vollständig auf künstliche Beschichtungen, Lackierungen oder Phosphatierungen. An der Fassade bildet sich durch atmosphärische Einflüsse die schützende Patina, die auch etwaige Kratzer ausgleicht, so dass der Rheinzink-prePatina keinerlei Wartung bedarf – und dies für viele Jahrzehnte.
Handwerkskunst mit Präzision
Die besten Werkstoffe sind jedoch nur so gut, wie sie vom Klempner, Spengler und Dachdecker verarbeitet werden. Für die fachgerechte Bauausführung der Fassadenkonstruktion einschließlich aller Funktionsschichten an Meyster’s buiten erhielt deshalb die Firma Elshof BV aus dem Niederländischen Olst den Auftrag. Mit modernen Blechbearbeitungsmaschinen, einer eigenen CAD-Planungsabteilung und einem versierten Mitarbeiterstamm zählen Aufträge wie der Utrechter Wohnturm zu ihrem anspruchsvollen Tagesgeschäft.
Das Unternehmen existiert bereits seit 1914 und wird heute von Geschäftsführer George Westgeest geleitet. „Die besondere Herausforderung bei diesem exponierten Projekt war für uns die Einhaltung des geplanten horizontalen Falzverlaufes der Winkelstehfalzschare, die das Gebäude ringförmig umfassen. Dabei mussten Fensterbänke, Fensterstürze und die Kragplatten der Balkone in das Fassadenraster integriert werden, sodass es nahezu keinen Spielraum zur Aufnahme von Maßtoleranzen gab. Zwingende Voraussetzung für die Bekleidung der Fassade war beispielsweise der millimetergenaue, fluchtgerechte Einbau der Fenster. „Dies hat weitestgehend gut geklappt, da wir unsere Anforderungen mit der Bauleitung und dem Fensterbauunternehmen schon im Vorfeld abgestimmt hatten“, erklärt George Westgeest. Die Scharen fertigte Firma Elshof in einer Regellänge von etwa 3 m aus Titanzink-Bändern. Sie wurden zunächst auf die passenden Bandbreiten zugeschnitten, im Rollformer profiliert und mit einer Spezialmaschine abschließend leicht vorgerundet, um Materialspannungen zu minimieren. Das gleiche Verfahren wurde auch bei den eingeschwungenen Scharen an den Übergängen der Balkone zum Rundturm angewendet. Die Verbindungen der Einzellängen erfolgten mittels flacher Einhangfalze, die in der Werkstatt mit einer Segmentkantbank vorbereitet wurden.
Wechselspiel im Tageslicht
Die Befestigung erfolgte indirekt mit Fest- und Schiebehaften in den Winkelstehfalzen. Sie sorgen für besondere Sicherheit auch bei hohen Windlasten und ermöglichen zudem die temperaturbedingten Dehnungsbewegungen der Schare. „Wir freuen uns, dass George Westgeest mit seinem Team unsere geplante Linienführung der Winkelfalze perfekt umgesetzt und ein qualitativ hochwertiges Gesamtergebnis erzielt hat. Die Titanzinkfassade ist zwar blaugrau vorbewittert, aber dennoch leicht glänzend, was zu einem interessanten Wechselspiel bei den unterschiedlichen Tageslichtverhältnissen führt. Dies wird mit den hervorstehenden Winkelstehfalzen noch verstärkt und ergibt den von uns gewünschten industriellen Charakter. Aber auch das Thema Nachhaltigkeit spielt für uns eine wichtige Rolle. Die Fassade wird fünfzig, vielleicht sogar hundert Jahre Wind und Wetter überdauern. Am Ende des Lebens kann das Material nahezu zu 100 % recycelt werden“, resümiert Marnix Van der Meer von Zecc Architecten.
Der Wohnturm erinnert an die Rundsilos, die hier einst für die Lagerung von Soja standen.
Aufgrund des großen Abstandes der übereinanderliegenden
Balkone von rund 6 m gelangt viel Sonnenlicht in die Wohnräume.
Gleichzeitig spenden die Balkone Schatten für die darunter befindlichen Schlafräume.