„Grüner“ heizen: Der Stoff, aus dem die Träume sind
Der Klimawandel ist Realität – auch in Europa und Deutschland sind die Auswirkungen immer deutlicher zu spüren. Grund genug für die Europäische Union, mit immer ambitionierteren Vorgaben den Ausstoß von Treibhausgasen reduzieren zu wollen. In der Heiztechnik steht dabei auch der Wasserstoff als Lösung für eine emissionsfreie Zukunft auf der Wunschliste. In unserer dreiteiligen Serie liefern wir Basiswissen, zeigen die aktuellen politischen Konzepte auf und erläutern anhand von Produkten, wie Wasserstoff statt Erdgas künftig die Energiewende beschleunigen kann.
Viele werden es noch aus dem Chemieunterricht an der Schule wissen: Wasserstoff ist das erste und leichteste chemische Element im Periodensystem. Gleichzeitig ist es das in der Natur am häufigsten existierende. Es ist nahezu unbegrenzt verfügbar, geruchs- und farblos sowie brennbar. Kann Wasserstoff auch in der Heiztechnik zur Nummer 1 werden und hat er das Potenzial, den fossilen Energieträger Erdgas langfristig zu ersetzen? Und was macht Wasserstoff so besonders?
Der Klimawandel erfordert nachhaltige CO2-Reduktionen in der Industrie und im Verkehr. Seit den Pariser Klima-beschlüssen gilt das Ziel, den weltweiten Temperaturanstieg zu begrenzen. Maximal 1,5 Grad Celsius soll dieser betragen. Und genau an dieser Stelle wird Wasserstoff als Energieträger interessant. Denn er wäre theoretisch in der Lage, derzeit verwendete fossile Energieträger wie Gas und Öl oder Kohle vollständig zu ersetzen und den CO2-Ausstoß theoretisch auf null zu reduzieren.
Eine Idee von 1874 steht vor dem Durchbruch
Dabei muss man wissen, dass dieses Konzept prinzipiell aus dem vorletzten Jahrhundert stammt. „Wasserstoff und Sauerstoff wird die Energieversorgung der Erde sichern“ – das schrieb der französische Autor Jules Verne bereits 1874. Wie so oft war er mit diesem Gedanken seiner Zeit weit voraus. Heute steht die „Kohle der Zukunft“ – so Verne – vor dem Durchbruch. Denn kommt Wasserstoff mit dem Sauerstoff in der Luft in Kontakt und wird gleichzeitig die erforderliche Zündenergie zugeführt, verbrennt er quasi ohne Reststoffe. Es entsteht lediglich Wasserdampf und eine geringe Menge Stickoxid durch die Verbindung mit dem Stickstoff in der Luft.
Damit hat Wasserstoff prinzipiell das Potenzial, fossile Energieträger vollständig abzulösen. Genau wie Erdgas handelt es sich um ein brennbares Gas mit hohem Energiegehalt – nur die schädlichen „Risiken und Nebenwirkungen“ in Form von CO2–Emissionen treten nicht auf. Dementsprechend zahlreich sind die Bestrebungen, Projekte mit Wasserstoff umzusetzen. Denn vorhandene Infrastruktur sowie industrielle Verfahren und Technologien könnten weiter genutzt werden. Gewerbe und Privathaushalt, die noch auf fossile Energieträger setzen, ließen sich mit prinzipiell geringen Investitionen künftig alternativ mit Wasserstoff betreiben. Eine Win-win-Situation im großen Maßstab.
