Katalysator für das Klima im Quartier
10 Jahre Energetische Stadtsanierung: Förderung für Klimaschutz und -anpassung
Als die Bundesregierung im Energiekonzept 2010 erstmalig Treibhausgasminderungsziele für die Verbrauchssektoren festlegte, wurde deutlich, dass die sehr ambitionierten Ziele mit verschiedenen Fördermaßnahmen flankiert werden mussten. Daher wurde im Dezember 2011 eine Förderung für integrierte Konzepte und Sanierungsmanagements im Quartier ins Leben gerufen (KfW-Programm 432).
Ziel der Förderung war es von Anfang an, den Kommunen dabei zu helfen, quartiersbezogene, abgestimmte und damit kosteneffiziente Vorgehensweisen für Sanierung und Wärmeversorgung zu entwickeln. Von der Förderung profitieren sowohl städtische Quartiere mit hohem Mieteranteil als auch ländliche Quartiere mit einem hohen Anteil von selbstgenutztem Wohneigentum. Die notwendigen Klimaschutzmaßnahmen im Gebäudebereich sollten sowohl für Mieter als auch für Eigentümer bezahlbar bleiben.
Wo stehen wir heute?
Heute stehen wir vor dem Ziel, dass bis 2045 alle Wohngebäude in Deutschland klimaneutral sein sollen. Das hat die Bundesregierung im Juni 2021 mit der Novelle des Klimaschutzgesetzes festgelegt. Mit dem Ukraine-Krieg und in Folge steigenden Energiepreisen, unterbrochenen Lieferketten und Fachkräftemangel ist die Suche nach kosteneffizienten Lösungen noch einmal deutlich schwieriger geworden. Gleichzeitig müssen sich Kommunen auf den Klimawandel einstellen, denn das Klima ändert sich schon jetzt. Das ist bereits deutlich zu spüren an den zunehmenden extremen Wetterereignissen, wie z.B. Starkregen und Hitzewellen.
Zum 1. April 2021 wurde daher auch die Zielsetzung des Programms erweitert: Neben Klimaschutzmaßnahmen werden jetzt auch Maßnahmen für die Anpassung an den Klimawandel unterstützt (s. dazu auch Praxisbeispiel Green Moabit unten). Neben dem KfW-Programm 432 wurden dafür auch die Kreditprogramme KfW 201 und KfW 202 ausgebaut. Weitere Informationen unter
und www.kfw.de/202.
Die Antragszahlen zeigen, dass die Kommunen deutlich erkannt haben, wie dringend der Handlungsbedarf ist. Im Jahr 2021 haben mehr Kommunen als je zuvor in einem Jahr integrierte Quartierskonzepte beantragt: Mit 260 Zusagen und einem Fördervolumen von 23 Mio. Euro kam es zu einem Anstieg von rund 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Angesichts der Komplexität der Aufgabe und des Vorlaufs, der dafür bei den Kommunen erforderlich ist, eine sehr positive Entwicklung. Insgesamt wurden damit seit Ende 2011 bis Ende März 2022 mehr als 1.300 Konzepte und rund 450 Sanierungsmanagements mit einem Zuschussvolumen von insgesamt rund 130 Mio. Euro gefördert.
Kommunen loben immer wieder die Flexibilität des Programmes, die schon beim Quartierszuschnitt beginnt: Dieser kann individuell an die Bedürfnisse vor Ort angepasst werden und muss mindestens zwei Gebäude in räumlichen Zusammenhang beinhalten. Das ermöglicht eine Förderung für sehr unterschiedliche Siedlungstypen, wie die Beispiele Regensburg, Geisa und Green Moabit/Berlin zeigen.
Sozialverträglicher Klimaschutz
in Regensburg
Die Sanierung einer genossenschaftlichen Wohnsiedlung in Regensburg gilt mittlerweile als Aushängeschild für sozialverträglichen Klimaschutz. Mit Hilfe eines integrierten Quartierskonzeptes (2017-2018) und eines anschließenden Sanierungsmanagements (2018-2021) wurden die Vorarbeiten geleistet. In 2021 wurden die ersten Sanierungen abgeschlossen. Die Stadt Regensburg und die Baugenossenschaft Margaretenau eG werden in dem Prozess von der Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH), privaten Büros sowie der 2009 gegründeten Energieagentur Regensburg unterstützt.
Ein bezahlbares Mietniveau hat dabei höchste Priorität: Die Durchschnittsmieten in der Margaretenau liegen zurzeit bei ca. 5,40 € m². Im Vergleich zur durchschnittlichen Nettomiete laut aktuellem Mietspiegel für die Gesamtstadt, die unabhängig von allen Wohnwertmerkmalen bei ca. 9,80 €/m² liegt, ist dies gering. Durch das Dämmen des Gebäudebestandes, die Installierung von PV-Anlagen und ein hybrides Wärmepumpen/BHKW-System für die Energieversorgung erfolgt die Modernisierung mit weiterhin niedrigen Wohnkosten. Bis Juli 2021 wurden 30 der 360 Wohneinheiten saniert. Für die sanierten Wohnungen sind Mietsteigerungen von durchschnittlich 20 % anvisiert. Generell sollen die künftigen Mieten mindestens um 10 % unter Mietspiegelniveau und damit auch nach der Sanierung noch unter dem städtischen Durchschnitt bleiben.
