Handarbeit in Serienfertigung
Der Großteil des deutschen Wohnungsbestands wurde in der Zeit von 1949 bis 1978 erbaut [1]. Eine Ära, in der Bäder Nasszellen genannt wurden und möglichst wenig vom Wohnraum wegnehmen sollten. Wohnungsbaugesellschaften stehen nun vor der millionenfachen Mammutaufgabe, solche Bäder von Grund auf zu sanieren – und das bei laufender Nutzung.
„Über Geschmack lässt sich nicht streiten“, sagt man. Stimmt, aber genauso richtig ist, dass Geschmäcker sich ändern. Bestes Beispiel dafür ist die Badgestaltung: Die platzsparenden Nasszellen in den Wohnungen der 1950er- bis 1970er-Jahre haben mit den heutigen Wohlfühl-Ansprüchen nichts mehr zu tun. Seitdem wurden viele solcher Bäder hier und da leidlich renoviert. Doch Wohnungsbau-Gesellschaften kommen nun nicht mehr umhin, diese Bäder von Grund auf zu sanieren. Nicht nur, weil der Geschmack sich verändert hat, sondern auch zum Erhalt der Trinkwasserhygiene.
Ronald Wichmann, Kundenservicetechniker der Wohnungsbau Friesland, kennt die Herausforderungen einer Badsanierung bei voller Wohnungsnutzung zur Genüge. Die Gesellschaft hat in dem Gebiet zwischen Jadebusen und Jever rund 1.300 Wohnung im Bestand. Weil der Service exzellent ist und die Wohnungen gut in Schuss sind, freut sich die Wohnungsbau Friesland über Vollvermietung.
Das heißt aber auch: Die fälligen Kernsanierungen der Bäder müssen erfolgen, während die Mieter das Haus bewohnen. Nur: Welche Vorgehensweise ist für die Leute am schonendsten und für das Wohnungsunternehmen am wirtschaftlichsten? Darauf eine Antwort zu finden, lautete der „Entwicklungsauftrag“, den der Geschäftsführer der Wohnungsbau Friesland, Bernhard Bruhnken, seinem Kundendiensttechniker Ronald Wichmann stellte. Er ist als gelernter SHK-Fachhandwerker dafür prädestiniert. Zusätzlich holte er sich das Expertenwissen von Peter Rostek, Projektleiter beim SHK-Unternehmen Wetter & Co. aus Wilhelmshaven und Jens Meinen, Verkaufsberater von Viega, ein.
Herausforderungen der Bestandsanierung
„Ein Bad nur bei einem Mieterwechsel zu sanieren, reicht nicht“, sagt Wichmann und begründet auch warum: „Erstens sind wir an langen Mieterbindungen interessiert. Wir wollen also auch unseren treuen Kunden ein modernes Bad bieten. Viele sind inzwischen auf ein barrierearmes Bad angewiesen. Und zweitens kämen wir bei der geringen Fluktuation nie auf die Sanierungsquote, die wir brauchen, um schon aus technischen Gründen eine sichere und hygienische Trinkwasserversorgung sicherzustellen.“
Denn außer der Optik steht bei der Badsanierung ebenfalls der Austausch aller Leitungen auf dem Programm: „In der alten Bausubstanz sind zum Beispiel noch verzinkte Stahlleitungen für das Kaltwasser verbaut sowie Gussleitungen als Abwasserrohre. Die müssen natürlich auch raus, denn sonst wären Leitungsschäden im frisch renovierten Bad vorprogrammiert“, umreißt Wichmann den geplanten Umfang. Peter Rostek ergänzt: „Die alten Steigleitungen sind davon natürlich genauso betroffen. Am besten ist also, alle Bäder, die in einem Staffelgeschoss an einem Strang hängen, in einem Rutsch zu sanieren.“
Um den Mietern während der Arbeiten einen Wasch- und WC-Raum anbieten zu können, stellen einige Wohnungsbaugesellschaften draußen Sanitärcontainer auf. „Das ist sehr teuer und nicht immer möglich“, hat Wichmann eine solche Idee längst als nicht praktikabel durchgerechnet. Die Mieter während des Umbaus in den Urlaub zu schicken, würde vielen vielleicht gefallen, aber das ist noch weniger zu bezahlen.
„Bei unseren Vorüberlegungen lief also alles darauf hinaus, einen Prozess zu entwickeln, der die Ausfallzeit eines Bades auf ein Minimum reduziert“, fasst Rostek zusammen. Der Lösungsansatz: komplette Vorwandmodule aus dem Viega System „Steptec“ vorfertigen und vor Ort mit dem darauf abgestimmten System „MuroLive!“ verkleiden.
In der Werkstatt vorgefertigte Module
„Steptec“ ist ein leicht handzuhabendes Baukastensystem für Vorwände. Die vorgelochten Schienen werden einfach mit einer Stanze abgelängt und angepasst. Mit universellen Trapezverbindern zum Schrauben lassen sich daraus individuelle Vorwandelemente bauen. „Die Idee ist, bei den grundrissgleichen Bädern in einem Mehrfamilienhaus, diese Module in unserer Werkstatt vorzumontieren“, erläutert Rostek. So wird die Arbeitszeit in der Wohnung reduziert.