„Der Energieträger Gas hat aus unserer Sicht eine langfristige Perspektive. Auch 2050 wird es noch eine entsprechende Gasinfrastruktur geben“, erläutert in diesem Zusammenhang Dr. Tillmann von Schroeter, Geschäftsführer Vaillant Deutschland. „Die Frage ist, welches Gas sich in diesem Netz befinden wird. Und wie hoch dann der Anteil an erneuerbaren Gasarten wie Biogas oder grünem Wasserstoff sein wird. Wir rechnen mit einem beigemischten Anteil insbesondere an Wasserstoff. Lokal wird es voraussichtlich auch reine Wasserstoffnetze geben.“
Wasserstoff hat das Potenzial zur klimaneutralen Energieversorgung
Das einzige Problem dabei: Für die Industrie und industrielle Prozesse oder den Verkehr verwertbarer Wasserstoff kommt in der Natur nicht vor, sondern er muss erzeugt werden. Dabei geht es nicht um eine „Förderung“ oder einen „Abbau“, wie bei fossilen Energieträgern, sondern um die chemische Aufspaltung des wichtigsten Rohstoffes, der Wasserstoff enthält: Wasser mit der chemischen Formel H2O. Wasser steht quasi unbegrenzt zur Verfügung. Und auch bei der Produktion von Wasserstoff ist es möglich, dass keine CO2-Emissionen entstehen. Damit hat Wasserstoff in jeder Hinsicht das Potenzial für eine klimaneutrale Energieversorgung.
Und mit welchen Verfahren wird Wasserstoff gewonnen? In erster Linie wird dafür aktuell die Dampfreformierung eingesetzt. Als Ausgangselemente werden hierbei neben Wasser u. a. auch Erdgas, Biomasse oder Methanol verwendet. Denn auch aus ihnen lässt sich Wasserstoff gewinnen. Bei der Dampfreformierung wird in erster Linie Wärmeenergie benötigt, um Wasserstoff zu gewinnen. Das Problem: Bei der Dampfreformierung entsteht auch CO2. Als Sonderform spielt derzeit auch der Methanolreformer in Brennstoffzellen für Kraftfahrzeuge eine Rolle. Hierbei wird aus einem Methanol-Wasser-Gemisch reiner Wasserstoff gewonnen, der dann wiederum für den Fahrzeugantrieb eingesetzt wird.
Künftig soll Wasserstoff in erster Linie durch Großanlagen zur Elektrolyse gewonnen werden. Dabei ist das technische Prinzip – egal ob die Wasserstoffgewinnung im kleinen oder großen Maßstab stattfindet – immer gleich. An zwei beschichtete Elektroden wird Gleichstrom angelegt. Zwischen den Elektroden befindet sich ein sogenannter Elektrolyt – zumeist leitfähige Kalilauge. Eine Elektrode ist positiv (Anode), eine negativ geladen (Kathode). Durch das Zuführen elektrischer Energie gibt die Kathode Elektronen an die wässrige Lösung ab. Das Wasser wird chemisch aufgespalten und es bilden sich Wasserstoff und Hydroxid-Ionen. Dafür, dass sich die einmal gebildeten Elemente nicht wieder vermischen, sorgt eine Membran. Dieser Prozess wird auch als Power-to-Gas bezeichnet. Das heißt: Es wird elektrische Energie investiert, um Wasserstoff als Gas zu gewinnen.
Power-to-Gas gilt als das umweltschonendste Verfahren zur Gewinnung von Wasserstoff. Die Idee dahinter ist so einfach wie bestechend. Denn der für Power-to-Gas benötigte Strom soll künftig ausschließlich aus erneuerbaren Quellen stammen. Dessen Anteil an der Gesamt-Stromerzeugung in Deutschland steigt kontinuierlich weiter an. Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen ist jedoch – trotz aller Berechnungsverfahren – äußerst volatil. Denn Strom lässt sich im größeren Maßstab kaum direkt als elektrische Energie speichern. An windreichen Tagen in norddeutschen Windparks könnte künftig jedoch einfach die Power-to-Gas Produktion hochfahren, statt Windkraftanlagen abzuschalten, weil die Stromnetze nicht genug elektrische Energie aufnehmen können. Dadurch gehen in Deutschland jährlich rund 5 TWh umweltfreundlicher Strom verloren, weil er erst gar nicht produziert wird.
