Gesundes Wohnen liegt im Trend

Im Hinblick auf VOC-Emissionen hat auch die Wohnungswirtschaft ein vitales Interesse daran, ihren Mietern schadstoff- und emissionsarmen Wohnraum bereitzustellen. Auffällige Baustoffe werden im höherpreisigen Mietgeschäft kaum und im geförderten Wohnungsbau immer weniger akzeptiert. Die Redaktion des BundesBauBlattes sprach mit Dr.-Ing. Christian Scherer, Gruppenleiter Chemie und Sensorik am Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP, über eine Entwicklung, die in der Wohnungswirtschaft noch am Anfang steht, bei Bundesbauten aber schon die Regel ist.

Sie leiten den Prüfbereich Emissionen. Welchen Trend stellen Sie fest?

Scherer: Wir werden zunehmend mit Messungen der Innenraumluftqualität in fertigen Gebäuden beauftragt. Der Hintergrund ist, dass der Bund nach BNB, dem Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen für Bundesgebäude arbeitet oder andere Bauherren nach DGNB, dem Konzept der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen. Beide Systeme enthalten eine abschließende Messung zur Bewertung der Emissionen im betriebsbereiten, aber noch nicht genutzten Gebäude.

Um welche Gebäude handelt es sich dabei hauptsächlich?

Scherer: Soweit es den Bund be­­­trifft, geht es in erster Linie um Verwaltungsgebäude, aber neuerdings zum Beispiel auch um Unterrichts- und Laborgebäude. Die Kommunen lassen vor allem Schulen, Tageseinrichtungen für Kinder und ähnliche Gebäude prüfen, Investoren und Gebäudebetreiber meist Bürogebäude.

Wie ist die Situation bei privaten Bauherren und speziell in der Wohnungswirtschaft?

Scherer: Private Bauherren kön­­nen die Nachhaltigkeit ihrer Immobilie nach DGNB zertifizieren lassen, wozu dann ebenfalls eine Emissionsmessung in ausgewählten Räumen gehört. Ein Zertifizierungssystem für die Wohnungswirtschaft, das jedoch keine abschließende Überprüfung des fertigenGebäudes vorsieht, bietet zum Beispiel der Verein zur Förderung der Nachhaltigkeit im Wohnungsbau, kurz: NaWoh. Stattdessen zielen die NaWoh-Kriterien auf die Verwendung von emissionszertifizierten Baustoffen und -systemen.

Dann werden die Messungen in fertigen Gebäuden also nicht die klassische Prüfung für einzelne Baumaterialien ersetzen?

Scherer: Emissionsprüfungen von Bauprodukten spielen eine wichtige Rolle. Einige spezielle Produktgruppen wie zum Beispiel Fußbodenbeläge oder Sportböden benötigen diese Prüfung im Rahmen der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung. Wohngesund­­heit gehört inzwischen auch zu den Kernthemen vieler Premiumhersteller. Sie lassen ihre Produkte freiwillig bei uns prüfen. Dadurch können Fehlentwicklungen bereits in der Produktentwicklung ausgeschlossen werden. Die Wohnungswirtschaft erhält so die Gewähr eines emissionsgeprüften und wohngesundheitlich unbedenklichen Baustoffs.

Was raten Sie der Wohnungswirtschaft heute und wo wird die Reise hingehen?

Scherer: Im Moment werden wir vor allem zu Messungen in Wohngebäude gerufen, wenn Geruchsbelästigungen auf­­treten, die aber nicht immer ein Indiz für gesundheitsbedenkliche Emissionen sein müssen. Meist liegt das Kind dann schon im Brunnen. Viel besser wäre es natürlich, proaktiv auf emissionsgeprüfte Bauprodukte oder Bausysteme wie auch qualifizierte Fachhandwerker zuzugehen, wodurch sich Auseinandersetzungen, vor allem aber teure Sanierungen vermeiden ließen.

Das gilt unabhängig davon, ob das Gebäude nach einem Zertifizierungssystem errichtet wird oder nicht. Für Wohnungen im Premium-Segment, aber zum Beispiel auch bei Angeboten, die sich speziell an Allergiker oder besonders gesundheitssensible Menschen wenden, könnte künftig die Messung im fertigen Gebäude an Bedeutung gewinnen. Grundlage für ein emissionsarmes Wohnumfeld bleiben aber auch hier die emissionsgeprüften Bauprodukte oder Bauteile.

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