Auf eine weitere mögliche Zeitersparnis verwies Jens Meinen, beratender Außendienstmitarbeiter von Viega: „Die ‚Steptec‘-Vorwandelemente lassen sich natürlich mit GKFI-Verkleidungsplatten beplanken und anschließend fliesen. Schneller geht es aber mit den vorgefertigten Kunststoffplatten ‚MuroLive!‘. Sie sind in fast allen Farben und Dekoren erhältlich.“ Diese Idee fand sowohl bei Ronald Wichmann als auch bei Peter Rostek großen Anklang. „Wenn unsere Handwerker von der Rohrleitungsinstallation bis zur Vorwandverkleidung alle Arbeitsschritte in der Hand haben, können natürlich die typischen Zeitverluste durch Abstimmungen mit anderen Gewerken gespart werden. Außerdem entfallen die Trocknungszeiten, insbesondere beim Fliesen. Die Feininstallation der Keramik kann sofort erfolgen“, stellt Rostek die Vorteile aus Handwerkersicht heraus.
Durch die Brille der Wohnungsbau-Gesellschaft betrachtet, stechen noch weitere Vorzüge dieses Systems ins Auge: „Die Verkleidungen sind reversibel“, freut sich Wichmann. „Im Falle eines Leitungsschadens können wir einfach die Elemente abnehmen, statt Fliesen von den Wänden zu schlagen. Außerdem ist die Gestaltungsvielfalt der robusten Kunststoffplatten klasse. Zu überschaubaren Kosten kann ein Mieter sogar eine andere Badgestaltung bekommen“, denkt der Wohnungsbau-Experte vorausschauend an die Bedürfnisse seiner Kunden.
Masterplan und Testobjekte
Auf Basis der flexiblen Möglichkeiten des Vorwandsystems von Viega machte sich das „Entwicklerteam“ an den Entwurf der Badgestaltung und eines Masterplans für die Umsetzung. Ausgewählt wurden drei Bäder, um Erkenntnisse für die weitere Optimierung des Installationsablaufs zu sammeln. Schließlich will die Wohnungsbau Friesland in den nächsten Jahren an die 300 Bäder sanieren.
Roland Wichmann erläutert das Grundkonzept: „Sobald bei einem Mieterwechsel eine Wohnung frei wird, starten wir dort die Kernsanierung. Ist diese abgeschlossen, steht das Bad den anderen Mietern als vorübergehender Wasch- und WC-Bereich zur Verfügung. Bei drei bis fünf übereinander liegenden Wohneinheiten ist das machbar. Die Arbeiten in den genutzten Wohnungen müssen dann aber trotzdem schnell gehen. Das heißt, möglichst unter zwei Wochen“, legt Wichmann die Latte hoch.
„Damit das gelingen kann, installieren wir die neuen Steigestränge und das Fallrohr Aufputz. So bleiben die alten Leitungen in der Nutzung. Der neue Schacht wird später mit dem Vorwandsystem von Viega verkleidet. Die gesamten Vorwandelemente aus ‚Steptec‘ fertigen wir in unserer Werkstatt vor“, erklärt Rostek den Installationsablauf.
Was sich in der Theorie gut anhört, wollte die Wohnungsbau Friesland allerdings in der Praxis ausprobieren. Das Ergebnis in den dazu ausgewählten Testobjekten kann sich sehen lassen: Die Badgestaltung zeigt sich modern und kreativ. Die Schachtwand, hinter der sich die neuen Steige- und Abwasserleitungen befinden, bildet gleichzeitig das „Duschboard“. Die in den Raum reichende Vorwand bietet zusätzliche Fläche und Stauraum. Statt zu fliesen, sind die Wände mit den robusten Kunststoffplatten „MuroLive!“ verkleidet. Ohne das sonst typische Fugenbild wirkt der Raum optisch größer. Und ohne Fugen sind die Wände außerdem gut und schnell zu reinigen. Oberflächen und Badmöbel aus „MuroLive!“ mit Holzdekor machen aus der ehemaligen Nasszelle damit in Summe ein schickes Badezimmer.
Fazit
„Die Mieter sind mit den neuen Bädern sehr zufrieden“, resümiert Ronald Wichmann und sieht den Masterplan auf dem richtigen Weg. „Trotz gleicher Grundrisse warten in jeder Wohnung jedoch unvorhersehbare Überraschungen. Dann zieht sich eine Badsanierung oft über Wochen. Das ist für Mieter und Vermieter gleichermaßen unerfreulich. Mit dem Vorwandsystem von Viega und unserem Realisierungsansatz werden wir allerdings genug Zeitreserven schaffen können“, spricht Ronald Wichmann für den Bauherrn. Eine Einschätzung, die SHK-Fachmann Peter Rostek teilt: „Die Testobjekte haben gezeigt, dass es möglich ist, in knapp zwei Wochen ein ansprechendes, modernes Bad nach den neuesten Erkenntnissen der Trinkwasserhygiene fertigzustellen.“
Weitere Informationen unter
[1] Statistisches Bundesamt (Destatis), Wohnungen nach Baujahr, Stand 2014: Wohnungen in Wohngebäuden (ohne Wohnheime) insgesamt 39.195.000. Wohnungen der Baujahre 1949 bis 1978: 18.134.000 (entspricht rund 46 %).