Geisa: Erneuerbare Energien in denkmalgeschützter Kleinstadt
Enge Bebauung und historische Gebäude mit einer weithin sichtbaren Dachlandschaft grenzten die Klimaschutzmöglichkeiten im denkmalgeschützten Altstadtgebiet ein. Das Quartierskonzept (2013-2015) wurde vom Sanierungsträger DSK gemeinsam mit der Stadtverwaltung initiiert, um Synergieeffekte zwischen energetischer Erneuerung und städtebaulichem Sanierungsprozess zu nutzen. Die Umsetzung wird durch ein Sanierungsmanagement unterstützt (2018-2023). Stadtverwaltung, Stadtrat und Bürger waren von Beginn an am Prozess beteiligt.
Im Projektgebiet selbst liegt der Fokus des Quartierskonzeptes und deren Umsetzung auf der Wärmeversorgung. Zwei durch die Stadt realisierte und betriebene Nahwärmenetze (2008–2018), die Holzhackschnitzel nutzen, versorgen alle kommunalen Gebäude im Gebiet. Ziel ist es, lokale Wertschöpfungsketten zu fördern. Das Holz stammt aus dem Abfall des Holzeinschlages des Stadtwaldes. Um den Anteil erneuerbarer Energien zu steigern, wurde eine Photovoltaikanlage auf dem Bauhof am Rande der Altstadt installiert. Der Strom wird in das Netz eingespeist. Weitere Anlagen außerhalb der Altstadt (z.B. auf den Dächern im Gewerbegebiet) sollen folgen.
Klimaanpassung im Berliner Quartier „Green Moabit“
Das Quartier Green Moabit ist eines der ersten Quartiere in Berlin, das sich intensiv mit der Anpassung an den Klimawandel auseinandergesetzt hat. Grundlage war ein Stadtteilentwicklungskonzept (2011-2014), auf das ein Sanierungsmanagement der Energetischen Stadtsanierung aufsetzen konnte (2017-2020). Das Konzept wurde gemeinsam durch Verwaltung und Wirtschaft mit verschiedenen Fachleuten erarbeitet. Eine ganze Reihe von „grünen“ Projekten wurde geplant, darunter der Einsatz regenerativer Energien, Maßnahmen für ein besseres Regenwassermanagement, Begrünung des Stadtraumes und nachhaltige Mobilität.
Gerade bei der Regenwasserbewirtschaftung zeigte sich aber auch, welche Widrigkeiten in der Praxis auftauchen können. In Green Moabit gab es die Idee, Regenwasser von den weitläufigen Dächern einer privaten Ausstellungshalle zu sammeln und damit unter anderem die Wasserspiele eines angrenzenden Spielplatzes zu betreiben. Doch das ökologisches Pilotprojekt, das private und staatliche Grundstückseigentümer tangierte und verschiedene Behörden involvierte, ließ sich aufgrund der schwierigen Abstimmungsprozesse nicht durchsetzen. „Das war bedauerlich“, sagt Marion Schuchardt, Geschäftsführerin der vom Bezirk beauftragten Stadtentwicklungsgesellschaft Stattbau, „aber aus unserer Erfahrung haben andere Quartiere in Berlin viel gelernt“.
Wichtige Aufgabe: Investitionen vorbereiten
Voneinander lernen wird nicht nur in Berlin, sondern generell in der Energetischen Stadtsanierung großgeschrieben. Auch auf Länderebene wird das Programm immer öfter durch Kofinanzierungen unterstützt und der Erfahrungsaustausch der Quartiere untereinander gefördert. „Wir verstehen die Energetische Stadtsanierung als lernendes Programm. Das bedeutet auch, Experimentierräume zu schaffen, in denen Kommunen zukunftsweisende Ansätze erproben können“, sagt Kay Pöhler, der für das Programm bei der KfW verantwortlich ist.
Ganz bewusst sieht die Energetische Stadtsanierung ihre Aufgabe in erster Linie als Katalysator, der die Zusammenarbeit im Quartier beschleunigt und Investitionen vorbereitet. Als flexibles, quartiersbezogenes Programm, das Kommunen vor allem personell entlastet, hat die Energetische Stadtsanierung damit eine wichtige Aufgabe im „Förderorchester“ des Bundes übernommen.
Autorin: Katharina Voss, Referentin im Bundesministerium für Wohnen,
Stadtentwicklung und Bauwesen