Power-to-Gas löst das Problem der volatilen Stromproduktion von Windkraft- und Photovoltaikanlagen
Wird „überschüssiger Strom“ aus erneuerbaren Energiequellen im Power-to-Gas-Verfahren genutzt, um Wasserstoff zu erzeugen, lässt sich der Strom in Form von Wasserstoff möglicherweise im Gasnetz zwischenspeichern und für alle angeschlossenen Verbraucher – sei es aus Industrie und Gewerbe oder Privathaushalt – umwelt- und klimafreundlich nutzen.
Im Wege steht dem Power-to-Gas-Verfahren derzeit jedoch in erster Linie eine geringe Effizienz. Deswegen entstehen in ganz Deutschland zahlreiche Versuchsanlagen, um die Prozesse so zu optimieren, dass die Wirtschaftlichkeit deutlich steigt. Dabei sind die ersten Fortschritte an mehreren Anlagen bereits sichtbar. Mittelfristig könnte Power-to-Gas deshalb dazu beitragen, das Problem der Speicherung großer Strommengen aus umweltfreundlicher Produktion effizient zu lösen.
Aber kann Wasserstoff „einfach so“ in das Gasnetz eingespeist und von den vielfältigen angeschlossenen Gasgeräten problemlos verarbeitet werden? Dazu muss man wissen: Bisher lässt das DVGW-Regelwerk bis zu 10 % Wasserstoff im Gasnetz zu, zukünftig sollen 20 % Wasserstoffeinspeisung erreicht werden. Schätzungen des DVGW (Deutscher Verein für das Gas- und Wasserfach) gehen von möglichen 50 % „grünen Gasen“ aus. Entsprechende netz- und geräteseitige Anpassungen wie beispielsweise andere Werkstoffe in Verdichtern, Heizkesseln oder Fahrzeugtanks wären jedoch erforderlich.
Beispiele aus der Praxis loten derzeit eine zwanzigprozentige Beimischung von Wasserstoff aus. So zum Beispiel beim Versorger Avacon in seinem Gasverteilnetz in Schopsdorf, einem Ortsteil von Genthin (Sachsen-Anhalt). Hier soll zum ersten Mal in Deutschland ein Anteil von bis zu 20 Prozent Wasserstoff beigemischt werden. Das Gemeinschaftsprojekt mit dem DVGW soll zeigen, dass es machbar ist, Wasserstoff zu einem deutlich höheren Prozentsatz als heute in ein existierendes Gasnetz einzuspeisen. Das Projekt wird von DVGW-Fachkreisen begleitet. Zu den Zielen gehört es auch, die gewonnenen Erkenntnisse in die Weiterentwicklung des technischen Regelwerks des DVGW einfließen zu lassen und technisch abgesichert, die heute allgemeingültige Beimischgrenze von kleiner 10 % Wasserstoff zu verdoppeln. Ein Beispiel für die denkbaren Probleme dabei: In den verbrauchsarmen Sommermonaten geht mit einem geringen Durchsatz eine verminderte Fließgeschwindigkeit einher. Bei einer geringen Fließgeschwindigkeit ist bei einer ausschließlichen Einspeisung von Wasserstoff jedoch keine gute Durchmischung mit dem vorhandenen Erdgas gegeben. Dadurch kann es zu Wasserstoffblasen kommen, was wiederum sehr hohe Wasserstoffkonzentrationen im Erdgasnetz bedeuten könnte.
Das Erdgasnetz wird zum riesigen Energiespeicher für mehrere Energieträger
Doch Wasserstoff ist nicht der einzige „grüne Energieträger“, der in das Erdgasnetz eingespeist wird. Auch Gas aus Biomasse gehört bereits dazu. In der Zukunft sollen sich im Gasleitungsnetz dann nicht nur Erdgas und Biomethan, sondern auch noch mehr Wasserstoff und künstlich erzeugtes Methan befinden und so zu einer gemeinsamen Energiequelle werden. Zur Veranschaulichung des daraus entstehenden Potenzials: Das bundesdeutsche Erdgasnetz umfasst mittlerweile über 500.000 km und stellt damit einen riesigen Energiespeicher dar, der bereits jetzt doppelt so viel Energie jährlich transportiert wie das Stromnetz im Land.
Betrachtet man die Zukunft des deutschen Erdgasnetzes mit seinen vielfältigen Aufgaben und enthaltenen Gasarten wird eines deutlich: Gasverbraucher am deutschen Gasnetz – wie beispielsweise Gas-Brennwertgeräte in Ein- und Mehrfamilienhäusern – sollten bereits heute Gasqualitäten automatisch erkennen und dann die Geräteeinstellungen ohne Effizienzverlust oder Auswirkungen auf den Betrieb anpassen.
Die Technologie der automatischen Gaserkennung und Geräteanpassung wird von den meisten großen Herstellern bereits angeboten. So sind zum Beispiel die als Synonym für wandhängende Gas-Brennwertgeräte im Markt geltenden ecoTEC Gas-Brennwertgeräte von Vaillant mit dem Verbrennungsregelsystem IoniDetect ausgestattet. Mithilfe der Ionisationstechnologie werden Gasqualitätsschwankungen ausgeglichen und Gasarten automatisch erkannt. Eine optimale Energieausbeute bei zugleich bester Verbrennungsqualität ist somit gewährleistet. Die wartungsfreie Ionisationselektrode bewertet permanent die Qualität der Flamme und adaptiert die Verbrennungsluftmenge im Fall von schwankenden Gasqualitäten. Durch den Betrieb auftretende Ablagerungen auf der Ionisationselektrode und der daraus resultierende Einfluss auf den Ionisationsstrom werden durch einen „Automatik-Drift-Assistenten“ kompensiert. Das Gerät arbeitet dadurch immer mit der größtmöglichen Effizienz.
„Gasadaptive Geräte sind auf die künftigen Anforderungen an Gas-Brennwerttechnik vorbereitet“, erklärt Dr. von Schroeter. „Auch die derzeitige notwendige Umstellung von L- auf H-Gas, vornehmlich in Nord- und Westdeutschland, ist vollautomatisch durch das Gerät möglich. Bestandsgeräte in Deutschland können bereits heute problemlos eine Beimischung von Wasserstoff verarbeiten. Und unsere neuen, gasadaptiven Brennwertgeräte können schon mehr als 20 % Wasserstoff mitverbrennen.“
Fazit:
Bedingt durch den Klimawandel sucht man neue Möglichkeiten, um CO2-Emissionen zu reduzieren. Eine Lösung dafür wäre in der Industrie, dem Gewerbe und Privathaushalten die Nutzung von Wasserstoff anstelle fossiler Energieträger. Wasserstoff lässt sich umweltneutral mit erneuerbarer Energie erzeugen und verbrennt quasi ohne Reststoffe. Gleichzeitig ließen sich Spitzen in der Stromerzeugung mit Windkraft- und Photovoltaikanlagen auffangen, die aktuell nicht vom Netz aufgenommen werden können. Die Grundlage dafür bietet das Power-to-Gas-Verfahren und das bestehende Erdgasnetz in Deutschland.
Im nächsten Teil der Serie zur Energiewende mit Wasserstoff in der Heiztechnik stehen Fragen im Mittelpunkt, wo Wasserstoff künftig zum Einsatz kommen kann, wie die Strategien der EU und der Länder aussehen und welche Zukunft Wasserstoff speziell für die Verwendung im Gebäude hat.
Der Klimawandel erfordert nachhaltige CO2-Reduktionen in der Industrie und im Verkehr.
Wasserstoff hat prinzipiell das Potenzial fossile Energieträger vollständig abzulösen.
Power-to-Gas gilt als das umweltschonendste Verfahren zur Gewinnung von Wasserstoff.